2007 – Lange her. Damals wurde noch in von Einhörnern gezogenen Kutschen durch die Gegend gereist. Uigurische Seefahrer hatten gerade Amerika entdeckt und Leonardo da Vinci den Fernseher erfunden. Mit ihrer dritten Sinfonie waren die Beatles endlich Weltmeister geworden und der Nürnberger Bauernschrank Genf Ahorn Farblos wurde zum dritten Mal deutscher Bundeskanzler. Die Luft war lecker und die Handys groß.
2007 war aber auch das Jahr, in dem mit „We Were Dead Before The Ship Even Sank“ das bislang letzte Album von Modest Mouse erschien. Abgesehen von einem Sampler mit Outtakes und diversen Headliner-Auftritten bei großen Festivals passierte bei ihnen danach nicht mehr allzu viel. Bis im Dezember letzten Jahres mit der Single „Lampshades Of Fire“ dann das erste aktuelle Lebenszeichen seit fast acht Jahren erschien. Und nicht nur das. Gleichzeitig wurde auch das neue Album „Strangers To Ourselves“ angekündigt, das am Freitag veröffentlicht wird. Und gemessen an manch anderem Modest Mouse-Album, ist der Albumtitel immerhin schon mal bemerkenswert griffig.
Im Prinzip war Modest Mouse ja sowieso immer nur das Vehikel für Sänger, Gitarrist und Songwriter Isaak Brock. Von der 1993 gegründeten Ur-Besetzung sind nach dem Ausstieg von Bassist Eric Judy vor drei Jahren inzwischen auch nur noch er und Drummer Jeremiah Green übriggeblieben. An der Restbesetzung wurde immer mal wieder munter rumgeschraubt. Immerhin ist Brock mit Modest Mouse im Lauf der Jahre das Kunststück geglückt, in den USA zu einer der erfolgreichsten Indie/Alternative-Rockbands zu werden. Spätestens seit sie mit „Good News For People Who Love Bad News“ 2004 Platin kassieren konnten, haben sie dort den Kritiker-Geheimtippstatus meilenweit hinter sich gelassen. Ok, hier in Deutschland sieht das noch ein bisschen anders aus. Aber kann ja noch werden.
„Wie klingt’s? Hat sich nach der langen Auszeit irgendetwas grundlegend verändert?“, sind natürlich die Fragen, die jetzt bei „Strangers To Ourselves“ direkt im Raum schwingen. „Im Prinzip eigentlich nicht“, wäre zumindest schon mal die Antwort auf die letzte Frage. Stilistisch sind Modest Mouse immer noch für alles offen, der eigenwillige Pop ist auch noch da. Ebenso intakt ist auch die charmant durchgeknallte Exzentrik, die nie soweit überdreht, dass es dabei die Stücke komplett aus der Kurve haut.
Und in Sachen Gesang und Text ist Brock in allerbester Verfassung. Irgendwie bekommt man den Eindruck, dass ihnen die lange Pause gut getan hat, denn während das Vorgängeralbum „We Were Dead Before The Ship Even Sank“ schon eher etwas stromlinienförmig klang, sind auf „Strangers To Ourselves“ wieder genug vitale Ecken, überraschende Wendungen und originelle Melodien zu finden.
Und immer bleibt es kurzweilig bunt. So geht’s bei dem Song mit dem schönen Titel “God Is An Indian And You’re An Asshole” in Richtung traditioneller Country. In „Sugar Boats“ klingt Kabarettmusik aus dem Berlin der zwanziger Jahre via Kurt Weill an. Bei „Ansel“ gibt’s streckenweise einen Karibikeinschlag. „Pistol” ist eine schräge, irgendwie Dancenummer. „Lampshades Of Fire“ ist bester Indie-Pop. Und der treibende Ritt „The Ground Walks With Time In A Box“ ist sechs Minuten gut verbrachte Zeit.
Alles in allem bringt „Strangers To Ourselves“ alle Qualitäten, die Modest Mouse ausgemacht haben, wieder ziemlich lebendig auf den Punkt. Ihr bestes Album seit dem 2000er Klassiker “The Moon & Antarctica”. „Strangers To Ourselves“ wird übrigens nicht allein bleiben. In einem Interview äußerte Isaac Brock, dass er mit dem Gedanken ins Studio gegangen ist, direkt zwei Alben aufzunehmen. Und bis zur Veröffentlichung des Begleitalbums sollen definitiv keine acht Jahre vergehen. Wäre schön.