These New Puritans orgeln sich mit „Crooked Wing“, ihrem ersten Album seit sechs Jahren, an einem Meisterstück vorbei. Und das womöglich mit voller Absicht.
Was mit ein paar sachten Akkorden auf dem Kircheninstrument und dem Sopran von Sophia Sleigh-Johnson (Cousine der Bandmitgründer und Zwillingsbrüder Jack und George Barnett) in „Waiting“ beginnt, hätte auch von Kate Bush sein können. Genau genommen von ihrem sträflich unterschätzen Spätwerk „50 Words For Snow“.
Diese so ätherisch sanfte, leicht unterkühlte und mit überwältigender Grandezza konzipierte Perle von Album, die Kate Bush 2011 veröffentlichte, sie steht für das fünfte Studioalbum des britischen Art-Pop-Duos durchaus Pate.
Vor allem dann, wenn Gastsängerinnen wie Sleigh-Johnson oder Caroline Polachek, die die getragen-düstere Pianoballade „Industrial Love Song“ veredelt, den Songs zu himmlischen Höhen verhelfen. Das sind die Kontrapunkte zum ansonsten leicht misanthropischen Gesangsstil von Jack Barnett.
Darüber hinaus liegt in beiden Fällen der Fokus auf Tasteninstrumenten. Auf „Crooked Wing“ dominiert die oben erwähnte Orgel. Und zwar weniger pastoral, meistens verhängnisvoll und untermalend.
Ergänzend spielt sich das Bruder-Duo mit Pianos und Percussions durch ihre traditionell konturlosen Songs. Keines der zehn Stücke verfügt über ein klassisches Strophe-Refrain-Muster. Stattdessen dominieren künstlerische Statements abseits der Massenunterhaltung.
Sphärisch, meditativ und mit jener entrückten Schönheit, die einst Talk Talk perfektionierten – die zweite Koordinate dieses Albums. Wie bei der Band um Genie Mark Hollis, sind auch die Tracks von „Crooked Wing“ eher Kapitel in einer Sprache, deren orgastisches Vokabular aus Orgel, Glocken, Flöten, oder Trompeten besteht, die auch mal unmerklich dahin schwinden wie etwa in „Goodnight“, das seinem Namen alle Ehre macht.
Wer sich für musikalische Grenzüberschreitungen, konzeptuelle Tiefe und eine düstere, aber intellektuell aufgeladene Atmosphäre begeistert, findet hier einmal mehr ein spannendes Album. Mit etwas weniger Mystik, dafür schärferen Konturen hätte „Crooked Wing“ gar das Zeug zu etwas Großem.