“Fähige und vielseitige Sängerin gesucht. Schickt mir eure Demos.“, lautete die Annonce, auf die Francesca Belmonte vor über sechs Jahren antwortete. Als sie die Unterschrift sah, mit der dann die Einladung zum Vorsingen unterschrieben war, haute es sie schon relativ aus den Schuhen: Adrian Thaws aka Tricky.
Sie bekam den Job. Sang auf drei Alben des eigenwilligen Trip-Hop-Pioniers und tourte mit ihm rund um den Globus. Sie folgte damit Martina Topley-Bird und Costanza Francavilla, die schon auf früheren Platten für den weiblichen Gegen- bzw. Ergänzungspart zu Trickys markanter Stimme gesorgt hatten.
Mit „Anima“ veröffentlichte sie jetzt ihr erstes Solo-Album. Produziert von Tricky. Natürlich lässt sich im Sound des Albums seine Handschrift raushören. Aber mit „Anima“ zeigt Francesca Belmonte, dass sie definitiv nicht einfach nur eine weibliche Version seiner Musik zu bieten hat. Denn die unterkühlt-sinnliche Atmosphäre ihrer Songs und ihre Stimme lassen deutlich ein vielseitiges und recht eigenständiges Profil erkennen.
Und das kommt nicht von ungefähr. Eigene Songs schreibt sie immerhin schon, seitdem sie ein Kind war. Denn die Tochter einer irischen Mutter und eines italienischen Vaters wuchs in einer kunstsinnigen Familie auf, in der Musik und Literatur eine ziemlich große Rolle spielten. Wir sprachen mit ihr über das Album, Kreativität, Vorbilder wie Patti Smith und Nina Simone, natürlich über Tricky und ein paar andere nette Sachen.
MusikBlog: Es dürfte eine spannende Sache sein, nach so vielen Jahren als „Sidekick“ von Tricky jetzt selbst im Mittelpunkt zu stehen und eine Solo-Karriere zu beginnen. Abgesehen von der musikalischen Identität, die man dafür finden muss, wie wichtig ist es für Dich, dabei eine Rolle oder ein Image zu kreieren, mit dem Du deine Musik präsentierst?
Francesca Belmonte: Ich denke, das wird sich schon von selbst finden. Ehrlich gesagt, darüber, eine Rolle oder ein Image zu finden, habe ich bislang nicht bewusst nachgedacht. Ich hoffe jedenfalls, dass ich authentisch und mir selber treu bleibe. Ich war in den letzten sechs Jahren Trickys Sängerin. Das war meine Rolle. Und jetzt hoffe ich darauf, dass meine Solo-Aktivitäten von den Leuten gut aufgenommen werden. Alles Weitere wird sich schon entwickeln.
MusikBlog: Tricky ist ein Musiker, der schon immer seinen ganz eigenen Kurs verfolgt hat. Du hast auf seinen Platten nicht nur einfach Deinen Part eingesungen, sondern hast bei der Entstehung der Songs auch immer aktiv mit ihm zusammengearbeitet. Ich kann mir vorstellen, dass das über sechs Jahre seine Spuren hinterlässt und man dabei von einem so erfahrenen Musiker wie ihm viel gelernt hat. Ist „Anima“ jetzt so etwas wie Deine Abschlussarbeit an der Tricky-Akademie?
Francesca Belmonte: (lacht) Ich glaube, wir haben beide viel voneinander gelernt. Wir sind im Laufe der Jahre ziemlich zusammengewachsen. Ich hatte durch ihn die Chance, mit ihm vor großem Publikum aufzutreten. Er ist eine Legende und ein Künstler, für den ich schon lange großen Respekt habe. Ohne ihn würde ich jetzt wahrscheinlich nicht so direkt im Mittelpunkt stehen. Andererseits hat er, glaube ich, auch viel von mir gelernt. Nicht unbedingt im Musikbereich. Sondern über das Leben, das Dasein und darüber, ein Mensch zu sein. Aber ich kann definitiv sagen, ich habe von dem besten gelernt (lacht). Und wenn Du mit Tricky arbeiten kannst, mit ihm klar kommst und mit ihm kreativ sein kannst, dann kannst Du eigentlich auch mit jedem arbeiten (lacht).
MusikBlog: Du schreibst schon lange eigene Songs. Wie groß war sein Einfluss auf die Stücke bei der Produktion des Albums?
Francesca Belmonte: Als Producer des Albums hatte er natürlich schon einen großen Einfluss. Es ist aber eigentlich auch kaum möglich, nicht von ihm beeinflusst zu sein, wenn man so lange mit ihm zusammengearbeitet hat. Die letzten sechs Jahre habe ich mein Leben schon ziemlich auf ihn ausgerichtet. Er kam immer an erster Stelle. Sei es im persönlichen Bereich oder im professionellen.
MusikBlog: Aber wie hat sich das konkret auf die Gestaltung der Stücke ausgewirkt? Wie sah eure Zusammenarbeit dabei aus?
Francesca Belmonte: Es war schon recht unterschiedlich. Manchmal kam ich ins Studio und er hatte das Gerüst für einen Beat. Ich habe dann über passende Melodien nachgedacht. Und dann haben wir diese Sachen zusammengefügt. Andere Stücke, wie zum Beispiel „Stole“ waren von meiner Seite aus schon recht fertig. Er hat sie dann auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt. Unsere Arbeitsmethoden waren da schon sehr unterschiedlich. Aber es war sehr interessant. Es war eine wirklich gute Zusammenarbeit. Selbst als wir auf Tour waren, haben wir unterwegs zusammen an den Stücken gearbeitet.
MusikBlog: Die Songs auf „Anima“ haben oft auch eine eher dunkle, melancholische Atmosphäre. Spiegelt das auch relativ ungefiltert Deinen Charakter wieder?
