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Kraftklub – Live in der Arena, Leipzig

Bereits zum vierten Mal seit dem Erscheinen ihrer letzten Platte machte das Chemnitzer Export-Wunder Kraftklub in Leipzig Station. Dem Auftritt im Täubchenthal während der „Konvoi in Schwarz“-Schnitzeljagd folgte neben einem WG-Gig das ausverkaufte Konzert im Conne-Island. Am Donnerstag war die Arena der Veranstaltungsort, „Unsere Fans“ erschienen reichlich und 8.000 Menschen sorgten dafür, dass der wohl seelenloseste Veranstaltungsort der Stadt zu zwei Dritteln gefüllt war.

Der Support Wanda aus Wien huldigte während seines Sets wie auf dem letztjährigen Debut „Amore“ ausgiebig der Liebe, geriet angesichts der fiebrigen Erwartung des Haupt-Acts etwas unter Wert zur Nebensache. Bereits bei Wandas Auftritt macht sich die lausige Turnhallen-Akustik der Arena bemerkbar, welche der verehrte Udo Jürgens im November letzten Jahres nicht zum ersten Mal bemängelte. Der euphorisierten Menge macht das überhaupt nichts aus, die drängt sich im Pulk vor der Bühne, was auch zweckmäßig war, entfernt man sich ein Stück von dieser wird ein Manko von Mehrzweck-Hallen Konzerte deutlich: man sieht die Künstler etwa so groß wie ein Fußball-Torwart seinen Gegenüber.

Dann der verdeckte Umbau, die Spannung vor der Bühne kann man inzwischen greifen. Endlich setzt das Intro ein, „Back In Black“ von AC/DC wummert aus den Boxen, der schwarze Vorhang fällt und Kraftklub in schwarzen Blousons, schwarzen Polo-Shirts und roten Hosenträger, ballern mit „Für Immer“ los, als ob es kein Morgen gibt. Für den Mosh gibt es kein Halten mehr, die ersten T-Shirts sind klatschnass von Schweiß und Bier, bald ziehen die ersten Zuschauer blank und der Aufenthalt in den vorderen Reihen wird aufgrund des eskalierenden Pogo-Wettbewerbs für weibliche Zuschauer zunehmend gefährlich. Beim vierten Stück „Mein Leben“ werden die ersten Opfer des wilden Treibens von der Security geborgen. Sänger Felix Brummer steht derweil die meiste Zeit auf der Monitor-Box und animiert die Masse zum Feiern, bedauert die Sitzkarten-Inhaber auf den Rängen, mahnt aber auch zu gegenseitiger Rücksichtnahme vor der Stage.

Die Chemnitzer ziehen alle Rock Register, ihre Musik hat Ecken und Kanten und ist von Mainstream-Anbiederung mindestens genauso weit entfernt wie die Musiker von Star-Allüren, Hit auf Hit knallt aus den Lautsprechern, aber die Band beherrscht auch leisere Zwischentöne: im Gentrifizierungs-Protest-Song „Meine Stadt Ist Zu Laut“ wird die sich tumor-artig ausbreitende Mittelschicht in gewachsenen Stadtvierteln besungen, ohne dass es dabei musikalisch auf die zwölf gibt. Der textsichere, revolutionäre Nachwuchs hat das bis zu seiner Volljährigkeit hoffentlich nicht vergessen und bekommt eine Überraschung geliefert. Während „Ich geh nicht nach Berlin“ entern die 3 Rapper von K.I.Z. die Bühne und fügen ihr „Verpisst Euch aus Berlin“ dazu, um anschließend noch den Hit „Urlaub fürs Gehirn“ zu performen.

Nach einer guten Stunde treten die Jungs ab, um fünf Minuten später in der Mitte der Halle auf einer Bühne von der Größe einer Zimmertür wieder aufzutauchen. Während der kurzen Verwirrung (Sound von vorn, Band im Rücken) erklärt Felix die Leipziger Eisenbahnstraße zur gefährlichsten Straße der Welt (der Beitrag über zum Stadtteil gehörenden Boulevard wurde bereits aus der Tagesthemen-Mediathek gelöscht), gründet die Arena-Boyz und zählt „Meine Gang“ an. Der Abend steuert jetzt auf einen weiteren Siedepunkt zu, dem Wett-Stage-Diven. Dabei werden die Herren per Crowd-Surfing von ihren glücklichen Fans zurück zur Mainstage gereicht, der Frontmann gewinnt, bekommt seinen Blumenstrauß und weiter geht`s. Es fallen „Schüsse in Die Luft“ und als Highlight „Songs für Liam“, in dem die inzwischen völlig außer Rand und Band geratenen Zuschauer zur Melodie von„Hey Jude“ getrennt nach Geschlechtern oder miteinander singen. Wenn gegen Ende des Stückes Konfetti-Kanonen knallen, kommt man sich dann vor wie auf der Sieges-Feier des Super-Bowl.

Noch einmal kommen die fünf zurück, zündend die Fackel für die charmante Hommage an ihre Provinz-Wurzeln in „Karl-Marx-Stadt“, um mit „Scheissindiedisco“ den Auftritt zu beenden. Während die meisten der Besucher mit dem Eindruck eines großen Abends (das Konzert war eines von den beiden, an denen die Tour-DVD aufgezeichnet wurde), den Kraftklub mit unverbrauchter Frische, Esprit und inzwischen auch einer gehörigen Kelle Professionalität geliefert haben, die Halle verlassen, flimmert über die Arena-TV Monitore am Ausgang ein Helene Fischer Spot. So nah liegen Schwarz und Weiß manchmal beieinander.

P.S.: Die im Takt springenden Fans lösten während des Konzertes einen Feuerwehreinsatz im benachbarten Wohnviertel aus, weil dessen Bewohner ein Erdbeben vermuteten. Es gab Risse in den Tapeten. Auweia!

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