Rise Against-Frontmann Tim McIlrath wird sich vor Lachen fast an seinem Mineralwasser verschluckt haben, als er sich die FAQs auf der Vans Warped Tour-Website durchlas. Während sich die Fragen rund um das Festival in den USA meist um Organisatorisches drehen, war eine der häufigsten Fragen in England: „Will there be tea?“. „This shows the difference between the UK and the US“, lacht der bärtige Frontmann ins Mikrofon. Rise Against sind an diesem Samstagabend der Headliner des Tages – bei einem Festival, das mittlerweile zu den größten der Welt zählt.

Seit 1995 ziehen jeden Sommer eine unglaublich vielfältige Anzahl an Punk-, Alternative-, Pop-, und Metalbands mit fast 30 Stopps durch die USA. Newcomer wie Blink 182 und Billy Talent erfuhren dort ihre erste Feuerprobe, aber auch Popsternchen wie Katy Perry begannen hier auf einer kleinen Bühne ihre Karriere. Schon 2012 hatte es nach vielen Jahren wieder einen Zwischenstopp in Europa gegeben und in diesem Jahr wurde das ganze auf eine Herbsttour duch Europa ausgeweitet – inklusive eines zweitägigen Aufenthalts im ehrwürdigen Alexandra Palace in London bei der Warped Tour UK.

Das Riesengelände des Alexandra Palace liegt etwas abseits von London auf einem grünen Hügel, der zudem den ersten Funkturm der Welt beherbergt. Die im viktorianischen Baustil erbauten Hallen bieten Platz für fünf Bühnen, die insgesamt locker 15.000 Menschen fassen. Daneben ist wie auf der klassischen US-Tour eine Halfpipe aufgebaut, auf der Skatestars auftreten. Die vielfältigen Shopping-Areas sorgen vor allem dafür, dass die oft noch sehr jungen Zuschauer ständig an den Geldautomaten Schlange stehen müssen. Auch der Hauptsponsor Vans pflastert das gesamte Gelände mit Merchandise und Werbeplakaten zu, was kritischen Gemütern sicher die Kommerzialität und den Marketingfaktor der gesamten Veranstaltung vor Augen führen dürfte.

Nach alter Warped Tour-Tradition wird das Timetable des Festivals erst am jeweiligen Festivaltag vor Ort veröffentlicht. Die Japaner von FACT starten den Tag auf der Jägermeisterstage und bringen mit ihrem fernöstlichen englischsprachigen Post-Hardcore einen ersten Vorausblick auf das Tagesgeschehen. Die 10.000 Menschen fassende Haupthalle mit elegantem Kuppeldach des Alexandra Palace wird von zwei großen Bühnen dominiert, die sich direkt nebeneinander befinden und ineinander übergehen. Spielt auf der Westbühne eine Band, wird auf der Ostbühne umgebaut. So sorgt der straffe Ablauf dafür, dass es kaum Verschnaufpausen zwischen den Bands gibt. Dies bietet aber gleichzeitig den Vorteil, dass man sich in aller Ruhe für seine bevorzugte Band in Position bringen kann, während man noch mit halbem Ohr auf der Bühne daneben eine Newcomerband hört.

The Wonder Years bieten mit ihrem deutlich an Genreveteranen wie New Found Glory angelegten Pop-Punk einen gut gelaunten Start in den Tag, ehe The Maine mit ihrem auf die breite Masse ausgelegten Alternative-Rock vor allem die Zuschauerinnen in Höchststimmung versetzen. Dazwischen zeigen We Came As Romans auf der Ostbühne eine konzentrierte Metalcore-Performance, die leider einen kleinen Makel hat: Der auf den Alben noch toll eingebrachte hohe Gesang von Sänger Kyle Pavone.verkommt live zu einem extrem weinerlichen und schrägen Gesangsbild, der den an sich guten Songs viel von deren Stärke nimmt. Dazu liefert Kyle Pavone eine gleichgültige Performance ab, die sich klar von der engagierten und vor Energie strotzenden Vorstellung seiner Bandkollegen abhebt. Das Gegenteil liefern Chiodos ab, die (wie auf dem Foto zu sehen) alles für eine herausragende Show investieren – Fankontakt inklusive.

Dann beginnt das große Finale des ersten Tages. Zunächst heizen Yellowcard auf der Ostbühne den Fans ein. Die US-Warped Tour erfahrenen Amerikaner legen den Schwerpunkt spürbar auf die schnelleren, älteren Songs – ein Charakteristikum, das auf fast alle der Bands zutrifft. So können sich Fans vor allem auf die schnellen Klassiker der „Ocean Avenue“-Tage freuen. „Breathing“, „Way Away“ und „Rough Landing, Holly“ sorgen für eine springende Menge und Circle-Pits. Im selben Moment als der letzte Ton von „Ocean Avenue“ verklingt, bricht plötzlich auf der Westbühne der Teufel los. Billy Talent haben die ersten Gitarrenakkorde des unverwechselbaren „Devil In A Midnight Mass“ auf die Sekunde genau getimed und sorgen so dafür, dass es keine Ruhepause gibt. Routiniert, aber trotzdem immer noch unglaublich energiegeladen, geht es durch die Bandgeschichte. Vor allem das gleichnamige Billy Talent-Debütalbum findet großen Anklang, denn neben „Try Honesty“ wird auch das live selten zu hörende „Line & Sinker“ und „How It Goes“ gespielt. Dies ist wohl dem Umstand zuzuschreiben, dass das Album in diesen Tagen zehnjähriges Jubiläum feiert.

Parkway Drive metzeln nun mit ihrem brachialen Metalcore alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellt und sorgen für eine durch die ganze Halle ziehende Wall of Death. Dabei bereiten sie auch den Weg vor für Rise Against, die den Abschluss des ersten Warped Tour-Tages einläuten. Leider ist der Sound von Anfang an sehr schlecht gemischt, Sänger Tim McIlrath ist nur schwer zu hören und die Gitarren hallen schwammig in der riesengroßen Halle. Nach einigen Anläufen wird dies zwar besser, aber wirklich gut klingt der Sound bis zum Schluss nicht. Auch Rise Against spielen kaum Songs ihres Erfolgsalbums „Endgame“, sondern stattdessen lieber schnell zündende Feuerwerke aus der älteren Bandgeschichte. Eine fast siebenminütige Performance von „Saviour“ rundet dabei den Tag ab – fast scheint es, als könnten Rise Against selbst nicht vom Warped Tour-Zauber loslassen.

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