Seit Mike Skinner unter dem Namen The Streets eine Art Blaupause vorlegte, kann man sich außerhalb Londons kaum mehr vorstellen, wie UK-Rap anders klingen könnte als sein damaliges „Original Pirate Material“. Aufs Vortrefflichste bestätigt nun Loyle Carner die gemeinhin verbreiteten Annahmen, wie sich Hip-Hop von der Themse anzuhören hat.

In „hopefully!“setzen schon die entsprechend typischen Jungle-Elemente im eröffnenden „feel at home“ ein Ausrufezeichen. Stolpernde Drum and Bass-Synkopen in Kombination mit schnellem Skandieren in belegter Stimme, ebenfalls Marke Skinner, zeichnen dann insbesondere den Track „horcrux“ aus.

„horcrux“ – ein Begriff aus „Harry Potter“ – steht für Tempo, ist einer der schnellsten Tunes hier. In eine ähnliche Richtung zieht die flirrende Single „about time“.

Doch ein Großteil der Stücke zeigt sich dieses Mal relativ langsam und bewegt sich zudem weit weg von den Einflüssen aus Londons Elektronik-Underground.

Im Unterschied zum klapprigen Vorgänger „Hugo“ aus dem Herbst 2022, fließen auf „hopefully!“ oft elegante Neo-Soul-Phasen in organischer Jazz-Spielweise ein, beispielsweise in „lyin'“.

Und auf diesem Hip-Hop-Album wird auch ab und zu gesungen – vom Rapper selbst, nicht von Gästen. Feature-Beiträge gibt es allerdings auch, zusätzlich zu diesem Sprung des Gastgebers zwischen seinen Rollen.

Singer/Songwriter Nick Hakim im Stück „don’t fix it“ vertritt die US-Ostküste. Zu einer schläfrig-verwaschenen Klang-Spielerei malt Loyle Carner mit ihm Poesie in Form einprägsamer Zeilen: „Don’t fix it for me, what you’re broken with me, in the coldest parts / so the past thrown with frisbees.“ – Solche geschliffene Wortkunst adelt das Album.

Skater-Klamotten-Model Navy Blue, mit seinen 28 Lenzen noch ein bisschen jünger als der 30-jährige Loyle, hat letzten Sommer sein Def Jam Label-Debüt vorgelegt. Die beiden Rapper lassen sich in „purpose“ auf einem klavier-basierten Soul-Musikbett aus.

Höhepunkt des Longplayers ist das Titelstück „hopefully“ (ohne Ausrufezeichen). Hier hatte Loyle Carner das große Glück, den im Dezember an einem Hirntumor verstorbenen Schriftsteller, Black-Power-Aktivisten und Spoken-Word-Künstler Benjamin Zephaniah noch lebendig zu erwischen, den man zuletzt bei Moby in „where is your pride?“ vernahm – hier nun clever eingebaut als Sprachnachricht („please leave a message after the beep!“).

Zwischen Analog-Ästhetik und Hochglanz-Produktion nutzt Carner mehrere Modi. Von der allgemein im heutigen Mainstream-Hip-Hop herrschenden Tonqualität, die Trap-Trash zelebriert oder aus Kostengründen vorgefertigte Beat-Versatzstücke nimmt, distanziert sich Carner mit seiner Platte jedenfalls so weit wie möglich.

Schreibe einen Kommentar

Das könnte dir auch gefallen

Album

Stereophonics – Make ‚em Laugh, Make ‚em Cry, Make ‚em Wait

Album

Doves – Constellations For The Lonely

Album

Lauren Mayberry – Vicious Creature

Login

Werde MusikBlog-Mitglied!

Werde MusikBlog-Fan-Mitglied und du kannst Alben als Favorit markieren und deine eigenen Jahres-Charts erstellen.

Erlaube Benachrichtigungen OK Nein, danke