Mit „Oyster“ legt Chloe Moriondo ein Album vor, das unter die Haut geht – eine emotionale Tauchfahrt zwischen Herzschmerz und Selbstfindung, die die Künstlerin aus Michigan von einer völlig neuen Seite zeigt.

Nach dem zuckerhaltigen Chaos von „SUCKERPUNCH“ und den Pop-Punk-Eskapaden auf „Blood Bunny“ wagt Moriondo einen mutigen Schritt zurück zur Verletzlichkeit. Der Albumtitel ist dabei Programm: Wie eine Auster, die Schicht um Schicht einen Fremdkörper umhüllt, verarbeitet sie ihre Emotionen in 11 Songs, die gleichzeitig zum Weinen und Tanzen einladen.

Der Opener „Catch“ setzt sofort den Ton – eine bittersüße Abrechnung mit einer ungesunden Schwärmerei, die direkt in die Magengrube trifft. Moriondo balanciert gekonnt zwischen zuckersüßem Kitsch und schonungsloser Offenheit, eine Gratwanderung, die das ganze Album prägt.

Musikalisch zeigt sich „Oyster“ wandlungsfähig wie ein Chamäleon: Vom ätherischen Indie-Pop über autotunegetränkte Dance-Nummern bis zu melancholischen Balladen ist alles dabei.

„Abyss“ und „Hate It“ fühlen sich an wie nächtliche Fahrten durch neonbeleuchtete Straßen – berauschend, glitzernd, mit einem Hauch Leere im Hintergrund.

Bei „Raw“ hört man die Wunde förmlich bluten, während „Use“ in einer kathartischen Indie-Rock-Mischung selbstzerstörerische Gewohnheiten thematisiert.

Das abschließende „Siren Calling“ fühlt sich an wie das leise Resümee eines emotionalen Aufbruchs – verletzlich, reflektierend und irgendwie versöhnlich.

Inhaltlich bewegt sich das Album zwischen den Extremen erster großer Liebe und der schmerzlichen Erkenntnis, dass man sich selbst erst wieder zusammenflicken muss. Eifersucht („Hate It“), Rachefantasien („Parasite“), die seltsame Mischung aus Hoffnung und Aufgeben („Weak“, „7seas“) und das harte Lernen, allein zu sein („Shoreline“, „Pond“) – alle Facetten des emotionalen Spektrums werden abgedeckt.

Was „Oyster“ besonders macht? Die ungeschminkte Ehrlichkeit gepaart mit der verspielten Art, wie Moriondo ihren Schmerz vertont. Einziger Kritikpunkt: Manche Songs sind etwas zu kurz geraten, fast so, als wollten sie ihre Emotionen schnell wieder verstecken. Aber vielleicht ist genau das die Wahrheit – manchmal ist Schmerz nur in kleinen Dosen erträglich.

„Oyster“ ist kein lautes Statement, sondern ein emotionaler Wellengang – mal sanft plätschernd, mal reißend, aber immer authentisch. Chloe Moriondo zeigt, dass Coming-of-Age nicht nur ein Genre ist, sondern ein Gefühl.

Und dieses Gefühl in Songs zu packen – das kann sie besser als die meisten anderen.

Schreibe einen Kommentar

Das könnte dir auch gefallen

Album

FKA twigs – EUSEXUA

Album

Noga Erez – The Vandalist

Album

Fred Again.. – ten days

Login

Erlaube Benachrichtigungen OK Nein, danke