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Ein traumhaftes Auf und unsicheres Ab – Cats On Trees im Interview

Versetzt euch hinein, in das wunderschöne Frankreich. Wo der liebliche Rotwein einen noch romantischeren Nachgeschmack hat, die verzierten Gassen noch uriger sind und die Sprache ohne „h“ noch melodischer klingt, als es sonst einem Fleckchen Erde zuzuschreiben wäre. Aus eben diesem liebreizenden Nachbarland kommen Yohan und Nina von Cats On Trees, die nicht nur eine verklärte Nation im Rücken, sondern ein ebenso feenhaftes Song-Repertoire nun auf einen Rohling gepresst haben – oder für das famos elegante Folk-Pop Duo eher passend: gewoben denn gepresst. Inmitten ihrer vollgestopften Promotour durch Deutschland ist ein Rastplatz der Ort, an welchem Schlagzeuger Yohan zum Hörer greifen und metaphorisch-gehaltvoll unsere Fragen beantworten kann – über ein nicht immer leichtes Musikerdasein, mögliche Ähnlichkeiten zu anderen Songs und den bescheidenen Wunsch, Roadie für The National zu sein.

MusikBlog: Oh je, nun haltet ihr sogar auf einem Rastplatz die Promotion für euer neues Album ab. Läuft alles gut soweit?

Yohan: Oh ja, klar. Wir kommen gerade von einer Morningshow, klappern noch einige Radiostationen ab, weißt du. Gerade waren wir noch in Köln.

MusikBlog: Aber ihr kennt euch in unseren Gefilden soweit schon recht gut aus, was?

Yohan: Ja, das stimmt. Ich habe bereits ein paar Gigs hier gespielt, als Cats On Trees haben wir bereits auch schon Promotion-Aktionen gestartet.

MusikBlog: Wie haltet ihr diese Touren immer ab und behaltet dennoch ein Stück Heimat bei?

Yohan: Einerseits brauchen wir natürlich all unsere Medien, Handys und Laptops, um mit unseren Leuten daheim in Kontakt zu bleiben. Gestern haben wir wiederum unfreiwillig feststellen müssen, wieviel Dinge auf solch einer Tour dann doch anfallen: Unser gesamtes Gepäck ist beim Flughafen auf der Strecke geblieben …

MusikBlog: Wenn ich mich recht entsinne, dann dürfte euer Bandname diesem gewissen Händchen für kleinere Unpässlichkeiten gerecht werden, nicht wahr?

Yohan: Genau, wir sind irgendwie sehr auf Träume und Kreationen bedacht. Der Name bietet als Bild im weiteren Sinne eine gewisse Art der Perspektive: von oben überschauend, beobachtend. Einen Blick auf die Welt haben. Gerade für uns ist das sehr hilfreich: Nina und ich sind beider sehr vergesslich und fahrig. Andauernd verlieren wir Dinge. Gestern war es das Gepäck, dazu kommen etwa fünf Handys in zwei Jahren … Wir leben einfach mehr in der Traumwelt, als in der realen.

MusikBlog: Habt ihr deshalb schon maßgebliche Probleme bekommen?

Yohan: Sagen wir mal so: Es war immer ein wenig… aufregend mit uns. Aber hier haben wir gerade Leute, die sich rührend um uns kümmern, wann immer wir Gefahr laufen, wieder etwas zu verpeilen. Es wird nicht langweilig mit uns!

MusikBlog: Was genau reizt euch denn, international Bekanntheit zu erlangen?

Yohan: Oh, wir lieben es! Wir sind wirklich dankbar, in der Lage zu sein, auch außerhalb Frankreichs etwas herumzukommen. Wir lieben es, zu reisen, von Erfahrungen zu zehren, neue Leute und ihre Kulturen kennenzulernen. Vor allem für Nina ist es etwas Besonderes: Ihr Vater war Deutscher. Leider ist er vor drei Jahren verstorben. Das Album ist ursprünglich ihm gewidmet. Dieser Umstand gibt unserem Aufenthalt in Deutschland noch einmal eine ganz andere Bestimmung. Nina fühlt sich hier wirklich zu Hause. Tatsächlich versteht sie auch Deutsch, hat aber seit dem Tod ihres Vaters keines mehr geredet. Für einige Worte reicht es noch.

MusikBlog: War dies ein Grund dafür, so lange mit der Veröffentlichung eines Debüts zu warten – wolltet ihr diesem gerecht werden?

Yohan: Ja, auch das. Wir haben zudem noch viele andere Songs gemacht und viele verschiedene Richtungen an den Songs erprobt. Es ist schwer für uns, einen Titel als fertig anzusehen, ihn statisch werden zu lassen. Das schwierigste war, aus all unseren Songs diejenigen auszusuchen, die ein Album darstellen sollten. Wir haben Melodien immer wieder unterschiedlich arrangiert und neue Dinge ausprobiert. Es fühlte sich einfach zu jeder Zeit gut an. Hätte uns niemand gestoppt und den Status Quo aufnehmen wollen – wir würden immer noch in jenem Stadium festhängen.

