„Patience! My Ass…I’m gonna kill something!“ Es waren zum Glück nur die aufgedruckten Worte samt der Abbildung zweier Raubvögel auf dem Shirt von Jonathan Pierce, die einem so forsch mitzuteilen versuchten, dass da irgendetwas im Gange war und man sich unter Umständen in Acht nehmen sollte. Die Rauchschwaden noch vor Beginn der Show zogen auf jeden Fall schon einmal gewaltig ihre Kreise über der Bühne und noch weit darüber hinaus, bis auch der letzte Winkel des ausverkauften Frannz Clubs davon eingehüllt war. Auf dieser sollten sich die beiden übrig gebliebenen Mitglieder von The Drums samt 3-köpfiger-Begleitung schon bald versammeln, um der Publikumsschar stolze 18 Songs um die Ohren zu wickeln.

Stoff haben die Wahl-New Yorher dank ihrer drei Alben mehr als genug und legten diesen Herbst mit „Encyclopedia“ ein neues Werk vor, das eine merkliche Weiterentwicklung in ihrer Schaffensphase darstellt. Vorbei sind die Zeiten, als einem fröhlich-unbeschwingte Surf-Pop-Melodien permanent ein rosa-liebliches Bild vor Augen zeichneten und der (Welt-)Schmerz sich höchstens beim genaueren Hinhören unter einer Schicht bittersüßer Gitarren-Watte aus der Deckung wagte. Mit ihrer „Summertime“ EP mögen sie ihrer Karriere zwar einen gewaltigen Drive verpasst haben, das wahre Kunststück demonstrierten sie jedoch nun bei ihrem Stopp in Berlin, bei dem sie sich sowohl an der  Leichtigkeit des alten Songmaterials messen lassen, als auch gleichzeitig die Fühler nach vorne ausstrecken mussten.

Ein Song wie das Eröffnungsstück des Abends „Bell Laboratories“ hätte es bis vor ein paar Jahren wohl kaum gegeben und wäre vermutlich mit gerümpfter Nase vom Publikum aufgenommen worden. Doch auch die Fans sind, einmal von den verdammt jungen Zuschauern in den ersten Reihen abgesehen, ebenfalls ein wenig älter geworden. Und so wirkt die anfänglich ausgestrahlte Ruhe des Songs, die vergleichsweise kaum gesetzten musikalischen Akzente und die verschwindend leise Stimme von Jonathan Pierce herrlich angenehm, um gleichzeitig eine kleine neue Ära für die mit dem neuen Album zum Duo geschrumpfte Band einzuläuten. Es braucht bei weitem keine zappeligen Grooves oder angedeutete, oberflächliche Heiterkeit mehr, um sich die nötige Aufmerksamkeit zu verschaffen.

So ganz haben The Drums aber zumindest optisch nicht ihren alten Gewohnheiten abgeschworen. Der gut gestutzte Blondschopf mit akkuratem Pony sitzt bei Sänger Jonathan Pierce wie eh und je unverschämt perfekt und steht im Kontrast zur knallroten College-Jacke, den leicht hochgekrempelten Hosenbeinen und den auf Hochglanz polierten Schuhen. Von unten nach oben im „Schwarz-Rot-Gold-Look“ abgestuft, erweckte Pierce den Eindruck, sich kleidungstechnisch zur Feier des Tages so seine Gedanken gemacht zu haben. Das Publikum dankte ihm seinen Einsatz im Textil-Bereich mit einer warmherzigen Begrüßung der jeweiligen Songs, die im Laufe des Sets immer inniger ausfallen sollte. Die kleinen Mädchen in der ersten Reihe zückten permanent die Smartphones, um am liebsten jede Sekunde der Show für immer festzuhalten und die teils langhaarigen, bärtigen Dudes schwankten im Glückstaumel spätestens im Zugaben-Set wild im vorderen Bühnenbereich umher und versuchten, die physische Kontaktaufnahme mit Pierce zum Erfolg zu führen.

Dieser ließ sich weder von blinkenden Handys, kleinen Mosh-Pits oder auch lauteren Singalongs nicht aus seinen voller Esprit und Eleganz strotzenden Tanzeinlagen bringen, die er wohl wie kein anderer auf diese Weise beherrscht. Im meist grell-bunten Licht gab er sich innig seinen fließenden Bewegungen hin, wobei er seine Hände gerne in der Luft zur Versinnbildlichung der Texte benutzte oder sie locker auf seiner Hüfte ablegte. Die Füße dabei immer gut ein paar Zentimeter, mit den Fersen in der Luft, über dem Boden schwebend, wirkte Jonathan Pierce, als würde er die feinen-schwungvollen Bewegungen miteinander zu einer erlesenen Summe seines ganz persönlichen Ausdruckstanz verknüpfen. Stets gewillt, die romantisch-zuckrige Atmosphäre mit passionierter Hingabe anschwellen und wieder abklingen zu lassen.

Sein Bandkollege Jacob Graham wirkt dagegen wie der absolute Ruhepol mit ernsterer Miene, brav zugeknöpften Polo-Hemd und marionettenhaften Bewegungen, die meist nur im Ansatz existierten. Der leichte Nerd-Charakter wurde noch durch seine emsige Arbeit an den hinter ihm aufgetürmten Klotz aus den verschiedensten Knöpfen und Kabeleien verstärkt, die er wie ein Dirigent versuchte im Zaum zu halten.

Mittlerweile ist das Set der Amerikaner so voller Hits gespickt, dass Songs wie „Book Of Stories“, „Best Friend“ und der Zugabenblock bestehend aus „Make You Mine“, „Let’s Go Surfing“ und „Down By The Water“ im regelmäßigen Wechselspiel für eine ausgelassene Atmosphäre sorgten. Ganz warm um’s Herz wurde Jonathan Pierce bei so viel fröhlich-beschwingten Zuspruch, dass er charmant den Satz fallen ließ: „You are making us feel so loved in a time where love is needed!“. Love is in the air? And all around. Das durfte auch die kleine, feine Menge im Frannz Club deutlich gespürt haben.

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