Es gibt Musiker, die anscheinend über jedes Stück Musik, das sie in die Welt schicken, erst mal eine längere Weile brüten müssen. Dann gibt es Musiker, bei denen die impulsive Produktivität und ungebremste Neugier die Frequenz ihrer Veröffentlichungen bestimmen. Bei ihnen entsteht so im Lauf der Zeit ein unüberschaubarer Kosmos von Alben, der – wenn man sich darauf einlässt – immer für eine spannende Reise in eine eigenwillige Musikwelt gut sein kann.

Jim O‘ Rourke gehört zu dieser Sorte. Sein erstes Album hatte der 46-jährige 1989 veröffentlicht. Will man ihm nach inzwischen 26 Jahren durch seine Platten folgen, so führt einen der Weg durch einen Dschungel von Noise, Avantgarde, experimentellem Rock, Drone, Free Form, Post Rock, Ambient, Elektronik, Americana, Pop, Indie-Rock und einige andere angrenzende Ortschaften. Ganz nebenbei war er übrigens auch noch als Produzent tätig und drehte ein paar Kurzfilme. Langeweile scheint er wohl nie gekannt zu haben.

Mit „Simple Songs“ geht es für ihn diesmal wieder in Richtung straighter Indie-Pop/-Rock. Das Album ist sein … äh, ächz… schwer zu sagen, wievieltes Album, denn entsprechend seiner immer wieder überraschenden Stilexkursionen ist O’Rourke’s Discografie eine recht krause Sammlung von Kollaborationen, Soundtracks, Drone-, Noise-, Elektronikexerimenten und was im Lauf der Jahre sonst noch so passiert ist. Wer Spaß daran hat, möge selber mal nachsehen.

Für seinen eher konventionellen Singer/Songwriteransatz standen bislang die zu Recht mit viel Ruhm bedachten Platten „Eureka“ (1999) und „Insignificance“ (2001). „Simple Songs“ ergänzt diese Alben jetzt zur Trilogie. Ganz so simpel sind die acht Songs auf dem Album allerdings auch wiederum nicht.

Klar, das Album erschließt sich direkt ohne Probleme und hat einen schon beim ersten Hören auf seiner Seite. Aber auch wenn die Songs im Vergleich zu seinen anderen Entdeckungsfahrten in ihrer Hörbarkeit eher einfacher und konventioneller sein mögen, die tüfteligen Arrangements und die Produktion des Albums sind es definitiv nicht.

Jim O’Rourke folgt auf dem Album einer üppig ausgestalteten Vision von Popmusik, die ihre Inspiration nicht selten auch aus dem Prog-Rock und dem Pop der Siebziger bezieht, inklusive Streichern und Bläsern. In einem Interview zum Album nennt er übrigens Genesis und im Besonderen ihr Album „The Lamb Lies Down On Broadway“ als einen seiner dauerhaftesten Einflüsse. Genauso wie den amerikanischen Pop-Exzentriker Van Dyke Parks.

Aber auch darüber hinaus ist Jim O‘ Rourke natürlich ein mit wirklich allen Wassern gewaschener Musiker, der die Pop/Rockgeschichte in und auswendig kennt. Immer wieder zieht er auf „Simple Songs“ unerwartete Wendungen aus dem Ärmel. Seien es die rhythmisch vertrackten Schlenker in „That Weekend“, das strange Ende des irgendwie seltsam nach Randy Newman klingenden „Half Life Crisis“ oder die Steigerung in „Hotel Blue“. „All Your Love“ wartet mit einem hymnisch, fettem Finale auf, bei dem der Drummer garantiert auch eine Menge Spaß hatte.

Nur ein paar Beispiele aus einer ziemlichen Fülle. Dass er es auch in ziemlich reduzierter Form drauf hat, zeigt Jim O’Rourke mit „These Hands“. Nur Stimme, Akustikgitarre und Pedal-Steelgitarre reichen hier aus, um den Song atmosphärisch in Szene zu setzen.

„Simple Songs“ ist ein tolles und absolut gelungenes Album. Ein weiterer Beleg dafür, dass Jim O‘ Rourke momentan zu den vielseitigsten und eigenwilligsten Musikern gehört. Mal sehen, auf welchen Planeten es ihn bei seinem nächsten Album verschlägt.

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