Das Album war eine Notwendigkeit – Torres im Interview

Torres und Julien Baker sind eigentlich für elektronisch aufgeladenen Indie-Rock und melancholischen Folk bekannt – gemeinsam veröffentlichen sie mit „Sugar In The Tank“ ein Country-Album. Im Herzen bebt die Lebensrealität queerer Menschen im Süden der USA, im Sound wird es nahezu klassisch. Mackenzie Ruth Scott aka Torres traf sich mit uns zum Interview und sprach darüber, wieso genau jetzt der richtige Zeitpunkt für das Album ist und ob Country wirklich die richtige Entscheidung war.

MusikBlog: Mackenzie, dein neues Album klingt ganz anders als „What An Enormous Room“, das sehr elektronisch und verspielt war. Jetzt klingt alles deutlich reduzierter und organischer. Würdest du sagen, dass es dennoch  eine Verbindung zwischen „What An Enormous Room“ und diesem Album gibt?

Torres: Es gibt definitiv Verbindungen zu meinem früheren Werk, auch wenn ich bewusst versucht habe, etwas Neues zu machen. Ich kann mich einfach nicht vollständig von meiner Handschrift lösen. Aber dieses Mal war der Zugang ein anderer: Wir haben uns stärker auf Storyelling konzentriert und beim Sound eher zurückgehalten. Wir wollten nichts Neues erfinden, sondern bewusst auf einen bestehenden Klang zurückgreifen – den Sound eines Country-Albums.

MusikBlog: Ich kann mir gut vorstellen, dass es ohne dieses Potential der unterschiedlichsten Instrumente und Sounds und stattdessen mit einem sehr reduzierten Set an Möglichkeiten etwas schwierig war?

Torres: Ja, total. Es war wie ein fester Rahmen, in dem man sich bewegt. Auf der einen Seite schränkt es ein, auf der anderen Seite schafft es Freiräume. So wie morgens aufzuwachen und schon zu wissen, was man anzieht – das spart Energie, die man anders nutzen kann.

MusikBlog: Ihr hattet ja schon vor fast zehn Jahren die Idee, gemeinsam ein Album zu machen. Warum hat es ausgerechnet jetzt geklappt?

Torres: Ich glaube, der Moment war nie besser als jetzt. Es ist natürlich nicht gut, was mit der Welt gerade passiert. Wenn wir das Album vor ein paar Jahren gemacht hätten, hätte es sich vor allem wie ein persönliches Erfolgserlebnis angefühlt. Jetzt war es fast eine Notwendigkeit. Unsere Geschichten sind sehr persönlich, aber sie haben das Potenzial, auch Hoffnung und Positivität zu erzeugen – besonders für Menschen, die das gerade brauchen. Vor vier, fünf Jahren hat sich das noch nicht so schwer angefühlt, weil es da mehr Akzeptanz für Leute wie Julien und mich gab. Vielleicht war das auch nur eine falsche Annahme von Frieden und Sicherheit. Aber jetzt ist es einfach noch schwieriger geworden.

MusikBlog: Gerade im Country-Genre haben sich in den letzten Jahrzehnten viele konservative Werte breit gemacht. Gab es je einen Moment, bei dem du dachtest, es wäre vielleicht die falsche Idee, sich mit diesem Genre auseinanderzusetzen?

Torres: Ja, definitiv. Es gibt Menschen, vor allem online, die uns ganz deutlich machen möchten, dass wir nicht dazu gehören. Aber für mich ist Country ein Filter, eine Sprache – eine, die ich verstehe und eine, die eine ganz bestimmte Demografie von Amerikaner*innen anspricht. Julien und ich kennen die Sprache gut, denn wir sind in den Orten aufgewachsen, in denen so gesprochen wird. Country war bei uns der dominante Musikstil. Dahinter steckt für uns also auch die Idee des Dazugehörens. Für mich fühlt es sich an – und ich möchte hier nicht für Julien sprechen – wie ein Versuch, sich mit Leuten in ihrer Sprache zu verbinden. So mit ihnen zu sprechen, dass sie mich hoffentlich verstehen können. Wenn mir jemand mit einem Bibelvers entgegenkommt, dann kenne ich ihn bereits und weiß, welcher danach kommt. Ich kann aus dieser Sprache einen Dialog machen und habe damit vielleicht eine bessere Chance, durchzukommen.

MusikBlog: Gab es für dich auch mal eine Phase, in der du dich von Country entfernt hast?

Torres: Absolut. Country war meine erste große musikalische Liebe als Kind, ganz ohne politischen Kontext. Später, vor allem während meiner Schulzeit in Nashville, wollte ich nichts damit zu tun haben – obwohl dort natürlich alles davon durchdrungen war. Für eine Weile musste ich aus dem amerikanischen Süden raus. Seitdem kann ich mich auf die Teile der Vergangenheit einlassen, für die ich noch etwas empfinde.

MusikBlog: Wie war es für dich, diesen sehr persönlichen Schreibprozess mit jemandem wie Julien Baker zu teilen?

Torres: Extrem erfüllend. Ich habe vorher nie wirklich kollaborativ gearbeitet, das war ganz neu für mich. Julien ist eine unglaubliche Künstlerin – wild, kraftvoll und zugleich sehr sensibel. Julien hatte ursprünglich eine ganz andere Vorstellung vom Sound – eher ein Top-40-Nashville-Pop-Album mit Trap-Drums. Ich dachte mehr an 70er-Jahre-Folk mit 90er-Einflüssen. Am Ende ist es etwas Eigenes geworden. Die Freundschaft und die Zeit, die wir gemeinsam verbracht haben und dabei eine kleine Welt erschaffen haben, hat mich verändert. Und das ist gerade mal der Anfang.

MusikBlog: Julien ist ja eine Expertin in der Zusammenarbeit mit befreundeten Musiker*innen – die Dynamik ist aber dennoch immer eine andere. Wusstet ihr schon früh, dass dieses Album von euren persönlichen Geschichten und Queerness handeln wird?

Torres: Nicht ganz. Es gab natürlich Themen, die uns beiden wichtig sind – wie Verlust, Abhängigkeit, Tod, Reisen, Angst, Hoffnung. Aber die genaue Form hat sich erst im Prozess entwickelt.

MusikBlog: Freust du dich auf die Tour – und wird sie sich anders anfühlen als deine Solo-Touren?

Torres: Ich denke, sie wird sich komplett anders anfühlen – viel größer, lauter, mit mehr Menschen. Es wird einfach mehr Spaß machen. Nicht, dass meine Solo-Touren nicht schön waren, aber das hier ist etwas ganz anderes.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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