Willst du Recht haben oder glücklich sein? – Philip Selway im Interview

Als langjähriges Mitglied einer erfolgreichen Band wie Radiohead fällt es Philip Selway sicherlich nicht leicht, wie so manch anderen Musikern, aus dem Schatten dessen herauszutreten und das Wagnis einer Solokarriere anzutreten. Mit seinem zweiten Album „Weatherhouse“ beweist Selway jedoch auf authentische Art und Weise, dass dies zweifelsohne möglich ist. Wir trafen den herzlichen und aufgeschlossenen Sänger und Songwriter vor seinem Konzert im intimen Frannz Club in Berlin und sprachen mit ihm über die laufende Tour, die Zusammenarbeit mit anderen Musikern und das Problem sich emotional zu öffnen.

MusikBlog: Mit welchem Eindruck bist du von deinem gestrigen Tour-Start in Amsterdam nach Berlin gereist?

Philip Selway: Der Auftakt verlief sehr gut. Das Publikum war sehr aufmerksam und niemand ist mittendrin abgehauen. Ich kann mir eigentlich nicht mehr von einem Abend wünschen. (lacht) Ich habe mich  auch schon sehr darauf gefreut nach Berlin zu kommen. Man kann sich immer so leicht am Fernsehturm orientieren. Das ist für Autofahrer super!

MusikBlog: Hast du dir ernsthaft Sorgen gemacht, dass jemand dein Konzert vorzeitig verlassen könnte?

Philip Selway: Man sorgt sich immer etwas, was das Publikum angeht. Aber ich würde mir wohl nur ernsthaft Gedanken darüber machen, wenn gleich eine ganze Menge Leute gleichzeitig den Club verlassen (lacht). Ansonsten sehe ich solche Momente eher als Ansporn mich noch ein wenig mehr anzustrengen.

MusikBlog: Inwiefern ist diese Tour abseits der riesigen Shows, die du mit Radiohead spielst, eine neue Erfahrung für dich, obwohl du in deiner Karriere schon so viele Orte bereist und eine Menge Eindrücke davon mitgenommen hast?

Philip Selway: Es ist zunächst einmal ein ganz anderes Umfeld, in dem man sich als Solokünstler bewegt. Man spielt natürlich an anderen Orten und in einer unterschiedlichen Größenordnung. Abgesehen davon ist es eine völlig andere Erfahrung für mich, weil ich nicht, wie bei Radiohead hinter dem Schlagzeug sitze, sondern als Sänger vorne auf der Bühne eine ganz andere Position einnehme. Eine weitere Umstellung sind auch die Musiker, mit denen ich gerade auf Tour bin. Zwar war ich auch schon beim ersten Album „Familial“ mit Adem Ilhan und Quinta unterwegs, aber es ist dennoch nicht dasselbe. Genau genommen gibt es schon eine Vielzahl an Elementen, die sich nun im Hinblick auf meine Solo-Tour von dem unterscheiden, was ich sonst mit Radiohead als Teil einer Band erlebe. Andererseits bleibt der Tour-Rhythmus, in den man irgendwann verfällt, doch irgendwie immer sehr ähnlich. Ich muss aber sagen, dass es mir großen Spaß macht auch mit anderen Persönlichkeiten zu touren. Und ich sage das, obwohl ich all die Jahrzehnte mit Radiohead auf Tour mehr als genossen habe und das nach wie vor liebe. Trotzdem ist es schön die Dinge um einen herum ab und zu etwas aufzumischen.

MusikBlog: Was ist für dich besonders reizvoll daran?

Philip Selway: Schon allein aus dem Grund neuen Input für sich selbst aus der Arbeit mit anderen Musikern zu gewinnen. Schließlich will man sich als Mensch und Musiker auch weiterentwickeln und nicht immer nur gewohnten Pfad verfolgen. Ich habe immer noch das Gefühl eine Menge lernen zu müssen. Besonders, was meine Rolle als Sänger und Performer da vorne am Bühnenrand angeht. Bei der Tour zu „Familial“ habe ich zwar einiges für mich persönlich mitgenommen, aber da gibt es sicherlich noch viel mehr zu entdecken. Ich sehe mich noch längst nicht als fertiges Produkt und hoffe sehr, dass ich auch in der Zukunft immer etwas weiter an mir arbeiten kann. Ich kann aber auf jeden Fall sagen, dass ich mich mittlerweile ein ganzes Stück wohler in meiner Rolle als Solo-Künstler fühle.

