„Playing this instrument, makes me feel like a Queen“, attestiert Joan Wasser aka Joan As Police Woman irgendwann zur Mitte des gestrigen Konzerts bei einem ihrer zahlreichen Flirts mit dem Publikum im Heidelberger Karlstorbahnhof. Das wiederum lässt sich seinerseits gerne darauf ein und stellt Gegenfragen, wie etwa die zur Beschaffenheit des nachtschwarzen Flügels, an dem die Protagonistin sitzt, von wo aus sie dann nicht um schlagfertige Antworten verlegen ist.

Für die ersten Songs bleibt Joan Wasser ausschließlich an diesem Arbeitspaltz, in eleganter Abendgarderobe, ohne Begleitband, ganz auf sich gestellt – egal, ob die Stücke von ihrem Solodebüt „To Survive“ oder dem fantastischen aktuellen Album „Lemons, Limes And Orchids“ stammen.

Nur in den seltensten Momenten gönnt sie sich ein Sample zur Unterstützung. Ein sachter Beat oder eine Geige, die sie als ausgebildete Violinistin da zuvor eigens drauf gepackt hat.

Es spricht für die Qualität des Songwritings der US-Amerikanerin, dass ihre Stücke auch in diesen puristischen Versionen, ob am Flügel, später auch an der E-Gitarre, funktionieren und darüber hinaus regelrecht strahlen.

Zwischen den Songs erzählt sie kleine, unaufgeregte Anekdoten, gerne auch mal mit einem selbstironischen Unterton. Tags zuvor habe sie noch in Edinburgh gespielt, heute dann mit dem Autoverleih am Frankfurter Flughafen zu kämpfen. Weshalb sie nur Minuten vor Konzertbeginn in der Venue eintraf. „Nie wieder Enterprise. Die haben eine halbe Stunde gebraucht, um überhaupt den Schlüssel für das Auto zu finden.“

In diesen Possen stecken die kurzen Gegenspieler zu ihren eleganten Jazz- und Soul-Pop-Stücken. Statt großer Gesten gibt es kleine, echte Momente. Statt Pathos lieber ein bisschen Schalk.

Wem zur Inszenierung ein paar wenige Lichter und eine Nebelmaschine reichen, zeigt sowieso: Hier geht es nicht um Show. Hier geht es ums Eingemachte. Unterstrichen durch ihr hörbar tiefes Einatmen vor jedem Einsatz, als wolle sie sicherstellen, dass ihre unvergleichliche Alt-Stimme nicht nur die Töne, sondern auch die Message in den Songs trifft.

Wie etwa beim hauchzarten „Oh Joan“, das ihr einmal mehr die verdienten Vergleiche mit Nina Simone einbringt. „Ich habe diesen Song geschrieben, als ich dachte, wir wären bereits in den schlechten Zeiten“, sagt sie vorab. Es folgt ein tiefer Seufzer und jeder und jedem in den dicht besetzten Stuhlreihen des Karlstorbahnhofs ist klar, dass sie damit die Zeiten vor Trump 2.0 meint, ohne, dass sie das weiter ausführen muss.

Ganz Im Gegensatz zum darauffolgende „Guiltiness“, einer Coverversion von Bob Marley & The Wailers, die sie so sehr zu ihrer eigenen macht, dass sie ehrlicherweise daraufhin weist, dass der Song gar nicht von ihr ist.

In beiden Fällen zeigt sich einmal mehr, wie Joan Wasser das Klavierspiel im Allgemeinen gegen den Strich bürstet und nicht selten mit der rechten Hand die Akkorde greift, während die linke im Bass die Melodie spielt.

Dass ihre Songs durch die Tonarten mäandern und bisweilen hunderte von Harmoniewendungen beinhalten verlangt nicht nur dem Publikum volle Aufmerksamkeit ab, sondern auch der Künstlerin , weshalb sie sich einmal kurz selbst dafür feiert, alle Akkorde ohne Fehler getroffen zu haben.

Mit vergleichsweise wenigen Akkorden kommt „Lemons, Limes And Orchids“ aus, das Titelstück ihres aktuellen Albums, das dennoch eines der besten ist, das sie je geschrieben hat. Grazil, emotional und großartig schrauben sich hier noch einmal Wassers stimmliche Fähigkeiten in die Höhe.

Ein Song der exemplarisch für diesen intimen und doch auf unwiderstehliche Art und Weise glanzvollen Abend steht. Ein Abend ohne inszenierte Dramen – nur mit Musik, Persönlichkeit und Haltung. Keine Show, eine Begegnung – die Joan As Police Woman noch eine ganze Weile am Merchstand mit Autogrammen und Selfies fortsetzt.

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