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Nicht jeden Abend House – The Avener im Interview

Manchmal geht alles ganz schnell. Jahrelang trat Tristan Casara in seiner Heimatstadt Nizza als Resident-DJ auf und veröffentlichte nebenbei Musik, die allerdings nie über die Grenzen der House- und Electro-Szene hinaus erfolgreich war. Dann bearbeitete er unter dem Künstlernamen The Avener „Fade Out Lines“ von Phoebe Killdeer And The Short Straws und landete plötzlich einen der großen Hits des letzten Jahres – Platz Eins der französischen iTunes-Charts, Top-Platzierungen in Deutschland und der Schweiz sowie fast vier Millionen Klicks bei YouTube sprechen eine deutliche Sprache. Auch sein Debütalbum „The Wanderings Of The Avener“, das hierzulande am Freitag erscheint, schlug in Frankreich mächtig ein. Im Interview erzählt uns der 28-Jährige, was es mit dem Albumtitel auf sich hat, wie er zu klassischer Musik steht und was er mit Robin Schulz vor hat.

MusikBlog: Tristan, du scheinst momentan eine sehr gefragte Persönlichkeit zu sein.

The Avener: Ja, gerade ist es verrückt. Aber ich genieße jeden Moment und es macht mich sehr glücklich, dass sich die ganze Arbeit nun auszahlt.

MusikBlog: Du arbeitest bereits seit zehn Jahren als DJ und Produzent, im letzten Jahr hat dich dann plötzlich ein einziger Song weltberühmt gemacht. Wie sehr hat dich das überrascht?

The Avener: Natürlich hofft man immer auf so einen Erfolg, wenn man, wie ich, jahrelang als Resident- und Underground-DJ arbeitet. Aber wirklich ausmalen kann man sich das nicht, bis es dann plötzlich passiert. Es war eine faustdicke Überraschung und es macht mich wahnsinnig froh.

MusikBlog: Wann hast du zum ersten Mal gemerkt, dass dir mit „Fade Out Lines“ ein echter Hit gelungen ist?

The Avener: Tatsächlich hab ich es sofort gespürt, als ich den Song zum allerersten Mal live spielte. Ich legte in einer ziemlich kleinen Bar in meiner Heimatstadt Nizza auf und während des Songs reckten mindestens 20 Menschen ihr Smartphone mit Shazam in die Höhe, um herauszufinden, was das für ein Song ist. Da hab ich die besondere Wirkung von „Fade Out Lines“ erkannt, aber natürlich ahnte ich noch nicht, wohin mich dieser Song führen würde.

MusikBlog: Also wusstest du es noch nicht, als du das Original von Phoebe Killdeer And The Short Straws überarbeitet hast?

The Avener: Nein, nein, als ich den Song produzierte, tanzte ich alleine vor meinem Computer. (lacht) Da hatte ich zwar viel Spaß, aber keinerlei Vorahnung, wie das Ergebnis bei den Hörern ankommen würde.

MusikBlog: Fühlst du dich in deiner neuen Rolle im plötzlichen Rampenlicht eigentlich wohl? Immerhin hast du ja lange nur als Untergrundkünstler und Ghost Producer gearbeitet?

The Avener: Ich genieße das schon sehr, auch den ganzen Medienrummel mit Radio- und TV-Auftritten. Am meisten natürlich, dass die Clubs jetzt immer voll sind und ich meine Songs mit so vielen Menschen teilen kann. Ich habe mit der Musik angefangen, als ich fünf oder sechs Jahre alt war, ich arbeite also schon viele Jahre auf diesen Erfolg hin.

MusikBlog: Du hast als Kind Klavierunterricht erhalten und bist mit klassischer Musik aufgewachsen. Wie sehr beeinflusst dich diese musikalische Erziehung als Produzent elektronischer Musik?

The Avener: Klassik ist so komplex und vielfältig, dass man automatisch zu einem sehr offenen Menschen wird, der gegenüber neuen und ungewöhnlichen Einflüssen sehr aufgeschlossen ist. Das habe ich versucht, zu bewahren, und diese Offenheit hilft mir als Produzent sehr.

MusikBlog: Kannst du dir vorstellen, in Zukunft mal ein Album zu veröffentlichen, bei dem du dich auch als Pianist betätigst?

The Avener: Dieses Album arbeitet ja hauptsächlich mit bereits vorhandenem Material und spiegelt in gewisser Weise mein Leben als DJ wider. Aber beim nächsten Projekt würde ich gerne etwas persönlicher werden und dann eben auch verstärkt mit dem Klavier arbeiten, da es nunmal mein Instrument ist.

MusikBlog: Das Material, das du auf „The Wanderings Of The Avener“ verwendest, ist ja musikalisch sehr vielfältig – einerseits klassischer Blues von John Lee Hooker oder Jazz von Andy Bey, andererseits Alternative-Rock von Mazzy Star sowie aktueller Folkpop von Adam Cohen. Wie wählst du diese Musik aus?

The Avener: Häufig sind das Songs, die ich gerne mag, aber als DJ nicht auflegen kann, weil ihnen die Energie, der Groove oder das Tempo fehlen. Manchmal ist es aber auch nur ein bestimmter Aspekt des Songs, der mich fasziniert und mit dem ich arbeiten möchte – der Gesang, ein bestimmtes Instrument, ein Rhythmus.

