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Wir sind keine Working-Class-Heroes – Monoklub im Interview

Justus kommt mit knatterndem Motorroller, bietet Florian zum schwarzen Kaffee eine Zigarette aus dem Silberetui an und ist ähnlich seinen zwei Bandkollegen wie aus dem englischen Ei gepellt: Wenn die hanseatischen Britrocker von Monoklub zum Interview in ein schickes Hamburger Szenecafé bitten, erinnert ihr Äußeres stark an ein Etikett, das ihnen seit der Gründung angeheftet wird: Den Mod-Sound der Sixties in die digitale Gegenwart zu holen. Ihre Musik erinnert also nicht grundlos an den psychedelischen Soul-Rock von The Who bis Small Faces. Entsprechend steht auch ihr bandbetiteltes Debütalbum vom Cover über die Aufnahmetechnik im nostalgischen Lo-Fi bis hin zum scheppernden Garagensound voll im Zeichen jener Epoche, als sich Londoner Arbeiterkinder im feinen Zwirn von ihrer Herkunft befreiten, ohne sie zu verleugnen.

MusikBlog: Ihr verortet euch selbst in der Mod-Szene. Was genau kennzeichnet die über einen gewissen Dresscode hinaus im Jahr 2015?

Florian: Also vorweg muss man sagen, dass wir zwar eine gewisse Schnittmenge mit dem haben, was Mod-Szene genannt wird. Letztlich sind wir aber auch ein bisschen in diese Ecke reingedrückt worden, weil wir eben die zugehörige Kleidung tragen, gern Northern Soul hören und zumindest zu zwei Dritteln italienische Blechroller fahren. Darüber hinaus wird eine klare Definition schwer. Als es da 1980 ein Revival gab, wurde ich gerade erst geboren, hab aber durch „Quadrophenia“…

MusikBlog: Die so genannte Rock-Oper von The Who.

Florian: … schon früh meinen Kontakt dazu gefunden und bald andere Bands gehört wie Small Faces oder The Jam. Auf dem Niveau haben wir uns dann musikalisch gefunden.

MusikBlog: Aber ein ideologisches Konstrukt jenseits der Ästhetik steckte damals wie heute eher nicht hinter der Bewegung?

Florian: Ich glaube nicht. Es gab allerdings die selbstbewusste Arbeiterklassenherkunft nach dem Motto „work hard, look smart“, die das Selbstverständnis schon geprägt hat.

Justus: Obwohl wir jetzt eher Mittelklassekids sind. Flos Vater ist Förster, meine Mutter ist Lehrerin, Eike kommt aus einem Handwerkerhaushalt. Wir sind zwar ziemlich anglophil, aber sicher keine britischen Working-Class-Heroes.

Florian: So gesehen ist der Mod-Bezug schon ein gewisses Konstrukt. Aber als es hieß, wir klängen wie die deutschen The Who, haben wir das liebend gern aufgegriffen.

Justus: Trotzdem wollen wir natürlich in keine Schublade, weil man da so schwer wieder rauskommt.

MusikBlog: Andererseits sichert euch die Schublade eine verlässliche Peer-Group.

Florian: Das ist auch nicht zu unterschätzen.

MusikBlog: Gibt es wie im letzten Revival dieser Sixties-Kultur denn noch eine passende Szene in Hamburg mit Treffpunkten, All-Nightern, Partykultur?

Florian: In abgespeckter Form schon, Allnighter gibt es auch noch, Vinyl ist nach wie vor wichtig und viele sparen immer noch lange auf den perfekt sitzenden Anzug.

Justus: Gut wollen wir schon alle aussehen (lacht), obwohl heute natürlich jeder Fred Perry trägt, gerade in einer Stadt wie Hamburg. Von unserer Sorte trifft man hier schon noch eine Menge, im Kometen zum Beispiel oder auch im Hafenklang, wo viel Musik läuft, wie wir sie machen. Aber dadurch, dass wir keine 20 mehr sind, besteht unser Leben eben nicht nur aus Musik und dem Umfeld, sondern Alltag und Berufen. Da ist das Anglophile nur ein Aspekt unseres Daseins.

