Erster Gedanke beim Reinhören in Fallulahs „Escapism“: Verträumte Popmusik mit süßem Gesang, schön für den Hintergrund in einer Teebar oder einer Chill-Out-Area, gibt’s massenhaft, gar nichts Besonderes, „Escapism“ wörtlich nehmen, „Stopp“ drücken und weg hier!
Gut, vielleicht doch mal genauer hinhören. Geben wir der 29-jährigen Dänin eine Chance. Nachdem das Album einmal durchgelaufen ist, bin ich schon verblüfft. Denn es ist wirklich ganz durchgelaufen und ich musste nicht einmal weiterskippen. In jedem Song auf „Escapism“ steckt etwas Einzigartiges, etwas, das hängen bleibt, etwas zum Mitsingen, Spiel, Spannung und Schokolade.
Aber zurück auf Anfang: Der erste Song „Deserted Homes“ beginnt mit einer STOMP-artigen Trommelparade, die immer voranschreitet auf einer langen Straße. „Wohin gehen all die Leute, die ihre Heimat verlassen?“, fragt sich Fallulah ganz vorne in der Parade und ruft den Menschen über ein Megaphon zu: „Come with me, come with me, nothing is left to see – Es gibt nichts mehr zu sehen, folgt mir!“. Und der Aufruf klappt. Mit der markanten Melodie des Refrains im Kopf bin ich plötzlich Teil von Fallulahs Fluchtbewegung.
Eigentlich war Maria Apetri, wie Fallulah wirklich heißt, mal Tänzerin. Das hört man auch an ihren Songs. Egal ob gechillt oder hektisch – der Rhythmus ist immer auf Bewegung aus, was der Ernsthaftigkeit der Songs kein bisschen schadet. In Songs wie „Mares“ steckt zudem auch Rock drin, hier eine einzelne Gitarre im Hintergrund, ein kleiner Rebell, der sich aufführt, als stände eine ganze Rockband hinter ihm. Am Ende bleibt dann nur die verstörende Zeile „House on the hill where you go to get killed“ in Erinnerung.
Mit „Dried Out Cities“ folgt der nächste Hit und ich verzweifle, eigentlich wollte ich das Album doch blöd finden. Jetzt gefallen mir nicht nur Fallulahs fette Beats, sondern auch ihre Texte und die Bilder, die sie im Kopf erzeugen: „Take me to your downtown rivers, and your dried-out cities“ – ausgetrocknete Städte, verlassene Heimat und einen Friedhof der Liebe.
Wobei „Graveyard Of Love“ wohl am meisten Mitsing-Potential bietet, vor allem wenn man Anhänger des bewussten Verhörens ist. Ein großer deutscher Radiosender sucht regelmäßig nach den besten Songzeilen, die einen anderen Sinn ergeben, wenn sie missverstanden werden. Hier mein Vorschlag: Statt „It’s a graveyard of love!“ können Liebesliedverdrossene den Alternativtext mitgröhlen: „It’s a great bla bla bla“. Der Song ist gut genug, um ein bisschen Sarkasmus zu vertragen.
Fallulah hören macht Spaß. Mir zumindest. Merkt man, oder? Und ich könnte noch viel mehr erzählen über die vielen Details, die mir bei den 13 Songs auf „Escapism“ einfallen. Über den Titeltrack mit seiner sympathischen Songwriter-Gitarre, über den Song „Dragon“, der rockt wie ein wilder chinesischer Drache, oder über dieses Geräusch bei „13th Cigarette“, das klingt wie ein betrunkener Jack, der im Rhythmus aus seiner Box springt.
Wenn man sich erst einmal darauf einlässt, gibt es viel zu entdecken auf Fallulahs zweitem Album. Die Songs sind perfekt durchdacht, abwechslungsreich gestaltet und das Gesamtprodukt ist stimmig. Also: „Escapism“ wörtlich nehmen, „Play“ drücken und weg hier!