Von der Grime-Kühle über den Prunksaal bis in den Club: Little Simz zeigt mit jedem Release ihre Versatilität als Künstlerin. „Lotus“ ist dabei der unbedingte Beweis, dass bei all der Schwermut der Lyrics auch Bewegung im Sound steckt.
„Lotus“ ist das erste Album von Little Simz, das unbedingt von vorne bis (fast) ganz hinten durchgetanzt werden kann. Das war bei Alben wie „Stillness In Wonderland“ oder „GREY Area“ noch nicht so zu erwarten.
On point waren Texte, Beats und Ästhetik zwar schon immer, doch die Atmosphäre so drückend und/oder lässig, dass an eskapistische Party weniger zu denken war.
„Sometimes I Might Be Introvert„, das bisherige Opus Magnum der Britin war dann die unbedingte Öffnung für mehr Bombast im sonst so ausgekühlten Grime, für Streicher, für politische Manifeste, für Main-Stage-Bildsprache. So groß war Little Simz bis dato noch nicht. „Lotus“ geht jetzt einen Schritt weiter.
Alleine die Gästeliste kann sich mit Freunden wie Moses Sumney, Michael Kiwanuka, Obongjayar oder Yukimi sehen lassen. Einige von ihnen teilten sich bereits Mics und Studios mit Simz, andere sind zum ersten Mal im Kosmos zu Gast. Egal, ob in den Solo-Tracks oder mit Feature-Gästen: Little Simz klingt hier anders.
Besonders fällt das in „Young“ auf, das mehr aufbricht und die kühle Lässigkeit hinter sich lässt – im Sound, aber auch in Simz‘ Stimme. Der Sprechgesang hat stimmlich mehr Spielraum und die Beats bleiben nicht in der Monotonie haften.
Immer wieder spielen die Gäste die weiche, melodische Seite zu, doch Simz selbst ist ebenfalls nicht mehr nur im Stakatto-Mumble-Rap verhaftet.
Auf der anderen Seite stehen dann Songs wie „Only“, das Simz mit Lydia Kitto performt. Hier liegen wieder Jazz- und Blues-Arrangements als Teppich unter den Beats, Kitto wiederum bringt in Gospel in den Club. Zwischen dieser Opulenz auf der einen und den ikonischen Beats auf der anderen Seite schärft sich hier ein Album voller Hits.
Vom bedrückenden „Flood“ mit Obongjayar und Moonchild Sanelly, das sich über die richtigen Verhaltensweisen in einer kaputten (Musik-)landschaft austauscht über das dramatische „Hollow“, das sich vor Streicher-Sinfonien über God Complex den Kopf zerbricht oder „Blood“ mit Wretch 32 und Cashh als Geschwister-Dialog bis zum Titeltrack „Lotus“ mit Michael Kiwanuka und Yussed Dayes, der in seinem Klimax zu einem Gold-Moment des Jahres wird – die Reise dieser Platte ist lang wie dieser Absatz.
Und doch ist dies die gleichermaßen zugespitzteste als auch hitbeladenste Platte von Little Simz. Ein weiteres Meisterwerk einer absoluten Hip-Hop-Ikone. Mehr geht kaum.