Grow up, dude. Willis Earl Beals Outsidertum und Besonderheit wurde gestern auf einer Berliner Bühne hübsch zur Schau gestellt. Ja, ja, der Depri-Mucker hatte voll das krasse Leben, einschlägig nachzulesen: Army-Frustration, Obdachlosigkeit in Albuquerque, Knast in Portland, und jetzt die obligatorische Scheidung. Als er bei der überflüssigen Talentshowpenetration „American X Factor“ kraft seiner bluesigen Stimmgewalt relativ weit kommt (warum ein Mr. Outsider auch immer auf so eine Idee kommt), steigt er skandalträchtig mit besoffenem Auftritt freiwillig aus.

Hat ja immerhin gereicht, um von einem renommierten Indie-Label unter Vertrag genommen zu werden und als Musiker tatsächlich Brötchen zu verdienen. Doch nach den zwei ersten, gar nicht uninteressanten Blues-Gospel-Spoken-Word-Gejaule-Alben stieg er auch hier wieder medienwirksam von selbst aus: zu kapitalistisch, die bösen XL Recordings. Wagten es, seine bewegte Biographie zu „vermarkten“.

Willis Earl Beal hat echt Probleme. Kein einziger Funken Glück durchschimmert seine Musik. Was kein Problem ist. Die dunkle Seite der Emotionalität darf genauso Repräsentation erfahren, wie alle Hedonie. Er will Musik machen für „all the lonely psychopaths that listen to music in the middle of the night while riding their bikes.“ Ein weiterer Dean Blunt also, warum nicht?

Doch anstatt wie bei anderen Live-Gelegenheiten den Mut und die Größe zu finden, zu erklären, warum er diese zwei kruden Regeln bei Shows hat, kein Applaus und kein Gejohle, weil er von der beklemmenden Stille angeblich nervöser wird und dadurch besser performt, kommt er gestern mit erklärungsloser Pratzigkeit, und damit gewinnst du in Berlin immer Blumentöpfe.

Kein Applaus und kein Gejohle, waren die militärischen Ansagen, „your body heat is enough“. Als sich ein Berliner Neunmalklug partout nicht daran halten wollte wurde es cholerisch. Es fielen lächerliche No-Go-Phrasen für Bühnenperformer wie „You’re coming to my show and…“ oder „Really, you wanna fuck with me?“. Als er dann noch selbst und unbemerkt das Cinchkabel zu seinem am Boden liegenden MP3-Player zog, ja, seine Begleitmusik kam ausschließlich vom Band, und ohne Karaoke ins Dunkel sang, war das Kind endgültig in den Brunnen gefallen. Pflichtbewusst wurde sich um sein Cinchkabel gekümmert, wie um eines Königs Haartolle.

Wenn Willis Earl Beals Traurigkeitselegien konform gehen würden mit einem Mindestmaß an Humanität und Devotion vor der allgemeinen Problemhaftigkeit unserer Welt, dann wäre seine Musik tatsächlich wunderschön traurig und sein Outsidertum herzzerreißend liebenswert. Aber mit dermaßen viel Cholerik, Arroganz und Desinteresse vor der Tatsache, dass er nicht allein ist auf der Welt, ist seine traurige traurige Musik letztlich ein Bluff. Im Englischen gibt es die schöne Redewendung „you talk the talk, but do you walk the walk?“

Willis Earl Beal singt zu spät gekommen und zu früh gegangen Karaoke in einem halbverkauften Berliner Venue und beschimpft alles, was nicht nach seiner cholerischen Pfeife tanzt. Jedem das seine.

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