Florian: Ich glaube auch, echte Mods, die das mit der Anglophilie zum Lebensinhalt machen, würden unseren Sound gar nicht als ihren erkennen. Deshalb ist unser Publikum auch weit gemischter, als es dieses Label vermuten ließe. Da gibt es Oi-Skins und Punks genauso wie ziemlich normale Rechtsanwälte.

MusikBlog: Was prägt denn euren Sound – eine Rückwärtsbesinnung, für die Gegenwart anschlussfähig gemacht?

Justus: Hätte ich nicht besser ausdrücken können. Aber man muss auch wissen, dass sich die Mod-Bewegung in den Sechzigern unter anderem dadurch definiert hat, die allerneueste Musik zu hören. Wenn wir das also auf heute übertragen, müssten wir ja eher so richtig verrückten Elektrokrams spielen.

Florian: Ich kann meine Vorbilder jedenfalls nicht verleugnen, Steve Marriott oder The Small Faces, aber eben auch Blur, die ja ihrerseits von der Mod-Bewegung inspiriert sind. Etwas grundlegend anderes als das könnte ich also gar nicht machen. Aber weil wir auf Deutsch singen, fügen wir dem Sound schon eine völlig eigene Komponente hinzu. Das gab es bislang in dieser Sparte eher selten und hat den Vorteil, dass die Leute unsere Sachen ziemlich schnell mitsingen können.

Justus: Auf der Bühne schaffen wir ohnehin eine familiäre Atmosphäre, weil wir nicht bloß gemeinsam Musik machen, sondern schon lange eng miteinander befreundet sind. Das schafft eine ganz andere Art der Interaktion.

Florian: Zumal das Hamburger Publikum legendär schwierig zu erreichen ist. Wenn die also nach zwei Tracks den Mund bewegen, ist das fast schon so, als würden sie in anderen Städten Pogo tanzen.

MusikBlog: Dabei kommen eure Texte weniger über die philosophische Metaebene als einen gewissen Party- und Alltagsfaktor.

Florian: Schon, aber darin steckt oft viel Ironie, die die Baustellen unseres Lebens beschreibt. Mit dem erhobenen Zeigefinger kommen wir eben eher nicht so gerne; die Leute sollen auf unseren Konzerten vor allem eine gute Zeit haben.

Justus: Wie haben Ernst und Spaß im Repertoire, versuchen auf der Bühne aber eher lässig rüber zu kommen.

Florian: Im Deutschen ist es halt schwerer, Interpretationsspielräume zu lassen.

MusikBlog: Wenn ihr an einer Stelle singt, „was ich brauche, ist ein Ziel“, ist das bloß Showprosa oder eine persönliche Aussage?

Florian: Das ist nicht nur so daher gesagt, aber trotzdem eine offene Aussage, die jeder mit Inhalt füllen kann.

Justus: Heutzutage, wo jeder zwanghaft in Bewegung sein muss und dauernd flexibel, ist die Frage gerade für junge Menschen substanziell. „Ziele“ ist dafür nur ein griffiges Wort.

MusikBlog: Was sind denn eure eigenen?

Florian: Also musikalisch sind es jedenfalls eher kleine. Da ist es von Vorteil, dass wir alle so Mitte 30 sind, unser Leben also nicht zwanghaft darauf ausrichten müssen, in die Charts zu kommen und riesige Hallen zu füllen. Trotzdem wollen wir nicht nur eine gute Zeit und Spaß haben, sondern möglichst viele Leute erreichen.

Justus: Für mich hab ich das mal so auf den Punkt gebracht: Eine Platte im Jahr, zwei kleine Touren, dann bin ich als Band schon glücklich.

Florian: Justus und ich machen schließlich seit zwölf Jahren gemeinsam Musik, vorher als The Blue Sinners, mit denen wir mal Boss Hoss auf sieben Gigs deutschlandweit supportet haben. Da ist das jetzt ein neues Kapitel, aber kein Neuanfang.

Justus: Und wir werden dafür sicher nicht unsere normalen Jobs sausen lassen.

Eike: Schön wär’s…

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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