Sind alt-J nun Nerds oder nicht? Eine gar nicht so einfach zu beantwortende Frage. Die britische Band begegnete sich jedenfalls an der Universität in Leeds beim Studieren englischer Literatur und Kunst. 2011 unterschrieben sie einen Plattenvertrag bei Infectious Music und 2012 erschien ihr Debütalbum „An Awesome Wave“, das den Mercury Prize für das Album des Jahres ergatterte. Mit ihrem Erstling verstanden es alt-J Brit-Folk, Indie-Pop, Klangexperimente und Post-HipHop miteinander zu verbinden. Wobei die Chorstimmen und Akustikgitarren im Zentrum standen und die Stimmungen zwischen melancholisch und euphorisch schaukelten.

Nun also das viel bemühte, schwierige zweite Album, dem die Briten den Titel „This Is All Yours“ verpassten. Auch das Zweitwerk hat jenen Eklektizismus, den bereits das Debüt auszeichnete. Wobei Stilmix nicht immer ein stimmiges Ergebnis zeitigt, Stilbrei ist die Kehrseite der Medaille. Alt-J entgehen letzterem, ihre Songs scheinen aus einem organischen Reifungsprozess heraus entwachsen, fließen naturgegeben aus den Boxen. Streicher- und Bläserarrangements wirken wie hingetupfte Farbornamente oder sie spielen ausgeruhte Art-Pop-Vibes wie z.B. auf „Nara“, das Pianoharmonien und Chorstimmen ins Zentrum rückt.

Wenn alt-J synthetische Klänge mit akustischen Gitarren verknüpfen, hat das keinen höheren Kunstanspruch, sondern dient immer dem Song, den sie wiederholt mit sanft verschlungenen Melodien versehen. Feingeistig wird hier zusammengewebt, miteinander verflochten und es klingt nie bemüht. Im Gegenteil, die Titel auf „This Is All Yours“ strahlen Grazie und Leichtigkeit aus, atmen förmlich oder schweben wie manches von Grizzly Bear, mit denen sie zumindest die Stimmung und Atmosphäre verbindet. Auch diese schönen, beinahe unterkühlten Harmoniestimmen schwingen in deren Nähe.

Die inzwischen zum Trio geschrumpfte Band hatte es sicher nicht leicht, nach dem gekürten und hochgeschätzten Debüt nachzulegen, bewältigte dies jedoch mit Bravour. „This Is All Yours“ ist „An Awesome Wave“ mindestens ebenbürtig. Kammer-Folk trifft Art-Pop? Alt-J sind eine dieser Bands, die sich nicht in Schubladen stecken lassen und kunstvolle Songs schreiben, die Kopflastigkeit ausschließen. Sie transportieren Emotionen in feingeistigen, unvorhersehbaren Melodien, die sie mit immer wieder anders gearteten Details ausschmücken. Phasenweise sprudeln und quellen hier die Tonfolgen förmlich oder es werden sanfte Brüche und Tempowechsel gesetzt, so dass bei jedem Durchlauf neue Facetten preisgegeben werden.

Alt-J mögen Nerds sein, jedoch solche, die Pop und Kunst in eine flüssige, gar zauberhafte Essenz verwandeln. Tolles Album!

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