Auf der Internationalitätsskala liegen All We Are ganz schön weit vorne. Die drei Bandmitglieder, die mittlerweile ihr Basislager in Liverpool aufgeschlagen haben, zog es aus gleich drei verschiedenen Ländern des Erdballs in das englische Musik-Mekka. Ihre Herkunft aus Norwegen, Irland und Brasilien schlägt sich zwar hinsichtlich ihrer Einflüsse nicht maßgeblich oder gar traditionell in ihren Songs nieder, der Eindruck eines vielfältigen und auf mehreren Kanälen angesiedelten Sounds bleibt aber gewiss zurück. Der enge persönliche Draht zueinander diente dabei als Grundlage dessen, was das Trio innerhalb von nur wenigen Wochen auch auf musikalischer Ebene auf ihrem selbstbetitelten Debütalbum miteinander vereint. Den Groove beständig im Visier und mit der Unbekümmertheit einer Horde Enthusiasten auf der Lauer warf die Band alles in die Waagschale. All We Are – nicht ohne Grund. Zum Interview begegneten wir mit Richard O’Flynn und Guro Gikling ausnahmsweise nur zwei Drittel der Band.
MusikBlog: Ein Debütalbum aufzunehmen, ist wohl immer eine besondere Erfahrung für eine Band. Was wird euch hinsichtlich dieser Zeit noch lange im Gedächtnis bleiben?
Richard O’Flynn: Wir haben uns sofort sehr gut mit unserem Produzenten Dan Carey verstanden und hatten wirklich den Eindruck, uns schon viel länger zu kennen. Wenn man an so etwas Persönlichem wie einem Album arbeitet, dann muss einfach alles stimmen und man muss sich auf den Produzenten verlassen können. Das war bei Dan absolut der Fall. Es ist schön, diese Erfahrung mit ihm an unserer Seite gemacht zu haben.
Guro Gikling: Ja, er wusste sofort, welche Art von Atmosphäre geschaffen werden musste, um den Songs den letzten Schliff zu geben.
Richard O’Flynn: Für mich ist und bleibt er der “King Of Vibes”!
MusikBlog: Gab es für euch in dieser Konstellation einen Knackpunkt in eurem Schaffen, oder würdet ihr eure musikalische Entwicklung als Trio eher als nahtlos beschreiben?
Richard O’Flynn: Als wir als Band anfingen, zusammen Musik zu machen, steckten wir definitiv in einer Art Selbstfindungsphase, was unsere Songs anging. Es brauchte alles seine Zeit, bis wir ungefähr wussten, welchen Weg wir einschlagen würden. Man experimentiert viel herum und lässt sich treiben. Als wir dann “Utmost Good”, unsere Debüt-Single herausbrachten, hatten wir das Gefühl, auf der richtigen Spur zu sein und konnten danach relativ beruhigt die Aufnahmen zum Album beenden.
MusikBlog: Und mittendrin noch ein wenig Tourluft schnuppern…
Richard O’Flynn: Das stimmt. Wir waren gleich im Anschluss der Tour, bei der wir als Warpaint Support unterwegs waren, im Studio, um an den Songs zu arbeiten und wir waren alle ziemlich gut aufgelegt. Es war sehr aufregend für uns, endlich alle Songs zusammen zu haben und gemeinsam aufzunehmen. Zumal wir sehr glücklich sind, dies als Teil von Domino tun zu können.
MusikBlog: Apropos Plattenvertrag, häufig behaupten Bands von sich, lieber ohne Vertrag an einem Album zu arbeiten und die Label-Suche auf später zu verschieben, um sich die nötigen Freiheiten zu bewahren. Bei euch war das nicht der Fall und dennoch wirkt ihr rundherum zufrieden. Konntet ihr nachts ruhiger schlafen, weil ihr wusstet, dass ihr bereits ein Label gefunden hattet?
Guro Gikling: Ich habe es auf jeden Fall als beruhigend empfunden. Wir sind überglücklich, bei Domino unter Vertrag zu sein, denn wir schätzen die Arbeit des Labels und vor allem die Künstler sehr.
Richard O’Flynn: Ich weiss, dass es heutzutage viele Bands gibt, die auf eigene Faust ihr Ding machen und es im Musikbusiness versuchen, aber wir sind froh, ein Label wie Domino zu haben und uns nur auf die Musik konzentrieren zu müssen. Immerhin ist ein Album in unseren Augen eine Art Gesamtkunstwerk, das seiner Form nach mehr als nur eine lose Ansammlung an Songs ist. Natürlich ist es schön, Singles zu haben, aber für uns geht es eindeutig um mehr. Für uns ist das Albumformat als solches kein alter Hut, auch wenn viele Leute das immer wieder prophezeien. Es bedeutet uns eine Menge, ein Album herauszubringen. Ausserdem war es für uns gut zu wissen, dass wir innerhalb von ein paar Wochen mit den Aufnahmen fertig sein mussten. Ohne zeitlichen Druck würden wir wohl immer noch nicht hier sitzen und über das Album sprechen.
Guro Gikling: Da stimme ich Richard zu. Natürlich nehmen viele Menschen Songs eher vereinzelt war und haben teilweise nicht die Zeit oder Muße, sie in einem Kontext zu sehen, aber unserer Ansicht nach stehen die Songs nicht für sich alleine und ergeben nur zusammen einen wahren Sinn. Schließlich haben wir nicht irgendeine Aneinanderreihung der Lieder gewählt, sondern uns schon etwas bei der Reihenfolge gedacht.
