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Yann Tiersen – Infinity

Yann Tiersen (Credit: Katherine Rose)Ein Sturm tobt über dem endlosen Meer. Der Himmel ist grau. Wellen türmen sich auf und zerschellen an den spitzen Klippen, die sich bedrohlich dem Wasser entgegenstellen. Eine Geige zittert zart im Wind. Weit von der Küste entfernt, flattert sie uns entgegen, wie ein Vogel, der sich durch die Windböen kämpft. Je näher sie kommt, desto stärker werden ihre Flügelschläge und desto stärker zeigt sich das Wesen ihres Klangs.

Ein Klang voller verspielter, hübscher Melodien, die uns die Bedrohlichkeit des Sturms vergessen lassen. Melancholische Töne aus einer Spieluhr, dem Klavier oder dem Akkordeon – dafür ist der Franzose Yann Tiersen bekannt. Erst mit seinen Melodien wurde der Film „Die fabelhafte Welt der Amelie“ so fabelhaft, farbenfroh, liebevoll, schön und kitschig. Auch sein neues Album „Infinity“ klingt wie ein Soundtrack oder sogar wie ein ganzer Film. Ein düsterer Film, der am Meer spielt, auf der Insel der Trolle und Feen, auf Island. Hier ist das Album entstanden und nach diesem Ort klingt es auch.

Es regnet und die dicken Tropfen platschen auf den steinigen Strand, der Sturm ist noch nicht vorbei. In „Slippery Stones“ spielen die Regentropfen auf den Steinen wie auf einem Xylofon eine märchenhaft unheimliche Melodie. Warme Chöre umhüllen uns dabei schützend wie eine sichere Höhle, aus der wir das Spektakel beobachten. Erst gegen Ende des Stückes wird es trocken, warm, windstill.

„Midsummer Evening“ ist eines der wenigen Stücke auf dem Album, das man als Popsong bezeichnen könnte. Wir sind dem unbeständigen isländischen Wetter entkommen. In einer Hütte am Strand gibt es warme Getränke, es spielt eine Band zum Tanz auf und alle singen mit: “Love my love, we will keep our love, living here in the middle of the sea”.

Wäre „Infinity“ der Soundtrack eines Filmes, dann wäre „Ar Maen Bihan“ eine hektische Sequenz, eine Flucht oder ein Kampf, „Steinn“ ein bedrückendes Szenario, das Spannung aufbaut und bei „Greenworld“ würde man auf der Leinwand eine glitzernde Stadt im weihnachtlichen Schneegestöber sehen.

Yann Tiersens Musik passt nicht in ein Drei-Minuten-Strophe-Refrain-Schema. Hier passiert etwas: Einmal braucht es eine zweiminütige Einleitung, bis ein Stück schnell und laut wird, dann herrscht von einem Moment auf den anderen wieder Stille. Mal wird gesungen, mal plätschert einfach nur eine Melodie oder ein Rhythmus vor sich hin.

Man sollte sich Zeit nehmen und genau hinhören bei „Infinity“. Lässt man die zehn Songs einfach im Hintergrund durchlaufen, bekommt man nur wenig mit von den Geschichten, die sie erzählen. „Infinity“ ist nicht Yann Tiersens beste Platte, aber hörenswert, am besten an einem kalten, stürmischen Herbsttag.

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