MusikBlog - Entdecke neue Musik

Shabazz Palaces – Lese Majesty

Shabazz Palaces (Credit Patrick O'Brien-Smith) Was kommt da auf mich zu? Auf einem Esoterik-Teppich fliegt ein künstliches Streichorchester daher, an den Seiten tropfen puddingartige Beathappen herunter, während im Hintergrund die läutenden Glocken schmelzen. Diese surrealistische Szene stabilisiert sich schlagartig, als plötzlich ein Rapper mit seinem Mic vor das Dalí-Gemälde springt: „Focus, the light…“. Hip-Hop verbirgt sich also hinter den geheimnisvollen Schriftzeichen auf dem Cover des Albums „Lese Majesty“ von Shabazz Palaces.

Hip-Hop, so wie ich ihn nicht mag – dieses moderne Zeug: Bassdrums klingen wie aufgeblasene Luftballons, die Snare wird ersetzt durch Billig-Claps aus Kinder-Casio-Keyboards und die Rapper verstellen ihre Stimme, damit es besonders cool klingt. Für mich muss ein Hip-Hop-Beat krachen und der Rap muss echt sein, mit diesen Plastik-Produktionen kann ich eigentlich nichts anfangen. Aber: Die Dosis macht das Gift und das beweisen Shabazz Palaces aus Seattle.

Ishmael Butler a.k.a. „Palaceer Lazaro“ und der Multiinstrumentalist Tendai „Baba“ Maraire haben sich dem experimentellen Sound verschrieben und verstehen ihr Handwerk. Der Hip-Hop und der Rap sind nur Zutaten, die immer wieder mal in den musikalischen Topf geschmissen werden. „Lese Majesty“ ist kein Album, bei dem jeder Song aus 48 Zeilen Lyrics und 8 Zeilen Hook besteht. Hier gibt es viele dramaturgische Pausen im Text. Mal um singende Dämonen aus ihren Käfigen zu befreien wie in „Forerunner Foray“ und mal um Super Mario springen zu lassen, wie in „Solemn Swears“.

„Solemn Swears“ geht nur eineinhalb Minuten lang, genau wie „Noetic Noiromantics“. Die beiden kurzen Stücke sind aber mit ihren groovigen Basslines zwei kleine Highlights in der ersten Hälfte der Scheibe. „Motion Sickness“ rockt die zweite Hälfte – ein gechillter Track mit ein bisschen Rap, viel Kopfnicken und einem geilen Kalimba-Solo. Diese drei Tracks gefallen mir besonders gut, weil sie minimalistisch sind und damit aus dem Gesamtwerk herausstechen.

Viel zu oft ist der Reverb-Regler bis zum Anschlag aufgedreht bei den Songs auf „Lese Majesty“. Auf Dauer ist es einfach viel zu viel von dem verspulten, düsteren Soundmatsch, in dem das ganze Album schwimmt. „Ishmael“, zum Beispiel, könnte mit seinen warmen Bässen einen coolen Hip-Hop-Beat abgegeben (vorausgesetzt man tauscht die Claps mit einer richtigen Snare). Aber der Song ist so was von „high“, dass sich Cypress Hill, Dr. Dre und Snoop Dogg nur ehrfürchtig hinter ihren Wasserpfeifen verstecken können. Stimmen brabbeln über Bahnhofslautsprecher in ein Echo-Meer und das kleine Kind am Casio-Keyboard wechselt von Claps auf die Orgel und trommelt genüsslich auf die Tasten.

Fazit: Verspult, verspulter, am Verspultesten, aber kreativ und abwechslungsreich. „Lese Majesty“ ist vollgestopft mit Klängen, von denen man beim besten Willen nicht erahnen kann, aus welchem Loch sie gegraben oder unter welcher Couch sie gefunden wurden. Das Album ist wohl als Gesamtwerk zu verstehen: Ein Sound, der sich ständig verändert: Mal treibt er an, mal lässt er sich treiben, mal rappt er, mal schweigt er. Einen richtigen Hit oder eine Hook, die im Ohr bleibt, habe ich die ganze Zeit über nicht gehört. Nur Stellen, die ich mag und Stellen, die ich nicht mag. Interessantes Ding.

Facebook
Twitter

Schreibe einen Kommentar

Das könnte dir auch gefallen

Login

Erlaube Benachrichtigungen OK Nein, danke