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Leonard Cohen – Popular Problems

Am 21. September wird Leonard Cohen 80 Jahre alt und tritt wieder den Beweis an, dass er im Umgang mit den Liebe-Glaube-Hoffnung umgebenden Verhaltensmustern noch lange nicht die Ruhmeshalle der Altersweisen betreten hat.

Gerade einmal zwei Jahre nach seinen „Old Ideas“ und einer darauf folgenden umjubelten Tour (Cohen nach zu starkem Applaus zum Publikum „Lacht ihr mich aus?“)  durch ausverkaufte Hallen (Hallen nicht Clubs!) setzt sich der Kanadier jetzt in 9 Stücken mit „Popular Problems“auseinander. Und das bedeutet nicht, dass diese Probleme gerade jetzt brennend sind, sondern irgendwann auf der Cohenschen Zeitachse einmal präsent waren. „A Street“ beispielsweise entstand nach den Eindrücken von 9/11, die Vervollkommnung von „Born In Chains“ dauerte Jahrzehnte, zufrieden ist er immer noch nicht damit.

Leonard Cohens Stimme klingt von Platte zu Platte durchtränkter von Wissen, fesselt vom ersten Ton, lässt ahnen, welche Täler der Verfasser dieser Zeilen im Lauf der Zeit durchschritten hat. Im unruhig über die Tonspur vibrierenden, bereits im Vorfeld veröffentlichen „Almost Like The Blues“ besingt Cohen seinen Hader mit Teilen seiner Vergangenheit „There’s torture, and there’s killing, and there’s all my bad reviews“. Aber trotzdem bleibt alles ein gutes Stück weit entfernt von der Radikalität der „Songs Of Love And Hate“, Cohen erzählt mit mehr Distanz, mit Augenzwinkern und bleibt dennoch der authentische Zweifler und Geschichtenerzähler.

Die Arrangements der Platte folgen der sparsamen Instrumentierung des Vorgängers: Bass, Piano, ein unaufdringlicher Background-Chor und eine Orgel reichen locker aus, um die Texte wirkungsvoll in Szene zu setzen. Wird es mehr, geht es beinahe schief wie im poppigen Love- Song „Did I Ever Love You”. Ebenso überflüssig der Bläsersatz “My Oh My”. Im funkigen „Nevermind“ überrascht hingegen eine Gesangseinlage aus 1001 Nacht.

Die Stücke, die am meisten unter die Haut gehen, sind jedoch die traurigsten, “Samson In New York“ zum Beispiel oder „You Got Me Singing“. In „Slow“, einer gut abgehangenen Blues-Nummer, heißt es „I Always Like It Slow“ und diese Entschleunigung sollte sich jeder beim Hören des Albums gönnen, um es wirken zu lassen. Bleibt zu hoffen, dass uns Cohen noch lange Zeit an seinem Disput mit der Welt teilhaben lässt.

Zeitgleich mit „Popular Problems“ erschien „Poems – Leonard Cohen in deutscher Sprache“, ein Sampler, auf dem verschiedene deutschsprachige Musiker und Bands sich generationsübergreifend an den übersetzten Texten des Meisters versuchen. Der Tocotronic Song „Über Sex kann man nur auf Englisch singen“ ist das Erste, was einem nach Durchhören der Platte durch den Kopf schießt, denn „allzu leicht kann`s im Deutschen peinlich klingen“ heißt es dort weiter. Nun geht es in den bearbeiteten Stücken eher selten um Sex, peinlich klingt`s trotzdem. Dabei sind die Herangehensweisen der Musiker an die Vorlagen höchst unterschiedlich, geprägt von einer gewissen Ehrfürchtigkeit bei Madsen in „Hey das ist nicht der Tag zu geh`n“ über bemüht unverkrampft bei Mrs. Greenbird in „Leb wohl Marianne“, Cäthe in „Lover, Lover, Lover“ oder dem nahezu identischen Folgen des Originals eines Reinhard Mey in „Sternblauer Trenchcoat“.

Besser wird es auch nicht, wenn die Arrangements der Stücke geändert werden wie es die Fehlfarben in „Gerechtigkeit“ versuchen. Cohens Lyrik und die deutsche Sprache werden keine Freunde. In einen Dokumentarfilm aus den Siebzigern sieht man Cohen nach dem Vortrag von „The Partisan“ weinend in der Garderobe sitzen – Weinen möchte der Hörer auch nach der Max Prosa Version dieses Stücks, unkommentierter Tiefpunkt ist das Rockergedöns „Zuerst also Manhattan“ von Peter Maffay.

Das Album “Poems – Leonard Cohen in deutscher Sprache” bleibt ein netter Versuch, vor Leonard Cohen den Hut zu ziehen, nicht mehr und nicht weniger.

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