Wenn sich jeder verdammte Ton, jeder einzelne Schlag mit einer unglaublich durchdachten, arroganten Präsenz einbringt, als stelle er eine ganz eigene Sinfonie für sich dar; Wenn die musikalischen Rock-Extreme auf ordentlich unkonventionelle Art innerhalb weniger Minuten ausgelotet werden; Wenn der Sound der Instrumente, der Band und der Umgebung sich gleich listiger Chamäleons nicht fassen lässt und Du schlichtweg schulterzuckend zurückbleibst: Dann hörst Du Agent Fresco. Und bist darüber vielleicht genauso verwirrt wie ich.
Denn, Schande auf mein Haupt: Von der Prog-Rock-Viererkonstellation hörte ich bisher noch nie – oder kam Dir zu Ohren, dass eine Band vor Jahren einen Wettbewerb in Island gewann und sich dem alles-kann-nichts-muss-Genre des arty Rock verschrieb? Na siehst Du.
Doch die Ohren dürfen wir alle spitzen: Hier und dort schimmern gefällige Fetzen durch die Musiklandschaft Agent Frescos, welche experimentelle Geheimtipp-Spürnasen aufhorchen lassen – und jene, die es werden wollen. So hat Muses Matt Bellamy den furchtbar romantischen Falsetto-Gesang auf härteren Sound-Gangarten etwa nicht gepachtet; Stattdessen zeichnen sich die lyrische Frustration und menschlichen Selbstzweifel auch in Arnór Dan Arnarsons Stimmbändern konsequent ab.
Wabernder Bassschmalz, verzerrte Gitarren, gediegene Pianoklänge und zerreißende Beats geben sich mit Streichern aus der Tube die Hand. Stets dabei: ein ordentlicher Anspruch an die Instrumente, soll ihnen doch alles abverlangt werden, was sie zu geben imstande sind. So verkaufen die Isländer eingangs den Reverb als Mittel der Kunst und lassen den metaphorischen Phönix dank sich steigernder Sound-Intensitäten innerhalb eines Titels gleich mehrmals auferstehen („Let Them See Us“).
Agent Fresco haben dabei ihre ganz eigene Formel entwickelt: Ein klassisches Pianoklimpern löst das Beat-gekoppelte harte Gitarrenriff zart ab, nur, um wieder in den Strudel wirrer Klang-Phantasien gezogen zu werden („Dark Water“). Arnarsons geschulte Stimme pflügt unbeeindruckt durch die roughe Musiklandschaft, arbeitet diese fein heraus und webt sie anschließend ein („Pyre“), oder überzeugt mit gekonnten Shout-Einlagen („Angst“). Elektronische Mastering-Einschläge machen in kleinen Facetten den Rundumschlag der kraftvoll nach vorne marschierenden, metallernen Bandkonstellation perfekt.
Wir sehen: Das ist alternativ. Vor allem aber: Das lässt Dich nicht ruhig sitzen bleiben. Sobald gediegenere Töne anklingen, reißen die Musiker Dich mit Hilfe unverblümten Instrumental-Könnens aus den abschweifenden Gedanken. Nach einer imposanten Durchlaufzeit des Zweitwerks der Isländer blickst Du auf eine Dir Vieles abverlangende, ziemlich Nerven aufreibende, doch interessante Reise durch unbekannte Gefilde zurück. Nun kennen wir also auch Agent Fresco, wir alten Spürnasen.