Lust, Liebe, Leben: Was wie die klebrige Quintessenz eines blumigen Rosamunde Pilcher-Romans anmuten mag, lässt sich seit neuestem auf krachenden Post-Punk übertragen. Wirklich wahr: Es rappelt gewaltig in der prall gefüllten Post-Punk-Mottokiste, die sich jeglicher verruchten Liebes-, Lust- und Lebensthematiken bedient. Denn keine frischen drei Musikjahre zählt das Debüt an den Fingern ab, da rüstet sich das viel beheischte Musikerinnen-Quartett um Savages einmal mehr mit vollgepackten Soundmaschinerien gegen das gemeine Trommelfell auf. Irgendwie Patti Smith-ig, ziemlich Siouxsie And The Banshees-ig, unfassbar großart-ig: Das ist „Adore Life“.

Und „Adore Life“ möchte keineswegs schonen. Verdammt unverfroren stürmt es kompromisslos in die ersten vier Begrüßungstakte, mit einem an den Nerven zerrenden und nach Untermalung schreienden Riff schreitet es sogleich in die Vollen: „If you don’t love me you don’t love anybody“ („The Answer“). Es bleiben keine naiven Fragen offen, wohin das Ganze geht: Savages Zweitling strotzt vor klaren Wirren und wirrer Klarheit – Amps kreischen, Sängerin Jehnny Beth zieht gleich und lässt eingängige Melodien knirschend gegen Sequenzer-Wände krachen.

Und überhaupt: Becken sprengen sich aggressiv zwischen aufgeregte Gitarrenspielereien, die das „E“ in der „E-Gitarre“ in all seinen Zerrungen genüsslich auskosten. Der Bass stellt sich breitbeinig strotzend dazwischen, wie das punkig-treibende „T.I.W.Y.G.“ formschön beweist, und verzweifelte Sprünge in die Kopfstimme kommen mit einer fast spontan anmutenden Souveränität daher.

Das Spiel mit der Koketterie, das ist der zentrale Bestandteil der Platte. Post-Punk, Liebe, Koketterie – absurd? Vielmehr mag sich Beth nicht entscheiden zwischen verführerisch anmutender Samttonerei mit leichtem Vibrato-Einschlag und aufgekratzter Stimmenwilderei („Evil“). Auf welche Seite sie sich jedoch stellt, ist die ganz eigene: jene des schattigen, wirren, zweifelnden und hoffenden Ichs.

Und hierin liegt der unscheinbare Unterschied zum 2013er „Silence Yourself“: „Adore Life“ kann auch (be)sinnlich; etwa, wenn sich alles um die Frage nach dem schuldfreien Lebensgenuss dreht, zeigen Savages in „Adore“ mittels samtiger Anfänge und sich steigernder Crescendi, wie nahe sie sich und dem Publikum nun zu kommen wagen. Da kommt die unweigerliche „Post“ vor dem unnachgiebigen „Punk“ durch: genüsslich, schwermütig, dunkel, vollbeladen und zögernd.

Natürlich ist das Ganze auch weiterhin zornig – doch hier kommt der gesunde, produktive und reflektierende Zorn weitaus mehr durch die knechtenden Triebe des Punk. Es erschlägt mit der genau richtig portionierten schrägen Ehrlichkeit und setzt mit dem Vorschlaghammer eben da an, wo es fast zu bluten vermag: an unserer eigenen Unfehlbarkeit.

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