Was Mark Lanegan im August mit links auf „No Bells On Sunday“ angetäuscht hat, verwandelt er jetzt mit rechts auf „Phantom Radio“. Mit dem Einsatz von Smartphone und Elektronik, wobei man beim umtriebigen Amerikaner natürlich immer auf Ballhöhe sein sollte, um bei dessen Aktivitäten nicht den Überblick zu verlieren.
Die jetzige Platte trägt, neben seinem Namen, wieder den Zusatz „Band“ wobei dieser Begriff weniger ein festes Gefüge umschreibt, sondern eher umfassend für alle Gastmusiker steht, die ihn seit der Zeit seines Solo-Schaffens nach dem Ende der Screaming Trees im Studio unterstützten (übrigens bis heute unverständlich, wieso 1992 der im Grunge-Milieu angesiedelten Film „Singles-gemeinsam einsam“ Alice in Chains einen Auftritt bescherte und nicht den Screaming Trees, die mit „Nearly Lost You“ den eindeutig besseren Song zum Soundtrack beisteuerte). Das dürften inzwischen etwa so viel sein wie Zahl der Produktionen bei denen Lanegan beteiligt war, UNKLE und Soulsavers seien hier stellvertretend genannt.
Komponiert wurde „Phantom Radio“ hauptsächlich mit einer App namens „Funk Box“, aber alle, denen das jetzt zu technisch klingt, können unbesorgt sein: Nur die Drumparts wurden so entwickelt. Der Rest wurde klassisch mit Gitarre und Synthesizern eingespielt und das funktioniert bei den 10 Stücken der Platte genauso gut wie bei „No Bells On Sunday“, wo das Vorgehen vergleichbar war.
Im Ergebnis pendeln die Stücke, wie von Lanegan gewohnt, zwischen 80er Dark-Wave, Singer/Songwritertum und charismatischer Grübelei. Im Gegensatz zu letzten Longplayer „Blues Funeral“, wo die Ausrichtung bereits im Albumtitel definierte war, kommt eine bisher nicht gekannte Nuance dazu. Die klingt nach der unerträglichen Leichtigkeit des musikalischen Seins, vermittelt durch das eingesetzte elektronische Equipment, welches glitzernd und manchmal etwas retro-lastig einen verhalten optimistischen Gegenpart zu den düsteren Tönen bildet.
„Harvest Home“ eröffnet den Reigen mit dunklem Drive. „Black is a color/Black is my name“ singt bzw. murmelt Lanegan staubtrocken wie der Boden von Texas dazu und entlarvt sich nicht nur in diesem Stück als Lyriker. Das folgende „Judgement Time“ klingt mehr nach Andacht denn nach Song, im Gegensatz dazu steht „Floor Of The Ocean“ mit den Gastvocals von Shelley Brien, dazu könnte man auch tanzen.
Auf „The Killing Season“ werden den Keyboards alle orchestralen Klangfarben abverlangt, während die Funk-Box gerade noch daran gehindert wurde, einen Hip-Hop Beat zu generieren. „I Am The Wolf“ ist eine elegische Ballade, die – von der Akustik-Gitarre getragen – klingt wie unter dem Sternenhimmel der Prärie entstanden. Richtig ans Herz geht dann „Torn Red Heart“, eine Geschichte vom Verlust von Liebe und Zuneigung durch die Auserwählte. Abschließend gibt es mit „Death Trip To Tulsa“ noch ein musikalisches Road-Movie in Americana Tradition und damit ein Highlight für die Ohren.
Die 10 Songs sind eine überzeugende Verschmelzung von bluesigem Songwriting und Dark-Pop mit schwelgerischer Elektronik, welche die gedämpfte Grundstimmung nicht verwässert, sondern vielmehr um einen Grauton bereichert. Das Album bleibt unverwechselbar Lanegan und folgt damit den Worten Batmans im Lego-Movie „Ich baue immer mit Schwarz und manchmal mit ganz ganz dunklem Grau“.
Im November wird Lenegan 50. Jetzt ist es vielleicht noch ein bisschen früh, aber beim nächsten runden Jubiläum könnte man auf die Idee kommen, ihn für sein Lebenswerk auszuzeichnen.