Das Hooke’sche Gesetz besagt, dass die Verformung einer Feder proportional zur angelegten Belastung verläuft. Die trockene Namensherkunft lässt also vermuten, dass keiyaA die Belastungsgrenzen ihrer Hörer*innen durch kontrollierten Stress auszutesten versucht.
Denn driften die physikalischen Messgrößen zu weit auseinander, bahnt sich das Materialversagen an; und auch die stabilste Feder muss irgendwann brechen. Auch keiyaAs Musik driftet in diverse Richtungen, diese Wechselspiele bewirken jedoch eher das Gegenteil: Die auf den ersten Blick inkompatiblen Elemente fügen sich mit jeder Wiederholung zu einem stabilen Ganzen zusammen.
Und dieses Gesamtbild ist sehr viel smoother als die bruchstückhafte Machart vermuten lässt. R&B-Enthusiasten sollten hier genauso fündig werden wie Fans von Elektrobeats und exzentrischem Rap.
Hinter keiyaA steckt die Jazz-Saxophonistin Chakeiya Camille Richmond, die sich spätestens jedoch mit ihrem Solo-Debüt „Forever, Ya Girl“ (2020) einen Ruf als Neo-Soul-Sängerin zementieren konnte.
Der Jazz bleibt auch ohne Saxophon unverkennbar: Als vielschichtig gestapelte Harmonien, die die träumerische Stimmung von Thundercat– oder Knower-Stücken transportieren („Until We Meet Again“), als unrund swingende Ausbrüche von Schlagzeug und Orgel („Take It“), als erfinderisches Chaos.
Darüber hüpfen simple wie eingängige Beats. KeiyaA flicht ihre Stimme dazwischen, durch die Mehrstimmigkeit zwar verschwommen, aber immer kontrastreich genug, um sich von der elektronischen Grundlage abzuheben.
Hip-Hop wird ebenfalls abgedeckt, und das nicht erst durch den Gastauftritt der widerspenstigen Underground-Rapperin Rahrah Gabor. Auch keiyaA’s Flows sind eigen, brechen mit Erwartungen und sich selbst an hemmungslosem Autotune-Geballer („Think About It/What U Think?“).
Trotz aller Wechselhaftigkeit wird das Ganze von der Grundstimmung zusammengehalten. Wie wenig sich alle unruhigen, düsteren, verführerischen, verträumten, lockeren und fluffigen Modi aneinander reiben, gleicht einem Kunststück.
Die Vielzahl an Inspirationen, Stilen und Stilbrüchen – alles was dieses Album eben ausmacht – funktionieren weniger wie eigenständige Kunstwerke, die zusammen eine Ausstellung bilden – eher gleichen sie den vielen untrennbaren Geschmacksnoten eines Cocktails und keiyaA der Barkeeperin ihrer eigenen nächtlichen Strandparty.
