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Musik lässt sich nicht planen – Nathaniel Rateliff im Interview

Nathaniel Rateliff ist ein ziemlich witziger Kerl. Zwischen seinen Live-Songs packt der bärtige Songwriter aus Denver, Colorado schon mal ganz gerne die Comedy-Keule aus. Dann wird nicht nur auf der Bühne gelacht. Es ist dieses zweite Ich, das im Inneren des Sängers schlummert; denn eigentlich ist Nathaniel Rateliff ein Kerl, der nur ungern im Rampenlicht steht. Mittlerweile hat die Dur-Seite seiner Persönlichkeit aber das Ruder übernommen. All die mitunter tieftraurigen Geschichten über gescheiterte Beziehungen, Süchte und andere Alltagsdramen, die der Sänger in seinen Songs so herzergreifend präsentiert, werden so in eine sonnige Atmosphäre gehüllt, die die dunkle Basis seines Schaffens nur selten nach außen dringen lässt. Ganz schön clever, der gute Nate. Aber steckt da ein Konzept dahinter? Oder hat sich dieses Yin und Yang-Spiel mit den Jahren eher so ergeben? Wir wollten’s wissen und fragten bei dem Mann mit dem bluesig souligen Organ nach.

MusikBlog: Hi Nathaniel, normalerweise halten Songwriter, die mit traurigen Texten durch die Lande ziehen, zwischen den Songs auf ihren Konzerten eher inne. Der Zuschauer soll schließlich zum Nachdenken angeregt werden. Du hingegen haust immer mal wieder gerne zwischen deinen Liedern einen Joke raus. Warum? Wieso? Weshalb?

Nathaniel Rateliff: Wahrscheinlich ist das so ein Selbstschutz-Ding. Ich hatte jahrelang Probleme damit, meine Gefühle und meine Emotionen zu zeigen. Eigentlich kämpfe ich auch heute noch mit mir, wenn es um die Schattenseiten des Lebens geht. Ich bin aber auch ein Typ, der beim Weinen gerne tanzt. Ich brauche das. Diese Balance ist mir sehr wichtig. Wo es dunkel ist, da muss auch immer irgendwo Licht sein. So hat sich das irgendwie mit der Zeit ergeben, dass ich zwischen meinen traurigen Songs, immer mal wieder einen Witz gerissen habe. So läuft es auch heute noch.

MusikBlog: Klingt nach einer ausgereiften Selbsttherapie.

Nathaniel Rateliff: Ja, absolut. Kann ich nur weiterempfehlen.

MusikBlog: Du könntest es aber doch auch mal mit etwas fröhlicheren Texten versuchen, oder?

Nathaniel Rateliff: Das wäre sicherlich eine Möglichkeit. Aber die Dinge, die mich wirklich berühren und danach schreien, verarbeitet zu werden, sind nun mal in der Regel auf Dornen gebettet. Wenn die Sonne scheint, verspüre ich nur selten den Drang in mir, einen Song darüber zu schreiben. Ich mache eher Musik, um mich den Kämpfen meines Lebens zu stellen. Das bringt mir mehr.

MusikBlog: Man merkt aber schon eine gewisse Veränderung. Dein neues Album, das du zusammen mit den Night Sweats aufgenommen hast, versprüht wesentlich mehr Hoffnung und Positivität als dein letztes Solo-Album.

Nathaniel Rateliff: Ja, das finde ich auch. Ich habe in den letzten Monaten und Jahren gelernt, etwas unbeschwerter an die ganze Sache ranzugehen. Ich meine, die Themen auf dem Album sind immer noch hart und schwer. Aber irgendwie kriege ich es immer besser hin, eine gewisse Balance herzustellen; sodass am Ende etwas Befreiendes übrig bleibt. Darum sollte es schließlich gehen. Musik sollte befreien. Im Grunde genommen geht es doch immer um eine Form von Heilung. Nicht nur ich will geheilt werden. Auch die Menschen, die zu meinen Konzerten kommen und meine Platten kaufen sollen etwas Positives aus meinen Songs mitnehmen. Ich denke, dass ich da mittlerweile einen ganz guten Weg eingeschlagen habe.

MusikBlog: Auch musikalisch gibt es auf dem Album viel Neues zu entdecken. Blues, Rock, Soul, R’n’B: Du deckst fast jedes Genre ab. War das so geplant?

Nathaniel Rateliff: Musik lässt sich nicht planen. Man setzt sich hin, stöpselt die Instrumente ein und guckt, was am Ende bei rauskommt. Das klingt im Alleingang in der Regel eher seicht und minimiert. Und wenn man eine Band im Rücken hat, klingt es halt größer und breiter. Das ist nun mal so. Die Night Sweats spielen, wie sie spielen. Und für mich hat das super gepasst. Es passte zu meinen musikalischen Vorstellungen, und auch zu meinen Texten. Also haben wir einfach losgelegt.

MusikBlog: Wenn doch nur alles im Leben so einfach wäre.

Nathaniel Rateliff: Ja, das wäre schön. (lacht) Aber das Leben präsentiert einem ja eigentlich nur das, was man selbst ins Dasein einbringt. Ich bin nicht vom Schicksal verblendet. Wenn ich zu viel trinke, dann bin ich irgendwann voll. Und wer voll ist, der macht und sagt Dinge, die andere Menschen unter Umständen verletzen können. Und wenn mir etwas auf der Seele brennt, ich aber nicht in der Lage bin, darüber zu reden, dann nehmen die Dinge halt ihren Lauf. Man ist selbst für sich verantwortlich. Zum Glück habe ich die Musik gefunden. Sie hilft mir dabei, mich auszudrücken, und die Dinge, die schief laufen, irgendwie wieder gerade zu biegen.

MusikBlog:  Mit sieben Jahren hast du bereits dein erstes Schlagzeug geschenkt bekommen. Warum hast du die Musik nicht schon viel früher zu deinem Wegbegleiter gemacht?

Nathaniel Rateliff: Ich denke, ich war einfach noch nicht bereit dazu. Sich irgendwo auf die Bühne zu stellen – da gehört viel Überwindung dazu. Es sei denn, man ist von Natur aus mit einem selbstbewussten und selbstdarstellerischen Trieb gesegnet. Das war aber bei mir nicht so. Ich habe lange gebraucht, um einen Weg zu finden, der es mir ermöglicht, mein Innerstes nach außen zu kehren. Das war ein Prozess.

MusikBlog: Ist der mittlerweile abgeschlossen?

Nathaniel Rateliff: Nein. Ich stecke noch mittendrin. (lacht) Aber es wird immer besser. Jeder neue Song, und jeder neue Auftritt helfen mir dabei. Es ist also Licht am Ende des Tunnels zu sehen.

MusikBlog: Das freut mich. Auf das du irgendwann im Hellen stehst.

Nathaniel Rateliff: Ich freu mich drauf. Hab Dank.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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