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Leftfield – Alternative Light Source

Viele totgeglaubte Scheußlichkeiten haben die 90er Jahre überlebt. Tattooketten, anyone? Man denke zudem an die jüngst aus der tiefsten Versenkung aufgetauchten Plateauschuhe – oder auch Chers in den Ohren nachklingelnde Autotune-Einführung, ein schimmernder Lichtblick für hoffnungslos Talentfreie. Doch das Ende des 20. Jahrhunderts konnte viel mehr, als lediglich mit ordentlichem Lästergut aufzuwarten. Es konnte zum Beispiel Techno – es konnte Leftfield.

Zwar wurde es um die Londoner DJ-Kombo nie wirklich totenstill; Dennoch mag mit einem solchen Comeback nicht der positivste Optimist gerechnet haben: Geschlagene 26 Jahre seit der Gründung Leftfields mit seinem Kompagnon Paul Daley und gezählte 16 Frühlinge nach dem letzten feingeschliffenen Techno-Ungestüm „Rhythm And Stealth“, möchte Mastermind Neil Barnes es noch einmal wissen. Dafür lässt er das mit einer dünnen Staubschicht versehene, doch nie vergessene Projekt im Alleingang wieder auferstehen. Eine allgemeine Angst machte sich breit: Wird „Alternative Light Source“ die neue Tattookette?

Ja. Und nein. Denn: Das neueste Werk des Briten ist so verdammt 90er, wie es 90erer nicht sein könnte. Und doch passt es noch zwei Jahrzehnte später in unsere Musikvorlieben, wie es maßgeschneiderter nicht möglich wäre. Ein Aufatmen macht sich breit: Leftfield genügt den zeitlosen Ansprüchen und bringt einmal mehr das elektronische Zappeln über den Teich.

Ganz gleich, welche der zehn Perlen als stichhaltiges Beweisstück herhalten soll: Ein jeder Song setzt punktuell genau dort an, wo Neil Barnes seine Arbeit zuletzt akribisch niederlegte. Sei es nun bei einem gemeinsamen Sinnieren mit Sleaford Mods Jason Williamson über die kleinen, weißen Miesepeter auf dem Schopf in „Head And Shoulders“, oder aber der Gesang Policas im Kleide gestandener Tech-Rock-Beats mit prickelnd versetzen Basssprudeln: Der Künstler ist zurück aus dem Gestern im Heute, bewaffnet mit einem effektvollen Koffer voller Beatideen, einem Meer aus Synthesizern und Vorrat an Sequenzern.

Es dürfte klar sein, dass Barnes keineswegs ein unverwechselbares Genrecharakteristikum über jene Dauer patentgleich halten konnte. Jegliche Crossover-Klänge lassen sich im Laufe der Zwischenzeit aus allerlei Projekten ziehen. Doch das Wissen um die eigene Marke und das saubere Produzieren der intensiv brodelnden Lärmmusik dürfte gleich zwei Generationen unter einem Bandnamen zusammen bringen – und als ein alternatives Licht in jener schummrig-flackernden Atmosphäre des nachzügelnden Albums leuchten.

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