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Ferris MC – Glück ohne Scherben

Wahre Ewigkeiten scheint es her, seit Ferris MC die letzte Solo-Arbeit veröffentlichte. 2006 gab es ein Best-Of Album, der letzte reguläre Longplayer erblickte bereits 2 Jahre früher das Licht der Welt. Im Anschluss tourte er mit dem House-Projekt Maniax durch den deutschsprachigen Raum, unternahm weitere Ausflüge zum Film, bevor 2008 der Einstieg beim Anarchie und Chaos Ensemble Deichkind erfolgte. Als Ferris Hilton ist er dort seitdem schwer beschäftigt, was seine Bandkollegen auch stolz auf „Niveau, Weshalb, Warum“ fragen ließ: „Wir haben Ferris, und was habt ihr?“.

Dabei lief die Musiker Karriere des Sascha Reimann alles andere als gereimt. Nachdem er Anfang der Neunziger Gründungsmitglied der Freaks Association Bremen (F.A.B.) war und deren Longplayer „Freaks LP“ für Aufsehen sorgte, stoppte die Trennung der Band sowie private und künstlerische Durchhänger den Rapper. Erst nach seinem Umzug nach Hamburg und der Kontakt zu DJ Stylewarz und Tobitob von Fünf Sterne deluxe ließ ihn wieder Fahrt aufnehmen, 1999 schließlich zusammen mit Afrob der Hit „Reimemonster“, im gleichen Jahr sein Debüt „Asimetrie“, welches zusammen mit den folgenden drei Alben flugs einen Stammplatz in der Freak-Ecke bescherte.

Direkt unwohl fühlte er sich da nicht, basierend auf dem zunehmendem Lebensalter und der Erkenntnis, sich seinem Publikum zunehmend entwachsen zu fühlen, folgt jetzt eine Richtungskorrektur. In einem zeitintensiven Entwicklungsprozess ist ihm mit dem neuen Management in Person von Oliver Frank und seinem Produzenten Swen Meyer (Kettcar, Tomte) ein Album entstanden, welches eine neue Schaffensphase einläuten soll. „Brachial-Pop“ nennt der Rapper, der sich inzwischen auch als Songwriter sieht, sein Produkt. Raus wollte er aus dem musikalischen Korsett von Deichkind, dabei hätte sich das im Vorfeld veröffentlichte „All Die Schönen Dinge“ mit seiner Elektro-Lastigkeit nahtlos auf deren letzte Platte einfügen können.

„Roter Teppich“ steht dann schon eher für einen neuen Sound, wenn auch die Kombination aus klassischen Hip-Hop Beats und Säge-Gitarren weniger an die Riffs von den Beastie Boys, auf die sich Ferris MC schon mal bezieht, erinnern. Dafür klingt es mehr nach dem, was Casper in den letzten Jahren erfolgreich in der Musiklandschaft etabliert hat, inklusive der dazugehören Video-Ästhetik. In diesem Song ist er mit seiner Wutrede auf alle Schein-Promis, die zum scheinbar unverzichtbaren Bestandteil unserer Brot und Spiele Kultur geworden sind, in seinem Element und thematisch mit seinen Anliegen in der Gegenwart angekommen.

Eine Kerbe, in die auch das konsumverachtende „Wenn Du Hast“ schlägt. Im Verlauf können sich die Aufnahmen jedoch nicht recht für eine Richtung entscheiden, immer wenn das Album an Fahrt aufnimmt, bremst es sich selber aus, wird aus dem angekündigten „Brachial-Pop“ ein (nicht unangenehmes) Potpourri gängiger Sounds.

Über weite Strecken der Platte schüttelt Ferris die hohe Schule der Reimkultur aus dem Ärmel und selbst wenn er dabei zwischenzeitlich in ungewohnt seichte Gewässer gerät, entfalten seine doppelt doppelbödigen Texte gern erst beim zweiten Hören ihre volle Wirkung. Etwa, wenn „Kater“ via kuscheliges Haustier den Brummschädel nach einem ausgiebigen Umtrunk beschreibt. Das gemeinsam mit Eko Fresh performte „Kill Kill Kill“ rechnet mit der Schnelllebigkeit der gegenwärtigen Rapper-Generation ab, eine Kritik, die die Angesprochenen sicher bei nächster Gelegenheit zum Anlass nehmen werden, Ferris MC  der Trittbrettfahrerei ihres Erfolges  zu bezichtigen.

“Scherben Ohne Glück” ist die solide Platte eines gereiften Könners, auf der man sich aber trotz redlicher Anti-Attitüde einen Zacken mehr Aggressivität gewünscht hätte.

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