MusikBlog: Hat sich das auch auf die jetzigen Tour-Vorbereitungen und die Live-Umsetzung der neuen Songs ausgewirkt?

Philip Selway: Ja, ganz sicher sogar. All die Songs auf „Weatherhouse“ sind meiner Ansicht nach wie für die Bühne geschaffen und funktionieren sehr gut im Live-Kontext. Es gab nur einen Song, an dem wir leichte Veränderungen vornehmen mussten, um ihn nach unseren Vorstellungen live zu spielen. Bei den restlichen Stücken war das überhaupt kein Problem und die jetzigen Live-Versionen kommen sehr nahe an das heran, was wir im Studio zusammen aufgenommen haben. Auf „Familial“, hingegen, waren die Songs teilweise ihrer Form nach fast schon filigran und viel akustischer. Da muss man sich für die Live-Umsetzung schon eher Gedanken darüber machen, wie man das alles bühnentauglich arrangiert. Beim ersten Album war es weitaus schwieriger die Songs passend so zu übersetzen, dass sie live in dem gegebenen Rahmen richtig wirken. Mein jetziger Schlagzeuger Chris hat es geschafft genau das zu erreichen. Er ist so ein wahnsinnig guter Musiker. Bei den Proben zur Tour fühlte es sich aufgrund der umarrangierten Stücke manchmal ein wenig so an, als würden wir ein ganz neues Album spielen. Ich genieße es sehr den Platz vorne auf der Bühne einzunehmen und in meinem Rücken diesen vollen Sound in all seinen Facetten auf mich wirken zu lassen.

MusikBlog: Warum ist es für dich neben deiner Arbeit mit Radiohead so essenziell dich auch noch in anderer Form kreativ auszuleben?

Philip Selway: Dieses Gefühl einen neuen Song fertigzustellen ist auch nach all den Jahren als Künstler noch etwas ganz Aussergewöhnliches. Erst recht, wenn man es auf eigene Faust probiert. Es ist eine ganz besondere Form der Begeisterung, der man sich in diesem Moment hingibt. Natürlich nur, wenn man auch von einem Song überzeugt ist (lacht). Für mich ist es auch nach so vielen Aufnahmen im Studio immer noch faszinierend mich als Musiker selbst an einen mir unbekannten Ort zu drängen und dann zu sehen, wie ich mit der Situation klarkomme und auf die Umstände reagiere. Das gilt sowohl für meine Arbeit als Schlagzeuger als auch als Sänger und Songwriter. Sobald ich das Gefühl habe mich ein Stück vorwärts zu bewegen, bin ich künstlerisch gesehen sehr zufrieden. Ich habe das Glück durch meine Solo-Arbeit und das Zusammenspiel mit anderen Musikern wieder etwas Neues für mich mitzunehmen, wenn es mit Radiohead zurück ins Studio geht. Ich mag es mich bewusst dieser Art von Kontrast auszusetzen. Auch in dieser Hinsicht kann ich nur immer wieder betonen, dass auch ich noch eine ganze Menge dazuzulernen habe.

MusikBlog: Wie hat sich dieser Lernprozess im Zusammenhang mit den Musikern gestaltet, die auf „Weatherhouse“ mitgewirkt haben?

Philip Selway: Die Zusammenarbeit mit den Musikern auf „Weatherhouse“ war sehr von einem Gemeinschaftssinn geprägt, der sich durch die Aufnahmen gezogen hat. Dieser ist auch heute noch gegeben, wenn wir zusammen auf Tour sind. Ich kam zwar mit den fertigen Demos für die neuen Songs ins Studio, bei denen die Akkorde, Melodien und teilweise auch die Texte schon vorhanden waren, aber ich habe die Songs dann trotzdem noch mit Adem und Quinta als Trio auseinandergenommen, was sehr viel Spaß gemacht hat. Das hat manchmal zu wahren Überraschungsmomenten geführt. Songs wie „Miles Away“ oder „Drawn To The Light“ sind klanglich doch um einiges anders ausgefallen als es zunächst den Anschein hatte. So etwas kann nur entstehen, wenn man sich mit anderen Musikern austauscht und zusammen an etwas arbeitet. Ich habe es schon immer sehr genossen mit Musikern zusammenzuarbeiten, die eine sehr charakteristische und eigene Stimme als Künstler haben. So war es auch dieses Mal. Es ist spannend die vorhandenen Ebenen dann zusammenzufügen. Ich glaube nur so kann so etwas wie eine richtige Chemie untereinander zustandekommen. Unsere war als Trio auf jeden Fall ziemlich gut.