MusikBlog: Weißt du sofort beim ersten Hören, dass du einen Song gern bearbeiten würdest?

The Avener: Normalerweise schon. Meistens klingt etwas zwar toll, aber einfach nicht mehr zeitgemäß, passt nicht mehr zu unserer Generation. Dann weiß ich sofort, dass ich gerne  meine Version davon aufnehmen möchte.

MusikBlog: Das klingt, als würdest du privat sehr viel Musik aus den verschiedensten Genres hören und nicht etwa nur Deep-House.

The Avener: Absolut, aber das hängt auch mit meinem Beruf zusammen. Wenn du zehn Jahre als Resident-DJ arbeitest, musst du dich musikalisch öffnen. Ich habe selbstverständlich nicht jeden Abend House aufgelegt. Und so habe ich mir nach und nach all die Genres erschlossen, die von mir verlangt wurden: Folk, Blues, Soul und so weiter. Mittlerweile bin ich auch privat ein sehr eklektischer Hörer.

MusikBlog: So habe ich auch den Albumtitel „The Wanderings Of The Avener“ verstanden – als deine Reise durch verschiedene Genres und Jahrzehnte.

The Avener: Genau, das ist der Hauptgrund für den Titel, wenn auch nicht der einzige. Meine Arbeit als Musiker hat mich auch in viele Länder und zu vielen verschiedenen Kulturen gebracht, insofern bezieht sich „The Wanderings Of The Avener“ auch auf meine tatsächlichen Reisen. Außerdem klingt es gut, das ist für einen Albumtitel schließlich auch wichtig.

MusikBlog: Auch zum Song „Lonely Boy“ passt der Albumtitel – immerhin hat er eine ziemliche Reise zurückgelegt, bis er auf dem Album gelandet ist.

The Avener: Das stimmt. Das Original stammt natürlich von den Black Keys. Bei YouTube hab ich diese Version von dem australischen Sänger Matt Corby entdeckt, die er für einen Radiosänger gesungen hat. Aus Qualitätsgründen haben wir es dann noch einmal aufgenommen. Es ist meine Hommage an die Black Keys, weil ich sie und besonders auch diesen Song wirklich gerne mag.

MusikBlog: Gibt es noch weitere YouTube-Entdeckungen auf dem Album?

The Avener: Ja, auch auf „Fade Into You“ von Mazzy Star bin ich bei YouTube gestoßen. Ich bin zwar mit dem Alternative-Rock und Shoegaze der 90er groß geworden, aber der Song war in Frankreich nicht wirklich erfolgreich.

MusikBlog: Du nennst deine Versionen der Songs ja Reworks und nicht Remixes. Worin liegt für dich der Unterschied?

The Avener: Wenn mich eine Band oder ein Künstler um einen Remix gebeten hat, schickten sie mir die einzelnen Spuren zu, damit ich mit diesen arbeiten konnte. Im Fall der Reworks habe ich aber direkt mit den Songs und nicht mit einzelnen Spuren gearbeitet. Außerdem war mir sehr wichtig, die ursprüngliche Atmosphäre beizubehalten und nicht etwa zu zerstören – also auch auf allzu viele Effekte, Verfremdungen und so weiter zu verzichten.

MusikBlog: Durch diesen Ansatz entsteht bei Songs wie „Fade Out Lines“, „It Serves You Right To Suffer“ oder „To Let Myself Go“ ein interessanter Kontrast zwischen den sehr organischen Sounds der Gitarren und anderer Instrumente und den elektronischen Elementen des Deep-House. Würdest du sagen, dass dieser Kontrast deine Musik ausmacht?

The Avener: Ich möchte in meiner Arbeit immer sehr vielfältig sein und damit auch Kontraste zulassen. Ich war sehr glücklich, als Deep-House in den letzten Jahren ein Comeback in der elektronischen Musik feierte, weil es die Musik war, mit der meine Liebe für Elektro begann. Insofern lag es nahe, diese beiden Stile – also Deep-House und die organischeren Blues und Folk – auf  diesem Album zu vereinen.

MusikBlog: Deine Musik kombiniert ja außerdem sehr geradlinige und tanzbare Beats mit einer ziemlich entspannten Stimmung. Wolltest du mit „The Wanderings Of The Avener“ ein Album schaffen, das man sowohl im Club als auch auf dem Sofa hören kann?

The Avener: Es sollte definitiv kein reines DJ- oder Club-Track-Album werden. Ich selbst höre Musik ja nicht nur im Club, sondern auch im Auto oder beim Relaxen zuhause. Deshalb wollte  ich entspannte Songs mit den Dance-Tracks kombinieren, um ein breiteres Spektrum abzudecken.

MusikBlog: Dein Stil und deine Herangehensweise erinnern ein wenig an den deutschen Produzenten Robin Schulz und ich habe gelesen, dass ihr euch bereits kennen gelernt habt. Gibt es da Pläne für eine Zusammenarbeit?

The Avener: Ja, wir treffen uns tatsächlich in Frankfurt, um eine mögliche Kollaboration zu besprechen. Ich mag Robin, er ist ein lustiger Kerl und ich kann mir gut vorstellen, vielleicht schon im Mai oder Juni mit ihm ins Studio zu gehen. Mal sehen, was daraus wird.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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