MusikBlog: Fällt es euch mit dieser Einstellung eigentlich schwer, Casting-Bands für voll zu nehmen? Die scheinen nicht einmal den Hauch einer Chance zu haben, einen gemeinsamen Sound zu finden – und die Debüts werden innerhalb weniger Stunden nach Aufnahme auf den Markt geschmissen.

Yohan: Oh, das Thema tritt natürlich überall zutage. Ich finde es vollkommen richtig, wie Dave Grohl sich dazu äußerte: Um ein guter Musiker zu werden, braucht es Zeit. Die brauchst du, um zu Proben, und sei es in Garagen. Du musst auch so richtig furchtbare Musik gespielt haben, um ein wirklich guter Künstler – dabei aber du selbst – zu sein. Und ohne jeglichen Lerneffekt einfach nur vorgezeigt zu werden, das ist wirklich hart, denke ich. Manchmal sollte man sich eben einfach ein wenig mehr Zeit lassen und das fertige Schaffen erst zeigen, wenn sowohl man selbst, als auch das Werk bereit dazu sind. Natürlich kann ein solches Casting auch positive Seiten haben. Unser französischer Kumpel erlangte beispielsweise erst durch eine Casting-Show Bekanntheit, auf welche er sein eigenes Musik-Universum aufbauen konnte. Aber solche Fälle sind recht selten.

MusikBlog: Was mir beim Hören eures lieblichen Schaffens in die Ohren sprang: Eure in Frankreich sehr geliebte Single „Sirens Call“ weist doch recht prägnante Gemeinsamkeiten zu Amy Macdonalds „This Is The Life“ auf.

Yohan: Ach, tatsächlich?

MusikBlog: Ohne euch zu nahe treten zu wollen – ja.

Yohan: Nein nein, das geht schon in Ordnung. Natürlich überschneiden sich mal ein paar Akkorde, das ist bei sehr vielen Songs der Fall. Doch unsere Intention war das sicher nicht. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie ich den Song mit Nina komponiert habe. Dieser Moment, als wir die Melodie entwickelten, die alles darbietet, was der Song meint. Unsere Art des Komponierens folgt vor allem einem Prinzip: Auszudrücken, wer wir sind und was uns ausmacht. Es geht um kein Dressiert-sein, um keine Massenproduktion von Hits anderer Künstler. Amy Macdonald habe ich wiederum nie wirklich gehört. Ich respektiere natürlich, was sie tut. Doch ich denke, dass wir unterschiedliche Aussagen kommunizieren. Denn letzten Endes geht es um eines: Wir müssen dem treu bleiben, der wir sind. Das ist das einzige, was wir wirklich von Herzen ausdrücken können. Das einzige, was uns einzigartig macht.

MusikBlog: Mit dieser löblichen Bandphilosophie im Hinterkopf: Was wäre auf Basis dessen für euch eine reizende Bandkooperation?

Yohan: So sehr Nina und ich in unserem Zusammenspiel harmonieren mögen – wir haben bei vielen gemeinsamen Bandpräferenzen doch recht unterschiedliche Lieblingskünstler. Nina würde etwa voll mit Tori Amos gehen. Eine tolle Künstlerin! Ich glaube, das war sogar das erste Pop-Album, welches Nina jemals hörte – mit ihrer eigentlich doch recht klassischen Ausbildung. Was mich betrifft, so bin ich riesiger The National-Liebhaber. Ich liebe diese Band so sehr. Es wäre für mich sogar das Größte, nur ein einfacher Roadie auf deren Tour zu sein, wirklich. Ich habe sie einmal in Frankreich gesehen – das war eines der intensivsten Konzerte, die ich jemals erlebt habe.

MusikBlog: Wenn du sagst, dass Nina auf einen klassischen Background an dem Piano zurückblickt – was ist es genau, das einen an den Tasten hält, wenn das leidlich auferlegte Üben doch als Kind recht verhasst war?

Yohan: Das Klavierspiel liegt zum einen in Ninas Familie. Sie hat bereits in frühen Jahren angefangen, irgendwelche Ideen und musikalische Bruchstücke zu horten, ohne überhaupt zu wissen, wie man diese einwandfrei spielt. Ihre Großmutter ergriff Partei und sorgte für Klavierunterricht, mit dem Nina sich eingängig beschäftigte. Sie ist ein recht schüchterner Mensch, das Piano gibt ihr dabei die Möglichkeit, sich tiefsinnig auszudrücken. Das Singen, das kam später hinzu. Generell denke ich, dass du einfach die Passion aufrechterhalten musst. Für einen Künstler kommt immer die Zeit der Zweifel, das Musikerleben ist ein traumhaftes Auf und unsicheres Ab. Das Ganze ist wie Bergsteigen: Es geht rauf, doch auch wieder hinunter. Du musst deine Richtung immer beibehalten, mit festem Fokus.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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