Francesca Belmonte: Von Haus aus bin ich eigentlich ein sehr positiver Mensch. Aber ich bin auch recht eigensinnig. Tatsache ist nun mal, dass wir in einer recht traurigen Welt voller Ungerechtigkeiten leben. Ich denke nie bewusst darüber nach, einen melancholischen Song zu schreiben. Sie kommen so aus mir raus. Aber melancholische Musik zieht mich generell schon an. Jeder leidet auf die eine oder andere Weise. Und wenn man schon die Möglichkeit hat, Leute zu erreichen, halte ich es wirklich für wichtig, die Hand nach ihnen auszustrecken. Denn das ist alles was wir für uns tun können. Dass wir versuchen, uns aneinander anzunähern. Ich weiß, dass klingt ziemlich hippiemäßig. Aber ich glaube wirklich daran. Wir müssen lernen, ein wenig Mitgefühl füreinander zu bekommen. Und in meinen Songs sage ich „Cool! Ich bin auch nicht anders als Du!“ (lacht)
MusikBlog: „Anima“ hat schon einen durchgängigen einheitlichen Sound. Aber der Stil der einzelnen Stücke ist in sich schon sehr vielseitig. Ging es Dir dabei darum, Deine ganze Bandbreite aufzuzeigen?
Francesca Belmonte: Was den Stil der Stücke angeht, ist es schon ein wenig bunt gemischt. Aber ich mag das. Ich fühle mich selbst oft im Leben etwas zusammengewürfelt (lacht). Ehrlich gesagt, ist es cool, ein Album gemacht zu haben, welches das so wiederspiegelt. Aber ich kann eben alles ausprobieren. Es gibt auf „Anima“ Blues, Pop, R’n’B, Hip-Hop und Trip-Hop. Ich bin wirklich glücklich darüber, wie es geworden ist.
MusikBlog: Ist Dein eigener Musikgeschmack genauso vielfältig und offen für die unterschiedlichsten Stilrichtungen?
Francesca Belmonte: Ich höre von Nina Simone bis Punk oder Klassik eigentlich alles. Tricky hat mir Hip-Hop näher gebracht. Ich höre auch viel Drum ‚n‘ Bass und Jungle. Was das Hören angeht, war ich schon immer sehr vielseitig interessiert. Tricky hat meinen Musikgeschmack noch weiter geöffnet, ich höre wirklich die unterschiedlichsten Sachen.
MusikBlog: Du hast eben Nina Simone erwähnt. Ich habe gelesen, dass Du auch eine große Bewunderin von Patti Smith bist.
Francesca Belmonte: Ich liebe sie. Ich liebe Worte und Patti Smith schreibt großartige Gedichte und Texte. Sie ist eine echte Punkrockerin, die wirklich etwas zu sagen hat. Und sie ist sehr positiv eingestellt. Sie hat Courage, ist mutig und hart im Nehmen. Man kann es ihrer Musik anhören, dass sie in ihrem Leben schon einiges durchgemacht hat. Bei Nina Simone mag ich ihre mächtige Stimme. Sie hatte auch ein eher herbes Leben. Ich liebe ihre Rohheit.
Perfektion, die einem gefühlsmäßig nichts gibt, ergibt für mich keinen Sinn. Ich liebe Künstler, die etwas durchgemacht haben. Das spricht mich an. Genauso wie Fiona Apple oder Kim Deal von den Breeders. Ich mag einfach große Stimmen. Deshalb liebe ich auch Roy Orbison. Diese großen, dramatischen Balladen. Darin ist er einer der besten. An erster Stelle kommt für mich immer der Sänger. Der Text steht für mich erst an zweiter Stelle.
MusikBlog: Du bist in einer Familie aufgewachsen, in der Musik, Kunst und Literatur eine große Rolle spielten. Was würdest Du sagen, gibt es Deinem Leben, Dich selber kreativ künstlerisch ausdrücken zu können?
Francesca Belmonte: Ich glaube, dass jeder Mensch eigentlich ein geborener Künstler ist. C.G. Jung hat mal geschrieben, dass ein Künstler zu sein bedeutet, auf das Kind in seinem Inneren zu hören. Das ist auch der Grund, warum Tricky zum Beispiel so ein echter, unverfälschter Künstler ist. Er hat sich diese kindliche Seite bewahrt. Ich hatte auch Glück. Meine Eltern haben mich schon früh dazu ermutigt, kreativ zu sein. Und sich kreativ ausdrücken zu können, ist ein Geschenk. Manchmal schreibe ich Songs. Manchmal male ich. Seitdem ich acht bin, schreibe ich Gedichte. Es hat mir geholfen, die Welt um mich ein wenig mehr zu verstehen. Das ist es. Ein anderer Aspekt ist, dass ich mit meiner Musik bei Menschen etwas bewegen kann. Man kann durch seine eigene Kreativität wieder andere Menschen inspirieren und sich somit durch Ideen miteinander verbinden.
MusikBlog: Das könnte Dir mit „Anima“ schon mal gelingen. Wie stellst Du dir im Idealfall den weiteren Verlauf Deiner Solo-Karriere vor?
Francesca Belmonte: Ich werde immer schreiben und Musik machen. Aber wie jeder andere Musiker, würde ich es mir natürlich auch wünschen, von meiner Musik leben zu können und dadurch die Freiheit zu haben, mich ganz meiner Kreativität widmen zu können. Ich wäre gerne in Tricky’s Position. Er schreibt ein Album und geht dann auf Tour. Schreibt wieder ein Album und geht wieder auf Tour. Ich würde mich auch sehr gerne auf diese Herausforderung einlassen. So etwas wünsche ich mir.
MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.