Für jemanden wie Grant Nicholas, der mit seiner Band Feeder seit zwanzig Jahren erfolgreich ist, kommt der Entschluss, ein Solo-Album zu veröffentlichen verhältnismäßig spät. Warum spät jedoch im Fall von „Yorktown Heights“ nicht Besorgnis erregend ist, lässt sich gut an der insgesamt entspannten Grundhaltung messen, die der Waliser auch in unserem Gespräch an den Tag legt. Am heissen Kaffee nippend und mit lässigen Vans an den Füßen macht er einen glücklichen Eindruck, der sich während des gesamten Interviews durch seine Mimik zieht. Seine Antworten auf unsere Fragen spiegeln diesem Gemütszustand ebenfalls wider.
MusikBlog: Dein Solo-Debüt „Yorktown Heights“ ist hinsichtlich seiner Sounddichte eine doch sehr reduzierte Version dessen, was du über so viele Jahre als Teil von Feeder aus dir herausgelassen hast. Eine Art klangliche Diät sozusagen. Inwiefern hast du bei der Entstehung klanglich abgespeckt oder auch etwas dazugewonnen?
Grant Nicholas: Das ist ein interessanter Vergleich. Das Klangvolumen hat in der Tat abgenommen, aber vieles von dem, was ich mit Feeder gemacht habe, hatte genau genommen die gleiche Basis. Ich liebe diese oldschool ähnliche Herangehensweise, einen Song zu schreiben und mit sehr simplen Mitteln etwas zu schaffen. Um ehrlich zu sein, hatte ich gar nicht geplant, ein Solo-Album zu veröffentlichen. Ich schreibe auch Songs für andere Künstler und hatte gar nicht unbedingt so ein großes Verlangen danach, eine Solo-Platte zu machen.
MusikBlog: Was hat dich dann doch letztendlich dazu bewegt, es solo zu versuchen?
Grant Nicholas: Ich hatte irgendwann einfach ein paar akustische Songs zusammen und spielte sie Freunden sowie meiner Familie vor, die mich erst auf die Idee brachten, die Stücke einfach selbst zu behalten. Selbst zu diesem Zeitpunkt war ich noch nicht so ganz davon überzeugt und wusste nicht, was ich mit den Tracks anstellen sollte. Das positive Feedback hat mir aber dabei geholfen, diese Sache weiterzuverfolgen.
MusikBlog: In vielen Reviews machte sich trotz der positiven Resonanz Verwunderung darüber breit, dass der eingeschlagene Weg im Vergleich zu Feeder so viel zurückhaltender ist. Dabei hast du doch auch schon als Teil dieser Band diese Facette von dir als Songwriter zum Ausdruck gebracht.
Grant Nicholas: Ja, da hast du Recht. Oftmals wurde dieser musikalische Umschwung als überraschend dargestellt, obwohl meine Vergangenheit mit Feeder auch nicht immer nur dem Indie-Rock zugewandt war. Ehrlich gesagt, empfinde ich es sogar fast als natürlicher, klanglich reduzierte Songs zu schreiben. Nach zwanzig Jahren zusammen mit Feeder war es aber wohl an der Zeit, diese noch ein wenig mehr nach aussen zu kehren. Nun kann ich mich auch nicht mehr hinter einem Bandnamen verstecken, woran ich mich noch ein wenig gewöhnen muss.
MusikBlog: Es scheint so, als hättest du mit „Comfort In Sound“ mit Feeder klanglich gesehen so etwas wie die Grundlage für diese Platte gelegt.
Grant Nicholas: Genau diesen Eindruck habe ich auch von diesem Album. Es gibt in der Herangehensweise einige Parallelen, die diese These untermauern. Wir wussten damals auch nicht, ob wir ein Album wie dieses machen wollten und haben uns einfach irgendwann aufgrund der vorhandenen Demos entschlossen, die Arrangements vergleichsweise einfach, direkt und sehr zugänglich zu halten. Zu dieser Zeit habe ich auch das erste Mal so etwas wie Wohlbehagen gefühlt, was das subtilere Klangbild angeht. Ich musste meine Stimme nicht mehr zwangsweise unter einem Berg von Gitarren vergraben. Das war ein gutes Gefühl.
MusikBlog: Wie stehst du dem Album emotional gesehen jetzt gegenüber, da es schon ein paar Monate für die Öffentlichkeit zugänglich ist?
Grant Nicholas: Ich muss gestehen, dass ich mir meine Alben normalerweise nach der Fertigstellung nicht großartig anhöre. Mit meiner Soloplatte ist das aber etwas anders. Die Songs haben jeder für sich ein wenig ein Eigenleben entwickelt. Das wurde mir vor allem bewusst, als wir für die jetzige Tour geprobt haben. Ich habe eine wirklich tolle Band um mich herum. Mir war es wichtig, mit meinen Solo-Songs in einem Umfeld zu touren, das für mich auf einem persönlichen Level angenehm ist. Ich hatte keinerlei Interesse daran, mir Session-Musiker im klassischen Sinne an meine Seite zu stellen. Für mich funktioniert die Umsetzung der Songs live gerade deswegen, weil wir zusammen versuchen, den bestmöglichen Weg dafür zu finden.