MusikBlog: Was empfindest du als Solo-Künstler als eine der größten persönlichen Herausforderungen?

Philip Selway: Ich denke, dass man als Musiker einer Reihe von ganz anderen Ansprüchen gerecht werden muss, wenn man sich nicht in einem Band-Umfeld befindet, sondern sein eigenes Ding macht. Schon allein, was die Ansprüche betrifft, die man an sich selbst stellt. Die Fragezeichen, die plötzlich bei meiner Solo-Arbeit in meinem Kopf auftauchen sind sicherlich größer als diejenige, denen ich in einem Bandgefüge begegne. Gerade bei „Familial“ habe ich mich gefragt, wie ich all meine Vorstellungen bloß in die Tat umsetzen könnte. Ich hatte bis dahin zwar eine Ahnung, wie man Alben macht, aber es ist dann doch etwas anderes so ein Unterfangen alleine umzusetzen. Innerhalb dieses Prozesses versucht man so gut es geht Antworten auf die eigenen Fragen zu bekommen, was aber auch zur Folge hat, dass immer neue Fragestellungen vor einem auftauchen. Wichtig ist dabei nur, dass man sich nicht darauf versteift alle Probleme auf einmal lösen zu wollen. Manche Dinge darf man als Musiker auch getrost vertagen oder auf andere Projekte verschieben.

MusikBlog: Wie würdest du den Ort beschreiben, an dem du dich mental befunden hast als die Arbeit am neuen Album konkretere Formen annahm?

Philip Selway: Als ich mich an die Arbeit zu „Weatherhouse gemacht habe, war ich mental gesehen an einem sehr glücklichen Ort. Der erste Song des Albums „Coming Up For Air“ ist gewissermaßen indikativ für meine damalige Verfassung. Ich war vom Kopf her völlig frei. Rein musikalisch konnte ich die Aufnahmen daher sehr gelöst angehen. Beim Schreiben der Texte stürzt man sich dann aber doch in eine viel tiefere Ebene vor, die unter Umständen auch die einen oder anderen Ängste hervorbringt. Ich habe es als sehr angenehm empfunden angesichts dieser positiven Ausgangslage ein neues musikalisches Kapitel für mich aufzuschlagen. Es war als hätte ich einen Anker vor mir liegen, an dem ich mich doch recht vertrauensvoll festhalten konnte. Gleichzeitig hat er mir die Sicherheit gegeben mich weiter vorwärts zu bewegen und einige für mich neue Dinge auszuprobieren. Überhaupt habe ich während der Aufnahmen versucht mein Selbstbewusstsein stabil zu halten und mich darauf einzulassen, dass alles Mögliche passieren könnte. In diesem Zustand habe ich ungefähr ein Jahr lang an dem Album gearbeitet und kann von mir behaupten während dieser Zeit wahrlich glücklich gewesen zu sein.

MusikBlog: Und das, obwohl die verarbeiteten Themen darauf eher nachdenklich stimmen.

Philip Selway: Ich empfinde es generell als einfacher schmerzhafte Erfahrungen in meinen Songs zu verarbeiten, aber vielleicht zeigt das auch nur, dass ich etwas faul bin, was mein Songwriting angeht. Genau genommen sollte es viel schwieriger sein sich in einem Song so emotional an einen dunkleren Ort treiben zu lassen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass er auch noch von anderen Menschen gehört und vielleicht auseinandergenommen wird. Für mich birgt diese seelische Verfassung aber viel mehr Reize in sich. Jedes Mal, wenn ich einen fröhlicheren Song geschrieben habe, hatte ich hinterher den Eindruck, dass ich wie ein Depp dastehe, der wie ein Angeber sein eigenes Glück vor der Nase eines anderen feiert. Ich kann mir einfach schlecht vorstellen, dass der Rezipient besonders viel von einem Song für sich mitnimmt, wenn dieser diese Eigenschaften besitzt. Allein vom Gemütszustand her haben solche Songs einfach zu wenig zu bieten und ich habe den Eindruck meinen Hörern kaum etwas zu vermitteln. Die Alternative? Ich möchte lieber Musik machen, bei der sich Menschen miserabel fühlen (lacht).

