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Vorwärts in die Achtziger – Man Without Country im Interview

Freuen wir uns! Denn im Moment dehnt sich das Universum immer noch aus. Das könnte irgendwann aber auch wieder anders laufen. Denn nach dem Punkt maximaler Ausdehnung könnte es sich auch wieder ganz in sich zusammenziehen. Maximale Entropie sagt der Astronom dazu. Eine witzige Theorie besagt, dass während dieser Umkehr auch die Zeit rückwärts laufen wird. In Bezug auf die Musik von Man Without Country hätte dies zur Folge, dass man während dieser Umkehrschlaufe den eher kühlen, neonartigen achtziger- Synthiepopsound des Duos aus Cardiff, dann noch vor dem eigentlichen kühlen, neonartigen Synthiepopsound der Achtziger hören würde. Auf alle Fälle ein interessanter Effekt. Neben ein paar anderen.

Mit ihrem ersten Album „Foe“ hatten Ryan James und Tomas Greenhalf 2012 gezeigt, dass man Produktionstechniken und stilistische Einflüsse des Synthie-Pops der achtziger Jahre durchaus auf spannende Weise nochmal neu ausdeuten kann. In den zehn Songs des Albums kreierten sie atmosphärische Klangwelten, die trotz ihrer eher melancholischen Düsternis auch immer offen waren für eine Prise guter Pop-Hooks.

Mit dem neuen Album „Maximum Entropy“ setzt das Duo aus Cardiff diesen Kurs fort. Wir sprachen mit Sänger Ryan James über das Album, düstere Klänge, persönliche Stressvermeidungs-Strategien in der Zusammenarbeit und ein paar andere Themen.

MusikBlog: Ein Album „Maximum Entropy“ zu nennen hat ja schon etwas Endgültiges. Oder?

Ryan James: Maximale Entropie ist eine clevere, astronomische Umschreibung für das Ende des Universums. (lacht) Absoluter Zusammenbruch! Das klingt schon recht verwegen. 2013 haben wir eine EP mit dem Titel „Entropy Pt 1“ gemacht. Es sollte eigentlich eine ganze Serie von EP’s mit diesem Titel werden. Und als es dann um den zweiten Teil ging, dachten wir uns „Warum machen wir eigentlich nicht gleich ein ganzes Album zum Thema Entropie?“. Und „Maximum Entropy“ klingt ja als Titel auch noch um Einiges stärker.

MusikBlog: Euer erstes Album „Foe“ hatte einen ziemlich unterkühlten, frostigen Achtziger Sound. Bei „Maximum Entropy“ hat man zumindest das Gefühl, dass ihr die Heizung ein bisschen angedreht habt. Der Raum ist zwar noch nicht warm, aber immerhin ist es nicht mehr ganz so eisig.

Ryan James: „Foe“ war ein sehr wütendes Album. Die Texte waren absolut bitter und ziemlich düster. Diese Düsternis ist auf „Maximum Entropie“ zwar auch immer noch vorhanden, aber in einer ruhigeren und durchdachteren Form. Als Band sind wir natürlich auch ein wenig reifer geworden. Die Produktion hat jetzt mehr Gewicht bekommen als auf dem letzten Album. Wir haben uns eben weiterentwickelt und im Laufe der letzten Jahre viel gelernt. Das hat uns viele neue Ideen gebracht, die mit in das Album eingeflossen sind.

MusikBlog: In der Zeit nach eurem ersten Album habt ihr sehr viel live gespielt. Ich kann mir vorstellen, dass das auch einen Einfluss auf die neuen Stücke hatte.

Ryan James: Wir haben damals, als wir „Foe“ gemacht haben, nicht sonderlich groß darüber nachgedacht, wie wir das Album live umsetzen können. Als wir jetzt die neuen Songs geschrieben haben, hatten wir das schon von Anfang an im Kopf. Und es wird sehr interessant sein, die Stücke live zu spielen. Bei den alten Songs konnten wir erst im Nachhinein herausfinden, wie wir sie live umsetzen können. Diese Erfahrung hatte natürlich schon seinen Einfluss auf die neuen Sachen.

MusikBlog: Was sich definitiv nicht geändert hat, ist, dass ihr in euren Songs immer noch eine eher düstere, kühle und melancholische Klanglandschaft zeichnet. Sieht Euer Innenleben genauso aus?

Ryan James: Ich bin eigentlich ein glücklicher Mensch. Aber wenn wir zusammen Musik machen, kommen dabei aus irgendeinem Grund immer düstere Songs raus. Ich weiß auch nicht, warum das so ist. Es ist für uns einfach unmöglich, glücklich klingende, unbeschwerte Musik zu schreiben. Ich glaube, jeder Mensch hat etwas, in dem er gut ist und helle, positive Songs zu schreiben gehört definitiv nicht zu unseren Stärken. (lacht)

MusikBlog: Die berühmte „Glas voll, Glas leer“–Frage schenke ich uns mal. Aber neigst Du generell als Mensch auch zu einer eher pessimistischen Weltsicht?

