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Rae Morris – Unguarded

Man kann schon sagen, dass Deutschland manchmal etwas spät dran ist, wenn es um Musikentdeckungen geht. “Unguarded” kam in Großbritannien schon im Januar heraus. Die hübsche Rae Morris wurde dort von der Fachpresse gelobt und als neue Indie-Pop Hoffnung gepriesen. Nun wird ihr Debüt also endlich auch in Deutschland veröffentlicht.

Rae Morris’ zauberhafte, klare, teils fast elfenhafte und niemals kitschige Stimme schwebt förmlich über allem und auch die Instrumentierung ist ganz überwiegend leicht und erlesen. Die Melodien sind fein, liebenswert, mal knapper und auch mal tragender. Sie kokettieren mit den Rhythmen oder verschmelzen mit ihnen und dem Gesang zu diesen – immer nur im ersten Moment ungewöhnlichen und überraschenden – Songstrukturen.

Mit quirliger Mädchen-Niedlichkeit trägt Rae Morris ihre Idee von moderner Popmusik vor, die eigentlich gar keine Videoclips bräuchte, um Bilder von großen Kulleraugen wachzurufen. Der Song “Under The Shadows” z.B. sei hierbei verstanden als durchaus synthesizer- wie experimentier-affin und “mädchenhaft”, im Sinne einer entzückenden kleinen Soufflier-Stimme, deren Präsenz von Producer und Co-Autor Jim Eliot durch Hall geschickt vervielfältigt wird. Jim Eliot hat auch schon mit Pop-Diva Kylie Minogue zusammengearbeitet und weiß genau, wie man Künstler in Szene setzt.

Rae Morris breitet ein grobes Netz über ihre Kompositionen, hängt diese über eine gähnende Schlucht, leert ihre Taschen, schüttet Herz und Seele aus und vertraut dem, was hängen bleibt. Was sich hier erst einmal verfangen hat, sitzt fortan fest im Netz, wunderlich, lauernd, selbstsicher und niemals auch nur schlingernd oder trudelnd. Zugleich lässt Ms. Morris aber den Abgrund und das Nichts darunter hörbar werden.

Ohne Absturzgefahr ist Rae stets sie selbst. Den Songs “For You”, “Unguarded” und “This Time” genügt jeweils ein Detail, um ihre Energien ordentlich anzutriggern. Ein schnarrender Drumlauf, ein bis zwei Percussionschläge, ein Metronom, ein dröhnender Klavier-Dreiklang: Stets beginnt hier alles, indem es sich als einsame Betonung in den Rhythmus schiebt, um sich erst ganz sachte zu Melodiefäden zu öffnen. Nach und nach ergänzen sich dann genau die Partikel, die “Unguarded” zum Poplexikon aufschlagen, ohne allerdings in irgendwelchen Pomp auszuarten.

Das überall lauernde und am Anfang stehende Nichts sieht Rae Morris nie als bedrohlich chaotische Stille, die gerade Musik unbedingt zu überwinden hat, um überhaupt erst einmal anfangen zu können. Im Gegenteil, die Stille ist ihr Gefährte, Rae lauscht tief in sie hinein und fügt ihr dann Musik wie Streicheleinheiten zu. “Unguarded” lebt in der Tat von Luft und Liebe allein. Wie die Jugend ist dieser Pop eine unerhörte Phantasie. Ein Luftschloss, auf Treibsand gebaut.

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