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Young Fathers – Live in der Volksbühne, Berlin

Hallelujah! Was für eine Messe. Die Multi-Genre-Popper Young Fathers kamen, performten und siegten im Rahmen des Torstraßenfestivals in der Berliner Volksbühne.

Die Young Fathers sind immer noch ein recht neues oder junges Pop Phänomen. Auch wenn sie den wichtigsten und sehr renommierten britischen Musikpreis, den Mercury Prize, im letzten Jahr gewannen und seither auf einer Kritikerstufe mit PJ Harvey oder den Arctic Monkeys gestellt werden, sind noch ein paar Plätze frei in dem riesigen Berliner Theater. Doch sollte das ohnehin keine Rolle spielen, nur zwei Songs lang saß der Laden auf seinen Hinterteilen.

Jung oder neu sind Young Fathers – klug benannt nach der Tatsache, dass Alloysious Massaquoi, Kayus Bankole und ‘G’ Hastings allesamt die Vornamen ihrer Väter tragen – auch in anderen Aspekten ihrer Live-Performance:

Nur ihr im Stehen spielender Live-Drummer trägt nämlich professionellen Gehörschutz, die drei anderen machen noch genau anderthalb Jahre, dann kommen die Hörstürze und Gleichgewichtsprobleme. Und auch als Avantgarde Band, die über den üblichen Popkonventionen stehen will, muss man nicht die ganze Zeit wortkarg sein, mit einer pratzigen challenge („Berlin, can you dance?!“) als einzigem ans Publikum gerichtetem Wort.

Und man muss auch nicht wortlos nach bereits einer Stunde und fünf Minuten gehen, ohne eine Zugabe zu spielen. Vor allem nicht, wenn einem die Gemeinde euphorisiert zu Füßen liegt und sinnbildlich das we’re-not-worthy von Wayne und Garth macht. Es haben schon viele Acts versucht, der ewigen Tradition der Zugabe nach gehörigem Applaus etwas entgegenzusetzen, ich finde, es ist noch bei keinem aufgegangen.

Vielleicht lernen das unsere jungen Väter noch. Applaus zwischen den Stücken zulassen, zwei nette Konversationen mit dem Auditorium einschieben, das Ausdehnen einer Zugabe, die Hüttenkracher mit einem längerem Intro sukzessive aufbauen und einläuten, und schon wäre man schnell bei den erwartbaren anderthalb Stunden. Aber ach, das können allenfalls kleine Optimierungsvorschläge sein.

Die jungen Väter sind eine dieser Bands, die live noch besser sind als auf physischem oder digitalem Medium. Der Rhythmus hat die Melodie als Zünglein an der Waage abgelöst im Pop, siehe die Evolution von Hip-Hop und Elektro aus dem Underground in die Herzen der Massen. Und der Rhythmus der Young Fathers ist es, der diesen Abend zu einem herrlichen Pop-Erlebnis werden lässt. Überall schüttelt, ruckelt und wackelt es – an den Körpern, in den Schallwellen. Die Filiusse zelebrieren hier eine Global-Pop-Messe die mal tribalhaft afrikanisch, mal uramerikanisch wirkt. Immer bewegt, immer geschüttelt, immer im Beat vereint.

Ich möchte wissen, durch welchen Computereffekt sie die Snare jagen, die klingt, als wenn in meinem Lieblings-Italowestern der danebenzielende Colt die Bohnenbratpfanne erwischt; die Young Fathers haben die richtigen Rhythmen, Sounds und Beats auf ihrer Seite. Doch wäre dies alles nur die Hälfte wert ohne ihre Leidenschaft. Wie die drei vortanzen und schwitzen, steckt an und solidarisiert. Wie sie jeden Moment ihrer Musik emotional durchleben und mit ihrem Publikum zelebrieren, zählt mehr als alle Virtuosität. Hallelujah.

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