MusikBlog: Du hast als Musiker schon so vieles erreicht. Wie sieht deine persönliche Definition von Glück heute aus?

Philip Selway: Glück bedeutet für mich mich wohl in meiner Haut zu fühlen. Zum jetzigen Zeitpunkt in meiner Karriere vor allem als Sänger Selbstbewusstsein auszustrahlen. Persönlich gesehen verbinde ich Glück damit rücksichtsvoll und aufmerksam mit den Menschen in meiner Umgebung umzugehen und meine Beziehungen zu diesen Personen bewusst mit Fürsorge und Einfühlungsvermögen anzugehen, sei es die Familie, enge Freunde oder Leute in meinem Arbeitsumfeld. Mittlerweile komme ich immer mehr an den Punkt in meinem Leben, an dem es mir sehr wichtig ist zuversichtlich zu sein und vielleicht nicht mehr jeden Kompromiss einzugehen. Es gibt auch da klare Linien, die man irgendwann zu seinem eigenen Wohl für sich ziehen sollte. Wenn man nach all diesen eben genannten Dingen strebt und nahe genug an sie herankommt, dann ist man dem Glück meiner Meinung schon sehr nahe.

MusikBlog: Gibt es dennoch Dinge gegen die du weiterhin ankämpfen musst?

Philip Selway: Das Leben wirft einem ständig Hindernisse in den Weg. Dagegen ist man auch als Künstler nicht immun. Daher bin ich absolut davon überzeugt, dass sich diese Form des Kampfes, den man unter Umständen mit sich oder seiner Umgebung austrägt, in jedem Fall auf das eigene Schaffen und die Kreativität auswirkt. Für mich kann nur etwas Bedeutungsvolles entstehen, wenn man als Person mit weniger schönen Dingen konfrontiert wird, die einen dazu zwingen sich aufgrund der jeweiligen Situation weiterzuentwickeln. Gegen etwas in seinem Inneren anzugehen, erfordert viel Mut und bringt einen menschlich und auch künstlerisch gesehen dazu über sich hinauszuwachsen. Wenn du dich dieser Herausforderung nicht stellst oder gar Angst davor hast hinter den Vorhang zu blicken, dann wirst du irgendwann zum Stillstand kommen. Wenn du Künstler bist, kommt am Ende vielleicht trotz dieser Scheu etwas Gutes dabei heraus, aber ich glaube der wirkliche Funke geht dabei verloren und du verwehrst dir und anderen einen Blick auf deine wahre Seele und das, was in dir steckt.

MusikBlog: Inwiefern war die Arbeit an „Weatherhouse“ ein technischer bzw. emotional geprägter Prozess für dich?

Philip Selway: Was den rein technischen Aspekt von „Weatherhouse“ angeht, verlief die Arbeit sehr entspannt. Einfach aus dem Grund, weil Adem mit all seinem Wissen und seiner Erfahrung sehr dazu beigetragen hat, dass ein Grundvertrauen herrschte, was die neuen Songs und ihre technische Umsetzung anging. Für mich gab es nur zwei Dinge, die ich während all der Zeit als knifflig einstufen würde. Zum einen war das mein Gesang, bei dem ich vor die Herausforderung gestellt wurde über all den fertigen Arrangements zu singen. Im Gegensatz zu „Familial“ hatte ich dieses Mal mit ganz andere Schwierigkeiten und einem doch sehr verschiedenen Klangmuster zu kämpfen. Auf „Familial“ waren die Arrangements viel simpler gehalten, also musste ich mich stimmlich weiter aus dem Fenster lehnen. Zum Anderen lag für mich eine weitere Schwierigkeit im Schreiben der Songtexte, bei denen ich mich ebenfalls wie bei den Arrangements weiterentwickeln musste. Das führte dazu, dass ich textlich fast schon instinktiv auf die vor mir liegende Musik reagierte. Natürlich gehört zum Schreiben der Texte viel Kopfarbeit, aber im Ansatz war es eher eine natürliche Reaktion auf die komplexeren Songideen. Es braucht eine Vielzahl an Versuchen bis man textlich dahin gelangt, was den Kern der eigenen Emotionen widerspiegelt.

MusikBlog: Kannst du mittlerweile ganz unverfroren einen Blick auf deinen seelischen Kern werfen?

