Hat dann doch ein bisschen gedauert. Immerhin schon zehn Jahre her, dass mit „Waiting For The Sirens‘ Call“ das letzte New Order-Album erschienen ist. Danach war allerdings auch erstmal Götterdämmerung angesagt. Denn 2007 schaffte es Bassist Peter Hook, sich mit dem Rest der Band so zu verkrachen, dass sie ohne ihn weitermachen wollte. Sich nach dreißig Jahren gemeinsamer Geschichte inklusive Joy Division, Blue Monday, Hazienda, Ibiza etc. so irreparabel zu zoffen, erscheint einem auch schon fast als ein Kunststück. Aber ok, es haben sich auch schon Leute nach fünfzig Jahren Ehe scheiden lassen. Das mit dem Weitermachen klappte dann allerdings auch nicht so ganz direkt. New Order wurde erstmal auf Eis gelegt.
2011 berappelten sich Bernard Sumner, Stephen Morris und Phil Cunningham wieder. New Order waren offiziell wieder da. Zum Warmwerden allerdings erstmal nur für ein paar Auftritte. Mit dabei und wieder zurück aus der Mutterschafts- und Tochtererziehungspause auch Keyboarderin Gillian Gilbert. Den Bass übernahm Tom Chapman. Ins Studio ging es allerdings noch nicht. Zwar erschien mit „Lost Sirens“ vor zwei Jahren ein Album, allerdings war dies nur die Resteverwertung von Outtakes, die bei den Aufnahmen zu „Waiting For The Sirens‘ Call“ entstanden waren. Möglicherweise war das Album nur strategisch gedacht, um die Marke New Order langsam wieder einzuführen. Musikalisch konnte es jedenfalls nicht mit sonderlich viel Überraschendem aufwarten.
Sprung Jetzt-Zeit. Sprung zu „Music Complete“. Studioalbum Nummer Neun. Und als erstes drängt sich da natürlich die Frage in den Vordergrund, wie die hooklosen New Order klingen. So direkt merkt man es nicht, denn Tom Chapman gibt am Bass im großen Ganzen einen recht überzeugenden Hook. Allerdings ertappt man sich gelegentlich dann doch bei dem Gedanken daran, wie die Stücke mit dem Input des Originals geklungen hätten.
Zweite Frage ist, auf welcher Ebene sich die Band nach der langen Pause und im dritten Jahrzehnt ihres Bestehens musikalisch wieder gefunden hat. Hier fällt wiederrum schnell auf, dass während „Waiting For The Sirens‘ Call“ den Akzent stärker auf die Gitarre legte und die Elektronik ein wenig zurückgefahren wurde, bei „Music Complete“ das Verhältnis generell recht ausbalanciert ist.
Gut, wie klingt’s? Eigentlich fängt alles recht gut an. Bei den ersten drei Stücken zieht einem schon ein „Ok, das kommt!“ durch den Kopf. „Restless“ ist eine schöne Nummer mit leicht melancholischer Note, die nahtlos an bewährte New Order-Qualität anknüpft. Spontan könnte einem z.B. „Crystal“ zum Vergleich einfallen. Der Anfang von „Singularity“ ist wie ein kurzer Flashback in die Endsiebziger. Danach treibt eine nette Synthesizer-Figur den Song flott über seine fünfeinhalb Minuten. „Plastic“ zeigt mit seinen Giorgio Moroder-Arpeggiatorbasslinien, dass sie immer noch mühelos einige Tanzflächen füllen können.
Mit „Tutti Frutti“ kommt dann allerdings das erste von ein paar entbehrlichen und eher überflüssigen Stücken. Ok, auch auf den klassischen New Order-Alben war nicht alles Gold, sondern eher Licht und Schatten der Regelfall. „Tutti Frutti“ soll wohl eine Reminiszenz an Euro-Dance und Italo Disco sein, kommt aber eher albern und ist genauso verzichtbar wie „Stray Dog“, auf dem Iggy Pop über sechs Minuten ein american gothic Gedicht von Bernard Sumner rezitiert.
Beim ersten Hören ja noch irgendwie originell, aber schon beim zweiten Mal fällt einem auf, dass man eigentlich auch darauf verzichten kann. „Nothing But A Fool“ entfaltet über fast acht Minuten auch keine spektakuläre Spannung. “Academic” und „The Game“ sind eher guter New Order Standard, aber auch nicht mehr. Nicht absolut aufregend, aber auch nicht schlecht. New Order Konfektionsware, die auf einer B-Seite einer Single garantiert eine gute Figur gemacht hätten.
Auf der Haben-Seite finden sich auf „Music Complete“ dann allerdings noch „Unlearn This Hatred“, „People High On the Line“ und “Superheated”. Bei Letztem durfte übrigens Sumner-Freund und New Order-Bewunderer Brandon Flowers den Refrain singen.
Alles in Allem ist „Music Complete“ New Orders bestes Album seit „Get Ready“ (2001) und kein schlechter Beitrag zu ihrer Discographie. Bei einer Gesamtlänge von 64:36 Minuten hätte ein bisschen temporäre Schlankheit dem Ganzen gut getan. Die zwanzig Minuten zuviel hätte man locker einsparen können. Den Rest hätte man ja dann à la „Lost Siren“ in ein paar Jahren als „Now Complete“ rausbringen können. Schönes Cover übrigens auch. Wieder mal von Peter Saville.