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Mein Dad ist immer noch sehr wichtig für die Band – Mystery Jets im Interview

Die Mystery Jets waren schon immer ein Kollektiv, das sich nicht so richtig einfangen ließ. Als Mitbegründer der Post-Libertines-Ära vergnügten sich Blaine Harrison (Gesang), William Rees (Gitarre), Kai Fish (Bass) und Kapi Trevedi in den vergangenen zehn Jahren stets in wechselnden musikalischen Territorien. Angefangen von psychedelischem Progrock über wabernden Pop mit elektronischen Elementen bis hin zu urbanen Americana-Fingerzeigen: Die Band aus Eel Pie Island in Südengland ließ die Dinge einfach laufen. Mit ihrem neuen Album “Curve Of The Earth” kehrt die Band nun zu ihren Wurzeln zurück. Soll heißen: schnörkelloser Gitarrenpop gepaart mit breitbrüstigem Songwriting. Wir trafen uns mit Sänger Blaine Harrison in Berlin und plauderten über musikalische Entstehungsprozesse, einsame Stunden am Strand und das Lösen von Ketten.

MusikBlog: Blaine, nach einer zehnjährigen Rundreise durch diverse musikalische Gefilde, kehrt ihr mit dem neuen Album “Curve Of The Earth” wieder zu euren Wurzeln zurück. Ein bewusster Schritt?

Blain Harrison: Eigentlich nicht. Da steckt eher ein Prozess dahinter, den wir so erst einmal gar nicht vor Augen hatten.

MusikBlog: Ein interner Prozess? Oder wurde von außen Einfluss genommen?

Blain Harrison: Sowohl als auch. Als wir vor drei Jahren von unserer “Radlands”-Tour aus Amerika zurückkehrten, bot man uns eine Lagerhalle in einer alten Knopffabrik als Studio an. Wir hatten unser komplettes Equipment bis dato immer von einem Ort zum anderen gekarrt. Wir hatten also erstmals die Möglichkeit, irgendwo heimisch zu werden. Dieser Ausgangspunkt, der von außen kam, setzte letztlich einen internen Prozess in Gang, der irgendwann auch in der Musik Spuren hinterließ.

MusikBlog: Habt ihr euch ohne Wenn und Aber auf diesen Prozess eingelassen? Oder gab es auch Momente, in denen ihr zurückrudern wolltet?

Blain Harrison: Wir haben es durchweg genossen. (lacht) Es war wie eine Befreiung. Wir fühlten uns erstmals an einen Ort gebunden, der uns alle Freiheiten gab. Wir konnten endlich mal alle unserer Instrumente auspacken, das komplette Equipment ausbreiten und uns mit dem Gesamtbild beschäftigen. Das hat unheimlich viel Kreativität und Energie freigesetzt.

MusikBlog: Und Freiheit?

Blain Harrison: Genau. (lacht) Plötzlich fiel uns eine Last von den Schultern, die wir vorher gar nicht bemerkt haben. So kamen dann auch wieder Erinnerungen an unsere Anfangstage hoch. Damals, als wir noch nicht so viel rumgereicht wurden und das Musizieren an sich oberste Priorität genoss. Dieses Gefühl hat uns dann auch musikalisch wieder rückwärts laufen lassen.

MusikBlog: Neben dem neuen “Band-Zuhause” sollst du dir auch noch explizit eine Strandhütte gemietet haben. Warum diese Einzel-Flucht?

Blain Harrison: Ich wollte das Songwriting in eine neue Richtung lenken. Bisher haben wir immer gemeinsam Ideen ausgearbeitet. Diesmal wollte ich einen Großteil der bereits vorhandenen Songskizzen mit mir selbst ausmachen. Dafür habe ich eine kleine Strandhütte angemietet, in die ich mich oft zurückgezogen habe. Das war unheimlich inspirierend.

MusikBlog: Die anderen Jungs hatten damit kein Problem?

Blain Harrison: Nein, überhaupt nicht. Ich hab mich ja nicht heimlich verabschiedet, oder weil ich das Gefühl hatte, ich könne das Ding nur alleine rocken. Ich wollte es einfach nur mal ausprobieren.

MusikBlog: Mit Erfolg. Die neuen Songs klingen sehr intensiv und unangestrengt.

Blain Harrison: Ja, das empfinden wir alle genauso. Es hat sich definitiv gelohnt. Manchmal muss man einfach eine Abzweigung nehmen, um das Ziel wieder klar vor Augen zu haben.

MusikBlog: Demnach werdet ihr auch in Zukunft an diesem Arbeitsprozess festhalten?

Blain Harrison: Im Moment passt es wunderbar. Die Platte zeigt, dass wir alles richtig gemacht haben. Aber wer weiß schon, was in zwei Jahren in unseren Köpfen vorgeht. Ich würde jetzt nicht zwingend von einem grundlegend neuen Bandkapitel sprechen. Es ist eher eine schöne Momentaufnahme.

MusikBlog: Lass uns noch einen Blick zurück werfen. Ihr wurdet zu Beginn eurer Karriere oftmals als Exoten abgestempelt. Damals war dein Vater noch Teil der Band. Mittlerweile hat sich der gute Henry aus der Live-Geschichte rausgezogen. Ist dein Dad komplett raus? Oder fungiert er noch im Hintergrund als imaginäres fünftes Bandmitglied?

Blain Harrison: Mein Dad ist immer noch komplett involviert. William (William Rees, Gitarre) und ich schreiben viele Songs gemeinsam mit meinem Dad. Er ist oftmals der, der uns beide in die richtige Richtung lenkt. In besagter Strandhütte habe ich beispielsweise jede Menge Ideen zusammen mit meinem Vater ausgearbeitet. Da ging es vor allem um musikalische Hilfestellungen. Mein Dad hat unheimlich Erfahrung. Er weiß immer genau, was einen Song besonders macht. Wir saßen oft am Strand, tranken Wein, rauchten Zigaretten und brüteten stundenlang über unzählige Skizzen. Er ist immer noch sehr wichtig für die Band.

MusikBlog: Wer oder was ist noch unverzichtbar für die Band?

Blain Harrison: Nicht mehr viel. Unsere Fans natürlich. Ohne die würde natürlich gar nichts laufen. Aber ansonsten stehen wir mittlerweile weitestgehend auf eigenen Füßen. Wir brauchen keine Ratschläge mehr. Wir kennen das Business und wissen, was wir wollen. Das neue Album haben wir auch nicht aus der Not heraus komplett selbst produziert. Das war schon so gewollt. Irgendwann kommt man als Band einfach an einen Punkt der Abnabelung. Dann muss man beweisen, dass man es auch alleine drauf hat. Ich bin froh, dass wir diesen Schritt schon lange hinter uns haben.

MusikBlog: Nach der Fertigstellung eines Albums folgt meist eine Tour als nächster Schritt. Bisher sind allerdings nur einige UK-Gigs bestätigt. Kommen wir hier in Deutschland auch noch in den Live-Genuss der neuen Songs?

Blain Harrison: Auf jeden Fall. Wir arbeiten momentan fieberhaft an einer flächendeckenden Tour. Bisher ist aber leider noch nichts in trockenen Tüchern. Aber ich denke, dass neben den UK-Shows noch viele weitere hinzukommen werden. So ist zumindest der Plan.

MusikBlog: Ein guter Plan.

Blain Harrison: Absolut. (lacht)

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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