Knapp 50 Prozent aller US-amerikanischen Haushalten besitzen eine Schusswaffe. Da verwundert es nicht weiter, dass sich Bands Militarie Gun nennen und ein Album mit „God Save The Gun“ betiteln. Nur erwartet uns bei der 2020 von Ian Shelton gegründeten Band aber kein flaggenschwingender Redneck-Country, sondern waschechter Hardcore Alternative Rocksound.

Das hochgelobte 2023er Debütalbum „Life Under The Gun„, das unter anderem unter die Top 10 Newcomer Alben beim NME gewählt wurde, zeigte bereits verschiedene Stileinflüsse, so dass die Erwartungshaltung an die, inzwischen auf fünf Mann gewachsene Band, umso größer ist.

„God Save The Gun“ gehört dabei zu den Alben, die man trotz verschiedener Genres als „alte Schule“ bezeichnen möchte. Tatsächlich sind gerade die Songs, die nach Mitte bis Spät Neunziger Jahre klingen, die besten auf dem Dutzend Tracks.

So klopft „B A D I D E A“ mit Hardcoretaktung und melodischen Akkorden den plärrenden Sound von Shelton in eindringliche Form.

Die Stärke des Vorgängeralbums, Noise-Rock-Elemente mit Melodien zu vereinen, nutzen Militarie Gun auch hier wieder, um aus „Fill Me With Paint“s abgegriffenen Akkorden eine eingängige Hymne zu basteln.

Irgendwo in die späten 90er führt uns „Throw Me Away“, das sich wie die nicht abgehörte Variante von Blink 182 anhört und sich deren Rhythmik entleiht, um das Fundament für einen wuchtigen Chorus zu legen. Shelton fleht „please don´t throw me away“ – nur, um kurz darauf bei „God Owes Me Money“, über die Dinge zu berichten die man besser vergisst.

Den Sound katapultiert man mit Synthesizern und einem dichten Saiteninstrumentenwall in die Moderne, nimmt spannungsbogenerzeugend das Tempo raus, um danach in stadionrockender Manier die Drumtaktung zu erhöhen.

Die obligatorische Akustiknummer mit Streichervorhang bietet „Daydream“, das textlich ebenso seicht ist wie die aufgewärmte Soundkulisse. Das scheint auch Shelton zu verstehen, weshalb man das folgende „Maybe I’ll Burn My Life Down“ als Entschuldigung verstehen darf:

Hier wird in Manier von Fugazi beziehungsweise Future Of The Left mit tempobestimmendem Bass und in die Luft gestreckter Faust gerockt. Im Akkord hämmert der Takt um die Suche nach einer „new obsession“ zu unterstützen, die politisch korrekt als Hymne Kehlen füllt.

Nicht ganz so politisch korrekt, dafür mehr als direkt fordert „Kick“ auf, eben jenes („zu treten“) zu tun, auch wenn es sich dabei auch um die Gesichter irgendwelcher weniger sympathischer Zeitgenossen handelt. Die besungenen Hürden des Lebens planieren Militarie Gun hier mit effektüberladenem Saiten- und Keyboard-Gigantismusm der sich erstaunlich gut mit dem 90er Jahre Hardcore-Gerippe verträgt, auf dem der Rest des Titels platziert wurde.

Das trägt auch noch „Laugh At Me“, wenn auch mit deutlich melodiöserer Ausrichtung inklusive mehrstimmigem Chorus, der die Zeitmaschine ins Millenium springen lässt.

Militarie Gun halten sich an knackige Spielzeiten, die meisten Titel geben sich mit zweieinhalb Minuten zufrieden. „I Won’t Murder Your Friend“ packt da zwei Minuten zusätzlich drauf, was aber bei der Abrechnung verständlich scheint. Dabei wird das Tempo runtergedreht, um Ian Sheltons Worten den großen Auftritt zu ermöglichen. So schleppen sich die Drums in die Saitenrhythmik, nur um nach knapp vier Minuten Spielzeit den stromfressenden Auftritt zu erhalten, der Songs mit diesem Format zusteht.

Der Verstärker zerrt an den Wah Wah Riffs und fräst sich unerbittlich ins Gehör, das sich mit dem folgenden kurzen Intermezzo „Isaac’s Song“ ausreichend erholen kann.

Militarie Gun können dann mit „Thought You Were Waving“ ein letztes Highlight nachreichen. Die Köpfe nicken, die Füße takten im nostalgischen Pop-Punk-Rhythmus. Das sich vor etwas mehr als 25 Jahren in diesem Genre hitverdächtige Charterfolge eingestellt haben, scheinen auch Militarie Gun zu wissen und legen bei der Eingängigkeit des Refrains noch eine Schippe drauf.

Da ließe sich auf den abschließenden Titeltrack verzichten, der bietet Gitarrenriffs aus der Recyclingbude und eine Stimmlage, die nach zwei Whiskeys nach dem Zähneputzen klingt sowie einen Spannungsbogen, der sich leider nie auflöst.

Militarie Gun nehmen uns mit auf eine Zeitreise durch die alternativen Rockgenres der letzten 30 Jahre. Das ist gleichzeitig auch das große Problem von „God Save The Gun“. Mancher Titel wirkt austauschbar in seinem nostalgischen Sound, auch wenn sich die Band mit stets eingängiger Rhythmik dagegen wehrt.

Das große Ganze erschließt sich auf Albumlänge, da wirkt das Schaffen der Band zwischen Alternative-Rock und härterem Punk- und Hardcoreklängen stimmig homogen und Hymnen wie „I Won’t Murder Your Friend“ oder „Maybe I’ll Burn My Life Down“ überzeugen vollends.

So gelingen Militarie Gun auch mit „God Save The Gun“ wieder ein nostalgischer Trip mit modernen Anleihen.

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