Um ein Haar wären The Dodos gar nicht auf ihrer aktuellen Tour in Berlin vorbeigekommen. Nachdem der Festsaal Kreuzberg, Spielstätte des ursprünglich geplanten Konzerts, im Vorfeld ausgebrannt war, wackelte auch die Show in Berlin gewaltig. Zum Glück wurde aber sowohl ein neuer Ersatztermin als auch eine Bühne für das Duo aus San Francisco gefunden. Ende gut, alles gut. Der Van konnte also getrost in Richtung Hauptstadt rauschen und im West Germany Halt machen.
Ein Club mitten in Kreuzberg, der wie so viele Locations eher im Verborgenen liegt und erst einmal gefunden werden musste. Einzig allein ein weisser an die Tür gepappter Zettel mit der Aufschrift “Tonight: The Dodos” wies den Weg von der lauten Straße hinein ins West Germany, das allerdings erst nach mehreren Treppenstufen seine Pforten für die Besucher öffnete.
Zugegeben, ein lauschiger Konzertabend sieht anders aus. Das Innere des West Germany erinnert milde gesagt an einen ranzigen Schuppen, dessen karge Wände nicht nur drohen wie Pappwände in sich zusammenzuklappen, sondern ebenfalls von vielen Kabeln und Löchern in der Decke ein sichtlich ramponiertes Bild abgeben.
Dazu lädt die behelfsmäßig eingerichtete Bar eher dazu ein, seinen Durst zu unterdrücken und man flüchtet lieber in den angrenzenden Konzertraum, der der Größe eines Schuhkartons gleicht. Ziemlich erschreckende Bedingungen, denen die Kalifornier da in Berlin ausgesetzt sind, wenn auch irgendwie typisch für die Underground Szene der Hauptstadt, die am liebsten aus jedem noch so heruntergekommenen Raum einen Club bastelt.
Dicht an dicht zusammengerückt, blieb auf der aus Bierkästen gebauten Bühne kaum Bewegungsfreiheit für The Dodos und ihren neuen Tour-Gitarristen Joe Haege (31 Knots, Tu Fawning). Letzterer bestritt im Vorfeld auch den Support und stellte sein neues Projekt Vin Blanc/White Wine vor, welches er trotz angegriffener Stimme gewohnt humorvoll durchzog bis er gegen Ende des Sets auf dem Boden durch das Publikum robbte und anschließend im bester Freestyle-Manier das Tanzbein schwang. Kein schlechter Auftakt für das folgende Konzert der Dodos, das nur so vor ungebremster Energie strotzte und die Temperaturen im Raum binnen ein paar Songs nach oben schraubte.
Dafür musste Sänger Meric Long allerdings erst einmal eigenhändig und wiederholt seinen Bandkollegen Logan Kroeber auf die Bühne bitten, der zu Beginn der Show noch irgendwo im hinteren Bereich des Clubs seinen eigenen Auftritt zu verpassen drohte. Kaum hatte dieser dann aber hinter seinem Schlagzeug Platz genommen, entfaltete die live zum Trio angewachsene Band in kürzester Zeit die für sie so typische Dynamik und legte mit dem neuen Stück “Confidence” los, welches zunächst etwas schüchtern durch die Lautsprecher drang bis The Dodos dessen Wesen explosionsartig in Stücke rissen, um es anschließend mit einer bemerkenswerten Fingerfertigkeit wieder zusammenzuflicken.
Für ihr neues Album “Carrier” spannten Meric Long und Logan Kroeber zwar den Geduldsfaden etwas enger und entfernten sich bisweilen ein wenig von der Aufmüpfigkeit, die ihre Songs stets begleitet, auf der Bühne ließ die Band jedoch keinen Zweifel aufkommen, dass sie ihre Instrumente dank des beherzten Spiels auch ohne Probleme zerlegen könnten. Eigentlich ein Wunder, dass das Konzert weder von gerissenen Gitarrensaiten oder kaputt geknüppelten Drumsticks unterbrochen werden musste. Die neuen Songs, die auch einen guten Teil des Auftritts ausmachten, fügten sich nahtlos ins Set ein. Und das, obwohl bei den Albumaufnahmen zu “Carrier” der Ansatz des Songwritings dieses Mal ein ganz anderer war und die meisten Ideen auf der E-Gitarre entstanden sind.
Befindet man sich bei einem Konzert von The Dodos, ist es ungefähr so als würde man einen Kurs belegen, in dem man anschaulich erklärt bekommt, was es mit dem Wort Multitasking auf sich hat. Schlagzeuger Logan Kroeber wäre in diesem Fall so etwas wie das wandelnde Paradebeispiel dieser Fähigkeit. Auf der spärlich ausgeleuchteten Bühne wirkte er wie ein Duracell-Häschen, das auch nach über einer Stunde noch hyperaktiv die vor ihm liegenden Felle bearbeitete und darüber hinaus jeden Song mit einer ungemeinen Präzension attackierte als wäre es das Letzte, was er tun würde. Derweil demonstrierte Meric Long seine nicht minder beeindruckende Fingerfertigkeit an den Gitarrensaiten und Joe Haege verstärkte das Duo leicht im Hintergrund mit zusätzlichen Riffs oder Backing-Vocals, zwischen den Songs aber auch gerne mit ein paar amüsanten Ansagen.
Bei all der spürbar im Raum freigesetzten Energie, die vor allem aus den ständigen Rhytmus-Wechseln innerhalb der Songs resultierte, vermochten es The Dodos aber dennoch die Melodik der eigenen Stücke nicht ausser Acht zu lassen. So komplex und ungezügelt die einzelnen Songstrukturen auch anmuten, die geballte Ruhelosigkeit der Band wirft diese zu keinem Zeitpunkt aus der Bahn, sondern besinnt sich gerade im richtigen Moment wieder auf das melodische Element zurück, das die Songs vornehmlich trägt. Für die Zuschauer vor Ort blieb beim Berliner Konzert daher immer noch genügend Gelegenheit das Haupthaar im sprunghaften Takt zu schütteln oder mit einer Mischung aus Faszination und Interessiertheit das Schauspiel auf der Bühne zu verfolgen.
Wie sagte Schlagzeuger Logan Kroeber während der Show so schön: “Without Berlin, this would not be a European Tour”. Recht hat er damit, denn das dicht an dicht gedrängte Publikum bereitete der Band einen so schönen Empfang, dass diese gleich zwei Mal für Zugaben den Weg zurück auf die Bühne fand. Ob das West Germany bis zum nächsten Besuch der Band noch steht, ist fraglich. Sicher ist aber, dass es nichts weiter für einen gelungenen Konzertabend braucht als drei Musiker, denen ihre Leidenschaft für die Musik so unter den Fingern brennt, dass alles andere daneben verblasst. Selbst die weissen Kacheln, die unweit der Bühne die Wände säumten.