Na, wie geht’s heute? Beschissen? Gerade verlassen worden? Tinder-Date schreibt nicht zurück? Nicht zufrieden mit dem Spiegelbild? Zum Glück liefert Tom Odell, der unangefochtene Prinz der Traurigkeit, wieder Nachschub für die Tränendrüsen: sein siebtes Studioalbum „A Wonderful Life“. Ein Titel, der fast schon verdächtig optimistisch klingt.
Doch wer hier heitere Wohlfühlhymnen erwartet, irrt. Odell bleibt der melancholische Geschichtenerzähler, der das Chaos der Gefühle in Musik gießt. Dass er inzwischen glücklich verheiratet ist, würde man beim Hören kaum vermuten. Schon die Vorab-Singles zeigen: Sein Talent für Songwriting und Produktion ist ungebrochen.
„Don’t Let Me Go“ taucht tief ein in eine Liebe, die zwischen Schmerz und Weltuntergang taumelt, ein introspektiver Indie-Rock-Track mit schneidendem Pathos.
„Don’t Cry, Put Your Head On My Shoulder“ hingegen wirkt wie eine sanfte Umarmung, getragen von zarten Chamber-Pop-Arrangements, während „Ugly“ solide bleibt, aber thematisch vertraut wirkt: Selbsthass, die Angst, nicht liebenswert zu sein. Und das waren erst die Singles.
Wie ein roter Faden zieht sich Odells Verletzlichkeit durch „A Wonderful Life“. Der Titeltrack selbst baut sich instrumental meisterhaft auf und entpuppt sich als sarkastischer Kommentar auf die Härte des Lebens: kein Heile-Welt-Versprechen, sondern ein Mosaik aus Liebe, Verlust, Gewalt und flüchtigen Momenten.
Diese intime Slice-of-Life-Perspektive prägt auch „Prayer“, in dem sich Odell an einen „Boy“ wendet, vermutlich sein jüngeres Ich. Zwischen Hoffnungen auf Musik, Liebe und Freiheit blitzen immer wieder dunkle Bilder auf („all the black dark in your blood“).
Das Album wirkt insgesamt wie der Soundtrack zu Odells eigener Biografie: reduziert, nah, fast so, als säße man mit ihm in einem Wohnzimmerkonzert. Es glänzt mit einer fast makellosen Instrumentierung, die oft wirkt, als würde Odell direkt neben dir spielen.
Ein Höhepunkt ist „Why Do I Always Want The Things That I Can’t Have“: kraftvolles Klavier, magischer Chor, ein Ringen zwischen Sehnsucht und Selbstzerstörung: Tanzen, Pillen, Zigaretten, Nächte ohne Schlaf.
Mit „Can We Just Go Home Now“ und „Can Old Lovers Ever Just Be Friends?“ zieht Odell das Tempo leicht an. Keine Dancefloor-Hymnen natürlich, aber etwas mehr Leichtigkeit, ohne den melancholischen Kern zu verlieren.
Odell spricht seit Jahren offen über Panikattacken und Depressionen. Songwriting sei seine beste Therapie, sagt er oft. „A Wonderful Life“ beweist das einmal mehr. Seine größte Stärke bleibt das Storytelling: Er schafft Nähe durch präzise Bilder und emotionale Ehrlichkeit, ohne jemals ins Pathetische abzurutschen.
Unterm Strich blickt „A Wonderful Life“ auf die zerbrochene Landschaft einer modernen, zersplitterten Gesellschaft und findet darin genau das, was Tom Odell am besten erschaffen kann: einen Hauch von Schönheit und Hoffnung inmitten der Dunkelheit.