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Alles ist möglich, alles ist erlaubt – U3000 im Interview

Hip, Hipper, Hipster, U3000? Die „fest entschlossenen Popper“, wie das Label Freudenhaus Recordings seine Newcomer aus Hannover mit Lebensmittelpunkt Berlin nennt, wollen mit unpolitischem Elektro-Pop und dem radical chic der Hauptstadt durchstarten. Ihr Debütalbum „Wir haben euch belogen“ darf man demnach als gefällig bezeichnen, schlecht ist es dadurch keinesfalls, mit Songs „Mädchen, tanz mit mir“ aber auch nicht allzu tiefgründig. Egal, sagen Gitarrist Mika Amsterdam und Bassist Hannes Wesendonk, deren Stimmen den heißesten Shit des ausgehenden Popjahres aus Deutschland mit einer Art Leben füllen, die das Feuilleton kaum begeistern dürfte. Das Publikum hingegen schon eher.

MusikBlog: Mika, Hannes – das Label gibt eurem Debütalbum mit auf den Weg, es sei von „vier fest entschlossenen Poppern“ gemacht. Was bitte schön ist damit 25 Jahre nach dieser Bewegung gemeint?

Hannes: Von unserer Seite ist damit gemeint, dass wir uns als streng unpolitisch empfinden. Dass wir dabei fest entschlossen sind, wünscht sich unser Management.

MusikBlog: Unpolitisch heißt, ihr seid unpolitische Menschen, macht unpolitische Musik oder beides?

Hannes: Das bezieht sich einzig und allein auf die Band, die sich keiner Subkultur welcher Art auch immer unterordnen will.

MusikBlog: Was man ja seinerseits als politisches Statement empfinden kann.

Mika: (lacht) Uns wurde versichert, das reicht nicht aus, um eins abzuliefern.

Hannes: „Popper“ ist, wie ich finde, einfach ein schöner, alter, treffender Begriff für das, was wir machen, nämlich Pop.

MusikBlog: Machen den Rammstein und Eminem im weitesten Sinne nicht auch?

Hannes: Das stimmt. Aber eine andere Klammer fällt mir nicht ein, da würde ich nur andere nachplappern, was ja die unangenehme Seite der Popkultur beschriebe.

MusikBlog: Viele Samples, viel Chichi, viel Glamour, viel hilft viel?

Hannes: Mehr ist auf jeden Fall mehr. Wir hatten einfach viel Zeit im Studio, um die Platte aufzunehmen. Genug jedenfalls, um alles draufzupacken, worauf wir Bock hatten. Deshalb klingt sie vielleicht so voll, aber ja nicht überfrachtet.

Mika: Das hat auch viel mit Möglichkeiten zu tun. Wir arbeiten mit unheimlich vielen, sehr alten Keyboards, die so intuitiv und leicht zu bedienen sind, dass jeder von uns vieren damit gut umgehen kann. Alles ist möglich, alles erlaubt.

Hannes: Wir haben jedenfalls nichts gegen Glamour, solange er so fett produziert ist, wie es mit Patty Majer (Wir sind Helden, No Angels) möglich war. Unser Ansatz war zwar nie, eine Indieband zu werden, aber dass es dann so groß geworden ist, war auch nicht geplant.

Mika: Wenn ich an Glamour denke, kommt mir vor allem so ein Glitzern in den Sinn. Dafür stehen U3000 nun auch wieder nicht; eher so ein matter Glanz, der das Gemüt öffnet, aber nicht total ausleuchtet.

MusikBlog: Wenn man wie ihr aus Hannover kommt – ist es da überinterpretiert, dass eure Musik ein bewusster Kontrast zur sprichwörtlichen Normalität dieser Stadt sein könnte, der alles Mögliche, aber weder ein Glitzern noch ein matter Glamour nachgesagt wird?

Hannes: Interessante Frage, ob die Platte in Berlin oder, was weiß ich, Amsterdam anders geworden wäre als in Hannover. Aber die Stadt hat in der Tat etwas sehr Neutrales, Allgemeines, das unsere Arbeit wenig beeinflusst hat. Was gut so war.

Mika: Hannover hat was angenehm Bescheidenes, in dem sich doch ab und zu Löcher auftun, die man mit Inhalt füllen kann. In Berlin wäre der Zwang womöglich größer gewesen, auf Krampf was Außergewöhnliches zu machen.

Hannes: Die Platte muss sich an ihrer Umgebung nicht abarbeiten.

MusikBlog: Woran arbeitet sich denn ein Titel wie „Mädchen, tanz mit mir“ ab – an der Political Corectness des Diskurspop etwa?

Hannes: Nee. Wenn man eine Zeile wie diese im Kopf hat, die gut zur Melodie passt – warum sollte man sie dann nicht einfach singen?

MusikBlog: Weil Frauen mit Mädchen anzusprechen und in Krisenzeiten tanzen zu gehen als oberflächlich und hedonistisch gedeutet werden könnte?

Hannes: Puhh. Wir haben uns angewöhnt, erst mal unserer Intuition freien Lauf zu lassen und abschließend über die Dinge nachzudenken, wenn sie im Kasten sind. Da erschien uns dieser Titel eben nicht oberflächlich, sondern fröhlich.

Mika: Wir stellen uns in der Musik einfach nicht dauernd so viele Fragen, wie wir es im richtigen Leben vielleicht tun.

Hannes: Am Anfang jedes Stücks steht ja auch die Musik, die gibt den Rahmen vor, wie sich das Ganze anfühlt. Beim Jammen entstehen dann Texte, die wir meist sehr schnell schreiben. Wir wollen gar nicht so erzählerisch werden, deshalb werden es ohnehin eher kurze Texte.

Mika: Meistens wird das auch nichts, wenn wir ewig auf der Suche nach den richtigen Worten sind. Sowas klingt gerade in der deutschen Sprache schnell angestrengt, wo man vieles gar nicht versteht, so durchdacht ist es.

MusikBlog: Bezieht sich das nur auf eure eigene Musik oder auch auf das, was ihr von anderen hört.

Hannes: Also wenn wir gefragt werden, was uns musikalisch geprägt hat, sagen wir gern: die erste Platte von Nena.

Mika: Ein Hammeralbum.

Hannes: Die perfekte deutsche Popplatte: unangestrengt, rund, vom ersten bis zum elften Track geil. So, wie U3000 halt auch sein wollen.

MusikBlog: Warum heißt ihr überhaupt so?

Hannes: Entdeckt haben wir den Namen auf der Kirmes, da gab‘s einen U-Boot-Simulator, der so hieß.

Mika: Schön ist daran auch, dass man nicht erkennt, aus welchem Sprachraum er kommt.

MusikBlog: Geht eure mögliche Zielgruppe etwa über den deutschen hinaus?

Mika: Nee, knapp über 80 Millionen reicht für den Moment. Aber ehrlich – über Zielgruppen machen wir uns jetzt noch keine Gedanken.

Hannes: Auf den Konzerten sind da eher sehr junge Leute, das Musikszene-Publikum meidet uns, glaube ich, eher.

Mika: Die wollen Diskurse.

MusikBlog: Lebt ihr denn schon von dem, was ihr den anderen bieten könnt?

Mika: Schon, wir leben ja zum Teil auch zusammen. Und wir haben ja auch schon Songs fürs zweite Album fertig, welches es definitiv geben wird.

Hannes: Wir haben ein gutes Leben.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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