Seit mehr als fünfzehn Jahren ist der Brite Ethan Johns als Produzent aktiv: Er zeichnet verantwortlich für so unterschiedliche Alben wie “Poses” von Rufus Wainwright, das Debütalbum von Razorlight oder Tom Jones’ Werk von 2012, “Spirit in the Room”. Auch mit Kings Of Leon, Emmylou Harris, Paul McCartney und Crosby, Stills and Nash hat Johns bereits gearbeitet, außer als Producer auch als Studio-, Bühnen- und Sessionmusiker.
Dass er selbst mal ein eigenes Album herausbringen würde, hatte der 47-jährige lange Zeit ausgeschlossen – der Sohn von Glyn Johns, der in den 1970ern ebenfalls als Produzent für z.B. die Eagles arbeitete, war mit seiner Arbeit im Hintergrund vollauf zufrieden. Bis vor drei Jahren: Ihm wurde bewusst, dass sich ein Kreis schließen würde, wenn er eigene Platten aufnehmen würde – schließlich unterschied sich sein Schaffen als “Geburtshelfer” für die Musik anderer Künstler nicht so sehr davon, eigene Sachen zu komponieren und einzuspielen. Nur wäre es dann sein ganz eigenes Ding, mit seinem Namen vorne auf dem Cover.
Gesagt, getan: 2012 erschien Ethan Johns’ Debüt-Soloalbum, an dem auch seine einstigen Klienten Ryan Adams und Laura Marling beteiligt waren, Adams fungierte als Produzent. Drei Jahre später hatte Ethan Johns genügend Songmaterial für ein neues Album beisammen, der Grundstock für “Silver Liner” war vorhanden. Dieses Mal wollte Johns eine Begleitband der Extraklasse: The Black Eyed Dogs heißt die Truppe aus Ausnahmemusikern wie dem Pedal-Steel-Spieler BJ Cole, Bassist Nick Pini und Drummer Jeremy Stacey.
“Silver Liner” ist ein Americana-Album wie aus dem Bilderbuch geworden. Wie bitte, Americana? Ethan Johns ist doch Engländer? Ja, richtig, aber Johns hat – arbeitsbedingt – viele Jahre in den USA verbracht und das blieb nicht folgenlos. Auf “Silver Liner” klingt Johns wie ein würdiger Nachfahre resp. Kollege von Kris Kristofferson, Neil Young oder Willie Nelson, ein wenig sanfter und düsterer vielleicht, aber definitiv ein Mann der einsamen Straßen und verlassenen Bars abseits der Highways.
Gefühlvolles Gitarrenpicking zeichnet Songs wie “I’m Coming Home” oder den Titeltrack aus, bei “I Don’t Mind” geht es mit dem Akkordeon weitaus zupackender und lebhafter zu. Alternative-Country-Star Gillian Welch singt mit Ethan Johns (der über eine Stimme verfügt, die klingt wie mit einem Reibeisen aufgerauter Samt) das Duett “Juanita”, “The Sun Hardly Rises” oder “Six And Nine” klingen nach Wüstenstaub und Whisky.
Ethan Johns’ Musik ist nachdenklich, melancholisch – er ist kein Haudrauf-Typ, eher ein sanftmütiger Lonely Rider, den es aus dem Vereinigten Königreich in die Vereinigten Staaten verschlagen hat. “Silver Liner” klingt traditionell, fügt dem Americana-Spektrum aber neue Facetten hinzu. Gut, dass Johns aus dem Hintergrund herausgetreten ist.