MusikBlog: Wie nahe seid ihr während der Aufnahmen an so etwas wie einen Idealzustand gekommen?
Richard O’Flynn: Obwohl wir mit dem Album als Ganzes sehr zufrieden sind, ist es natürlich eine subjektive Sichtweise, die wir da haben. Ich habe keine Ahnung, ob das Ergebnis nun ideal ist oder nicht. Zumindest haben wir das Gefühl, sehr nahe an diesen Zustand herangekommen zu sein. Eine Weiterentwicklung unseres Sounds ist aber etwas, das wir unbedingt anstreben. Mir hat bei der Arbeit an unserem Debüt die Tatsache gefallen, dass wir mit einer gewissen Naivität an alles herangehen konnten. Ich denke, dass man diesen besonderen Moment als Musiker nur einmal in dieser Form erlebt. Obwohl die Songs in einer verhältnismäßig kurzen Zeit entstanden sind, haben wir als Musiker einen großen Schritt nach vorne gemacht. Bei einem Debütalbum wirft man alles in eine Waagschale, die noch völlig leer ist. Beim Nachfolger werden wir sicherlich nicht mehr so unschuldig an alles herangehen und ganz automatisch mehr Erfahrung mitbringen, die uns von Nutzen sein wird.
Guro Gikling: Jeder Tag war wie ein neuer Anfang für uns. Wir mussten uns beweisen und die jeweiligen Songs als Momentaufnahme auf uns zukommen lassen. Unser Debüt trägt doch sehr diese Handschrift, was ich weder gutheissen, noch negativ bewerten will. So ist es nun einmal, wenn man sich am Startpunkt einer Reise befindet. Wir wollten bewusst unsere Gedanken nicht allzu weit vorausschicken und damit auch unserem Sound die Gelegenheit geben, einfach das zu sein, was wir gerade in diesem Moment fühlten.
Richard O’Flynn: Keiner der Songs war eine Art Maßanfertigung, die extra von uns für das Album geschaffen wurde. Vielmehr sind die Tracks ein Dokument einer längeren Entstehungs- und damit auch Entwicklungsphase. Es ging uns nicht darum, diese Songs an irgendeine grundlegende Vorstellung anzupassen, die uns für das Album vorschwebte. Alle Lieder sind gewissermaßen eine kondensierte Form dessen, was wir ohnehin zustande gebracht haben, ob mit dem Stempel eines Albums darauf oder nicht. Einiges auf dem Album ist einem glücklichen Zufall zu verdanken. Es hat den besonderen Reiz bei den Aufnahmen ausgemacht, dass nicht alles bis ins kleinste Detail geplant war.
MusikBlog: Gab es trotz der mitschwingenden Naivität im Vorfeld eine heisse Phase vor Beginn der Aufnahmen? Wie sah die Ruhe vor dem Sturm für euch aus?
Guro Gikling: Um uns auf noch ein wenig intensiver auf das Album vorzubereiten, stellten wir uns selbst vor die Herausforderung, eine Zeit lang jeden Tag einen Song schreiben zu müssen. Das war anfangs recht schwierig, aber wir haben es jeden Tag geschafft, so etwas wie einen Song aus uns herauszulassen.
Richard O’Flynn: Wir haben uns in Vorbereitung auf die Aufnahmen zwei Wochen in ein Cottage in Wales zurückgezogen, um uns von allem zu isolieren und uns allein auf unser Songwriting zu konzentrieren. Da entstand auch die Idee zu diesem besonderen Experiment, täglich einen Song zu schreiben.
MusikBlog: Was ist von diesen Sessions übriggeblieben?
Richard O’Flynn: Ein Bruchteil, aber zwei der Songs haben es letztendlich sogar auf das Album geschafft bzw. einer davon ist ein Bonus Track. Auf lange Sicht war das also ein guter Weg, um kreativ zu sein und am Ende mit etwas Nützlichem dazustehen. Alle anderen Songideen aus dieser Phase werden niemals an die Öffentlichkeit gelangen! (lacht)
MusikBlog: Habt ihr hinsichtlich eurer jeweiligen Instrumente eine Vorliebe für einen speziellen Sound?
Guro Gikling: Ich persönlich mag es sehr, wenn mein Bass immer etwas locker klingt und wie eine Flüssigkeit umherwabert. Ausserdem habe ich festgestellt, dass ich meine linke Hand generell am liebsten ein wenig mehr fordere, was das Spiel angeht.
Richard O’Flynn: Da ich mein Schlagzeug im Stehen spiele, habe ich immer nur einen Fuß frei und die Beats fallen eher minimalistisch aus. Vieles in meinem Spiel ist von Hip-Hop Einflüssen und G-Funk aus den 90ern geprägt. Das spricht mich auch noch heute an. Ich versuche, mein Schlagzeugspiel sehr straff und groovy zu halten. Ähnlich wie bei einer Drum-Machine. Luis ist nicht hier, aber ich würde sagen, dass er eine Menge Atmosphäre mit in die Band bringt. Er liebt es, seine Gitarren durch verschiedene Verstärker zu jagen und Loops zu kreieren. Er ist ein Meister darin, wenn du mich fragst.
MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.