Philip Selway: Zurückblickend ist es mir nicht immer einfach gefallen meinen Emotionen auch verbal Ausdruck zu verschaffen. Das hat vielleicht etwas mit meiner Kindheit zu tun. Immerhin war ich auf einer reinen Jungenschule. Dort wurde schon darauf geachtet, dass man seine Gefühle im Zaum behält, selbst wenn man sie am liebsten unmittelbar hinausgelassen hätte. Dennoch bleibt wohl bei jedem etwas aus seiner Kindheit zurück, dem man sich selbst als Erwachsener nicht entziehen kann. Ich würde mich dahingehend nicht ausschließen und denke, dass hier und da immer noch ein winziger Teil von dieser Erziehung tief drinnen in mir steckt, was mich ab und zu vielleicht ein wenig hemmt mit meinen Gefühlen ganz ungezwungen umzugehen. Wenn ich mich unsicher fühle, dann versuche ich im Allgemeinen schnell einen Deckel zu finden, mit dem ich das Darunterliegende unsichtbar machen kann. Das ist aber zum Glück nur ein Teil meines Bewältigungsmechanismus, der unmittelbar auftritt. In solchen Momenten erkenne ich schnell, dass das nicht die Lösung des Problems ist und es kein guter Weg ist. Je älter ich werde, umso mehr erkenne ich, dass gerade die Musik und auch das Schreiben von Texten ihrer Form nach so zentral sind, wie die Beziehungen, die man in seinem Leben führt. Sowohl die Musik als auch das Leben an sich basieren darauf, dass man sich das nötige Vertrauen aneignet seine Emotionen artikulieren zu können. Es nützt nichts sich ständig dahinter zu verstecken.

MusikBlog: Was verbindest du heute noch mit deiner Schulzeit, wenn du daran zurückdenkst?

Philip Selway: Ich hatte eine wirklich sehr glückliche Kindheit und kann mich glücklich schätzen, was das angeht. Meine Schulzeit war im Großen und Ganzen okay, aber mit ungefähr dreizehn erreichte ich dann eine Phase, in der ich die Schule als weniger angenehm empfand. Das änderte sich auch nicht mehr bis ich mit achtzehn die Schule verließ. Man sollte meinen, dass diese Zeit längst vergessen sein müsste, denn ich bin jetzt siebenundvierzig Jahre alt, aber genau diese Zeit ist so prägend für den Charakter eines Menschen, so dass auch heute noch vieles davon übrig geblieben ist, wenn ich auf mich selbst schaue. Allein aus diesem Grund fühle ich mich als Person noch nicht als fertig, weil ich genau weiss, dass einige von den Dingen, die ich schon so lange mit mir herumtrage, nicht dem entsprechen, was ich heute fühle. Man kämpft wohl immer etwas ein wenig gegen sein altes Ich an, egal wie alt man wird. Dabei ist es aber gut sich das bewusst zu machen, denn nur so kann man überhaupt nach vorne schauen. Und das tue ich jeden Tag so gut es geht.

MusikBlog: Gibt es eine Lebensweisheit, die dich dabei begleitet?

Philip Selway: Ja, ich habe einmal eine ganz gute Weisheit gehört, die lautet: „Willst du Recht haben oder glücklich sein?“. Daran versuche ich mich zu orientieren.

MusikBlog: Welches Schlagzeuger-Klischee trifft deiner Meinung nach am ehesten auf dich zu, welches entspricht überhaupt nicht deiner Natur?

Philip Selway: All die Schlagzeuger, die ich in meinem Leben getroffen habe, waren ausnahmslos gute Menschen. Man ist auf dieser Position in einer Band so eine Art Vermittler und im Zentrum, was den Rhythmus angeht. Das färbt in vielen Fällen auch ein wenig auf den Charakter ab. Man hat als Schlagzeuger die Verantwortung sehr genau zuhören zu müssen und es am Ende hinzubekommen, dass ein richtiges Zusammenspiel stattfindet. Genau diesen Aspekt findet man oftmals auch auf sozialer Ebene wieder, was sehr interessant ist. Keine Ahnung, ob das auch noch für mich gilt, denn ich versuche mich ja gerade als Solo-Künstler (lacht). Was die negativen Klischees von Schlagzeugern angeht, kann ich zumindest von mir behaupten in meinem Leben noch niemals ein Hotelzimmer zerlegt zu haben (lacht). Eigentlich kenne ich auch kaum welche, die das jemals gemacht haben.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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