„Die Erfindung des Systems ist die Erfindung der Flucht.“

Mit „Das Ende der Beschwerde“ veröffentlichte der Kölner PeterLicht sein mittlerweile fünftes Album. Um es vorweg zu nehmen: Um an die beiden Vorgänger „Lieder vom Ende des Kapitalismus“  (2006)  und „Melancholie und Alltag“ (2008) anzuknüpfen, reicht es dieses Mal nicht. Aber das Album hat es auch nicht nötig, eine Empfehlung von Intro auf dem Cover tragen zu  müssen.

Nachdem PeterLicht nach Erscheinen seines Erstlings „14 Lieder“ noch für die Naivität, Dinge und Sachverhalte  zu besingen („Die transsylvanische Verwandte ist da“) belächelt wurde, ist er inzwischen einzigartig mit seinem Talent, gesellschaftliche Zustände zu analysieren und mit kaum zu überbietender Doppelbödigkeit in – bei ungenauem Hinhören zusammenhanglose – Textzeilen zu packen.

Der subtile Wortwitz zwischen den Zeilen ist teilweise nur durch kräftiges Schütteln selbiger zu ergründen. Nachdem sich auf den beiden letzten Werken meistens beschwert wurde, geht es diesmal insgesamt eher um das Resümieren der Gesamtsituation, das Auflösen, den Blick nach vorn.

So ist  „Begrabt mein iPhone® an der Biegung des Flusses“ eine schöne Vision einer Welt, in der sämtliches Facebook- Gedöns zusammen mit allen Kundenprofilen und Kapitalmarktlügen den Zeitfluss hinunter getrieben ist, eine imaginäre Anleitung für neues Leben findet man im über sieben Minuten wütend vor sich hin grummelnden „Fluchtstück“.

Rhetorisch geben sich wieder Genie („Der Tag beginnt/Das ist viel/Er könnte es auch lassen…“) und Wahnsinn („Marian kommst Du mit mir/Oder bleibst du hier…“) die Klinke in die Hand. Produziert zusammen mit  Jochen Naaf (Klee, Polarkreis 18) bewegt sich das Album  musikalisch irgendwo zwischen Breitwandpop und  den üblichen Verdächtigen der deutschen Indie-Landschaft.

Mitunter wirken die Kompositionen allerdings etwas uninspiriert oder anders gesagt: Es gibt schon mal zu viel Text für zu wenig Melodie („Meine alten Schuhe“) und der Bass bei „Das Ende der Beschwerde“ könnte auch vom „Seventeen Seconds“ Album von The Cure stammen.

Unter dem Strich eine Platte im oberen Mittelfeld mit Anschluss an die Tabellenspitze, der aber ein Hit wie das bitterböse „Marketing“ vom Vorgänger fehlt. Aber, was  nun wirklich besungen wurde merkt man ja ohnehin erst später –  nach dem zu Ende denken.

Jedenfalls erschien das „Lied vom Ende des Kapitalismus“ 2006 zu einer Zeit, an der die meisten Sympathisanten der Occupy-Bewegung wahrscheinlich selbst noch kräftig an der Börse investierten. Bis dahin können Jutetaschen-Träger/innen und Stadthaus-Bewohner/innen weiter zu der Musik ihr Missverständnis tanzen. Ist ja so lustig, die Musik von PeterLicht.

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