Ihr wisst es – wir wissen es – die Kunst des Video-Clips dümpelt mittlerweile eher so vor sich hin. Während in den goldenen Spät-Neunzigern knorke Regie-Heinis wie Chris Cunningham, Spike Jonze oder Michel Gondry mit frischen Ideen nur so um sich warfen, ist der Musik-Clip heute nur noch ein taktiles Instrument unter vielen. Und Social Media-Gedöns ist allemal billiger.
Die Antwoord sind das kleine, gallische Dorf der Video-Kunst. Oder besser: Ein fetter, herzerfrischend rotziger Proll-Palast. Antwoord-Clips machen alles richtig: Knallige Hingucker und berechnend fiese Aufreger. Heidewitzka, Frau Kapitän!
Nachdem Ninja und Yo-Landi in Bild und Ton jede Menge Schnickschnack zwischen Sex, Drugs, Splatter, politischer Unkorrektheit und Igitt Igitt! abgegrast haben, werden sie jetzt ’nen Tick subtiler. Will sagen: „Ugly Boy“ ist nicht ganz so „auffe Fresse“ (Pardon my French!) wie der berüchtigt verstörende Vorgänger-Clip „Pitbull Terrier“ (der mit Ninja als blutgeilem Killer-Kläffer).
Dafür hagelt es Gaststar-Auftritte und viele kleine, liebevoll Details. Also, Video angucken und danach Notizen vergleichen!
„Ugly Boy“ Top Ten Moments (wie es sich fürs Interweb gehört):
1. Die liebenswerte Schock-Rock-Hoheit Marilyn Manson überreicht Quietsche-Albino Yo-Landi (im güldenen Kapuzen-Dings) ein brennendes Blümchen. „Oooh wie süss!“ Könnte man auch als Fackelübergabe sehen: Die Antwoord als neue (naja) Queens & Kings des internationalen Provokations-Department der Pop-Kultur. Muss man aber nicht. Ninja von Die Antwoord rockte übrigens am heiligen (für die Heiden unter uns) Halloween-Feste auf der Bühne mit – Palim Palim! – Johnny Depp und Fräulein Manson zu „Beautiful People“. Wenn das nix ist.
2. Aphex Twin. Hä? Aphex-Logo aufm Pulli. Aphex-Sample im Track. Und ein Typ mit herrlich schwarzer Schminke und „Hello, My Name is God“-Shirt plus Afro und Grinse-Fratze. Gemahnt verdächtig an Richard D. James. Nicht schlecht, Frau Specht!
3. Jack Black. Der gemütlich angemoppelte Schauspieler und Comedy-Rockstar als cooler Dicke-Hose-Heini mit fesch angeschminkter James-Bond-Bösewicht-Narbe. Ernst Stavro Blofeld junior represents!
4. Ninja kriegt was aufs Maul (Pardon my French again!) und grinst dazu. Blut und Humor. Gehört zusammen wie Toast und Butter. Ach Ninja, wir haben dich lieb!
5. Das hübsch gruftig dekorierte Schwarzweiss-Set im „Game Of Thrones“-Style, auf dem Frau Landi sich genussvoll räkelt. Zeitgeist ahoi!
6. Kurz und knackig: Ninja wird die Jogging-Hose runtergezogen. Gleichauf mit den Ruckzuck-Blitzer-Klassikern: Penis-Pistole und Sekt-Ejakulation!
7. Liebevoll hingesaute Kritzeleien auf Textil und weiß-der-Geier-wo. Wer entdeckt welches Schimpfwort? („Cunt“!) Fast wie versteckte Ostereier in großen Heimkino-Produktionen. Lädt zum mehrmaligen Gucken ein.
8. Doppel-Yo-Landi mit Björk-Frisur? Hommage oder Diss? Während Ex-Antwoord-Fan Lady Gaga von den Kunst-Prolls noch ’ne Support-Tour-Absage kassierte und im Video zu „Fatty Boom Boom“ dem Löwen zum Fraß vorgeworfen wurde (Stichwort Ungeziefer im Intimbereich), kommt das hier deutlich doppeldeutiger daher. Wieso? Weshalb? Warum? Investigativer Journalismus übernehmen Sie!
9. Flea von Red Hot Chili Peppers rockt ab, Rumpelstilzchen-Style. Meinetwegen.
10. Nacktkunst-Tänzerin Dita Von Teese zeigt ihre Ditas. In nacktkünstlerisch wertvollen Nippel-Haltern. Ein bisserl Burlesque geht immer. Plus Callback zu Marilyn Manson (da war doch was…?)
Klaro – dem schon vorhandenen, beachtlichen Schock & Staun-Vokabular der Antwoord fügt „Ugly Boy“ nix wesentlich Neues hinzu. Aber im Vergleich mit der großen Clip-Mehrheit rappelt es immer noch gewaltig im Karton. Plus: Die Gastauftritte sorgen für heiteres Rätselraten. Also allerschlimmstens Stillstand auf hohem Niveau. Gerne mehr davon!