Ryan James: Ich würde jetzt nicht sagen, dass ich ein übermäßiger Optimist bin. Das wäre gelogen. Aber ich bin jetzt auch kein absolut negativer Mensch. Was ich an dunklen Sachen mag, ist, dass sie oft mehr Bedeutung und Tiefe haben. Und oft beinhalten sie eine ehrlichere Einstellung, als einfach nur zu sagen, dass mit der Welt alles in Ordnung sei. Denn das ist es nicht.

MusikBlog: Inspiriert diese Einschätzung auch Deine Texte? Haben sie einen konkreten Bezug zur gesellschaftlichen Realität? Oder sind es einfach nur Wortklänge, die die intensive Stimmung der Musik auf der verbalen Ebene illustrieren?

Ryan James: Ich denke nicht allzu viel über Politik nach. Und es kommt schon mal vor, dass ich auch so etwas verarbeite. Aber eigentlich geht es dann auch mehr um eine generelle Verdorbenheit des menschlichen Lebens. Also nichts Spezifisches, wenn ich ehrlich bin. Manche meiner Texte sind einfach subjektiv. Aber einige können auch über alles Mögliche sein. Ich lasse das gerne offen, so dass die Leute sich ihre eigenen Gedanken machen können, was die Texte für sie bedeuten. Es gibt kein Richtig oder Falsch in ihnen. Sie sind bewusst so geschrieben, dass jeder seine eigenen Vermutungen anstellen kann. Manchmal weiß ich sogar selbst nicht mehr, wie manche Texte entstanden sind und woher sie gekommen sind.

MusikBlog: Nur zwei Leute in einer Band zu sein, kann ja manchmal einer zu wenig sein. Ihr kennt euch jetzt schon ziemlich lange und arbeitet auch ständig zusammen. Habt ihr so etwas wie eine Strategie, um persönlichen Stress zwischen euch zu vermeiden?

Ryan James: Tomas und ich wohnen nicht weit voneinander entfernt immer noch in derselben Straße. Wir sehen uns fast täglich. Aber wir sind trotzdem beide der Meinung, dass jeder von uns am besten für sich alleine arbeitet. Wenn man mit jemand zusammen in einem Raum ist, dann traut man sich manchmal nicht, irgendwelche Sachen auszuprobieren. Aber wenn du alleine arbeitest, kannst du deiner Verrücktheit freien Lauf lassen. Wir kommunizieren online ständig miteinander. Schicken uns Musikfiles hin und her. Das ist die angenehmste Weise heutzutage zu arbeiten. Wir haben ein wirklich gutes Verhältnis, aber wir arbeiten eben beide am liebsten für uns alleine. Und am Ende führen wir dann die Resultate zusammen.

MusikBlog: Den Stücken, die dabei herauskommen hört man überdeutlich an, dass ihr Euch auch ziemlich intensiv mit den Produktionstechniken der Achtziger auseinander gesetzt habt. Was fasziniert Euch da im Besonderen?

Ryan James: Wir hören sehr gerne alte Sachen aus dieser Zeit. Phil Collins, Genesis… Neulich haben wir mal bei Bruce Springsteen reingehört. Damals war gerade der Chorus-Effekt sehr angesagt. Wir lieben diesen Klang. Er kann schon sehr cheesy sein, aber unseren Sound lässt er sehr träumerisch wirken. Ich mag auch diesen Gated Reverb-Sound, den Phil Collins damals für seine Snare benutzt hat. Die Produktionsweise der Achtziger hat schon einen großen Einfluss auf uns. Aber wir lieben auch Shoegaze-Bands wie My Bloody Valentine, Slowdive und solche Bands. Sie haben auf ihren Platten immer diesen dichten “Wall of Sound”. Das ist etwas, das wir auch versuchen, hinzubekommen. Allerdings natürlich auf eine zeitgemäße Art. Und anstelle von Gitarren benutzen wir hauptsächlich dicke Synthesizer-Akkorde.

MusikBlog: Abschließende Frage: Wie und wo sollte man sich „Maximum Entropy“ am besten anhören?

Ryan James: Unsere Musik sollte man am besten alleine über Kopfhörer hören. Oder während man im Bus oder im Auto fährt. Sie ist nicht dafür geeignet, dass man sie in einer Gruppe mit anderen Leuten zum Abtanzen hört. Bei unseren Konzerten ist das natürlich anders. Aber generell ist unsere Musik etwas, in das man sich versenken und verlieren kann. Und das kann man am besten allein.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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