MusikBlog: Wie sieht dieser beispielsweise für den heutigen Abend aus?
Grant Nicholas: Wir versuchen eine gute, aber nicht unbedingt perfekte Show abzuliefern. Die gibt es ohnehin nicht, also macht es auch keinen Sinn, krampfhaft danach zu streben. Ich möchte dagegen lieber aufrichtig meine Songs präsentieren und dazu gehören eben auch stückweise Fehler. Gleichzeitig ist mir aber auch bewusst, dass ich in meiner Rolle als Solokünstler viel verletzlicher bin, das heisst vor allem, dass ich mich nicht wie bei Feeder hinter einem Haufen Lärm verstecken kann.
MusikBlog: Was findest du als Songwriter so reizvoll daran, dich musikalisch so zu entblößen und in vielerlei Hinsicht den traditionellen Weg zu gehen?
Grant Nicholas: Mich hat es vor allem gereizt, einen Sound wie in den 70ern zu schaffen, in dem genau diese Aspekte eine große Rolle spielen. Es ist der Form nach keine Retro-Platte geworden, aber es sind doch einige Elemente enthalten, die einen ähnlichen Anspruch an die Aufnahmen stellen. Ich bin extra nach Los Angeles gefahren, um dort den Songs den letzten Feinschliff und diesen großen, warmen Sound zu verpassen, der mir vorschwebte. Ich wollte keinen modernen Rock-Sound, der so beliebt in Amerika ist.
MusikBlog: Was stört dich an dieser Art des Sounds?
Grant Nicholas: Es klingt in meinen Augen einfach zu klinisch. Ich wollte aber lieber einen sehr natürlichen Klang für meine Songs haben. Meine EP „Black Clouds“, die im April erscheint, geht klanglich gesehen noch mehr in diese Richtung als das Album. Ich mag es, mich bei der Arbeit nicht auf all die technischen Hilfsmittel zu verlassen, die einem als Musiker heutzutage zur Verfügung stehen.
MusikBlog: Wie kommt es, dass du dich besonders zum Sound der 70er Jahre hingezogen fühlst?
Grant Nicholas: Ich bin damit aufgewachsen, wenn man so will. Ich bin in einer ländlichen Gegend groß geworden und viele meiner Mitschüler haben Rock-Bands wie Black Sabbath oder AC/DC gehört. Mein älterer Bruder hat mich dann aber an Bands wie Pink Floyd, Fleetwood Mac oder auch Neil Young herangeführt. Nicht Bob Dylan und Tom Petty zu vergessen. Als ich älter wurde, habe ich dann Nick Drake für mich entdeckt. Als ich noch in Wales war, hatte ich ihn überhaupt nicht auf dem Radar. Nun ist er wohl meine Haupt-Inspirationsquelle für mein Album. Sowohl sein Gitarrenspiel als auch seine melancholische Stimme haben mich bei der Arbeit an „Yorktown Heights“ begleitet.
MusikBlog: Ist die Leidenschaft für diese Form der Musik ein Bündnis für die Ewigkeit für dich?
Grant Nicholas: Ja, das ist es auf jeden Fall. Ich kann mir gut vorstellen, dass ich in zwanzig Jahren auf einem Stuhl sitze, neben mir ein Hund, und ebenso passioniert solche Songs spiele. Vielleicht muss ich aber noch eine coole, junge Dame für die Live-Shows engagieren, die elektronische Beats über die ganze Sache legt. Wer weiß! (lacht)
MusikBlog: Für einen Teil der Aufnahmen für „Yorktown Heights“ hat es dich in eine Region nördlich von New York gezogen. Warum bist du mit einer Reihe so intimer Songs in die Ferne gezogen, anstelle sie in einem dir vertrauten Umfeld in deiner Nähe aufzunehmen?
Grant Nicholas: Dieser Schritt mag dir zurecht etwas komisch erscheinen, aber ich habe mich einfach in diesen Ort verguckt und fand es ganz wunderbar, so abgeschottet von allem an ein paar Songs zu arbeiten. Draussen lag zu dieser Zeit überall Schnee und es war sehr malerisch. Ich wollte für das Album an einem anderen Ort sein und bin froh über diesen Schritt, weil es dem Album insgesamt die nötige Atmosphäre gegeben hat. Es ging mir aber nicht darum, wie vielen anderen Künstlern, durch den Ortswechsel unbedingt einen ganz anderen Vibe hervorzurufen. Ich bin kein Songwriter, der unmittelbar und nachhaltig beim Schreiben von seiner Umgebung beeinflusst wird, so dass man das dann auch beim Ergebnis hört. Mir ging es mehr um den Aspekt der Isolation. Ich wollte mich aus allem herauszoomen.
MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.