MusikBlog - Entdecke neue Musik

Der Berliner macht sich was vor – Isolation Berlin im Interview

Berlin ist geil. An der Spree steppt der Bär. Und überhaupt. Was wollen Hamburg, München und Köln? Wer was auf sich hält, der zieht nach Berlin. Jahrelang stand der Rest der Republik im Schatten der ach so hippen Arm-aber-geil-Hauptstadt. Mittlerweile hat sich die Situation aber verändert. Die Jungs von Isolation Berlin können davon ein Lied singen – sogar mehrere Lieder.

Sänger Tobias Bamborschke, Bassist David Specht, Schlagzeuger Simeon Cöster und Gitarrist Max Bauer haben die Zeichen der Zeit längst erkannt. Icke bin Berliner, wat icke kann kann keener? Nix da. Pustekuchen. Berlin erstickt im tristen Grau. Das Debütalbum des Quartetts “Und Aus Den Wolken Tropft Die Zeit” spricht jedenfalls eine deutliche Sprache. Det Ding is durch. Wirklich so schlimm? Oder reden wir hier nur von einer Phase? Wir trafen uns mit Sänger Tobias und fragten nach.

MusikBlog: Tobias, Berliner kommen ja normalerweise aus dem Schwärmen nicht heraus, wenn es um ihre Stadt geht. Ihr hingegen malt mit eurem Debütalbum “Und Aus Den Wolken Tropft Die Zeit” ein ganz anderes Bild von der Stadt. Man könnte fast schon von einer Anti-Haltung sprechen. Wie kommt’s?

Tobias Bamborschke: Man muss doch einfach nur mal mit offenen Augen durch die Straßen laufen. Also wenn ich mit der Bahn unterwegs bin, dann sehe ich reihenweise Menschen heulen, schreien und kotzen. Sicher, es gibt bestimmt auch viele glückliche Menschen hier. Aber es gibt halt echt Ecken in der Stadt, in denen man von Krisen förmlich überrollt wird.

MusikBlog: Ihr bezieht euch also nur ausschließlich auf das, was ihr mitbekommt?

Tobias Bamborschke: Nein. Das Album thematisiert natürlich auch persönliche Krisen. Mir ging’s zeitweise auch ziemlich dreckig. Das steckt natürlich auch in dem Album drin. Irgendwie ist alles drin: meine Krisen, andere Krisen, das Stadtbild an sich.

MusikBlog: Du würdest also behaupten: Der breitbrüstige Berliner macht sich im Allgemeinen etwas vor?

Tobias Bamborschke: Das würde ich nicht nur behaupten. Das ist einfach so. Es sei denn, er fühlt sich in diesem grauen Schlund wohl. Dann passt es natürlich.

MusikBlog: Der eine oder andere waschechte Hauptstädter mault jetzt bestimmt rum. So nach dem Motto: typische Haltung von Zugezogenen.

Tobias Bamborschke: Mag sein. Aber das ist doch völlig egal. Ich bin mit 13 nach Berlin gezogen. Die anderen wohnen auch schon lange in der Stadt. Ob ich nun hier geboren wurde oder nicht, spielt doch keine Rolle. Ich hab doch Augen im Kopf.

MusikBlog: Von Berlin zu dir: Du sprachst eigene Krisen an. Dürfen wir mehr erfahren?

Tobias Bamborschke: Ich war zum Zeitpunkt der Entstehung des Albums gerade frisch aus einer Beziehung raus. Da geht’s einem nun mal nicht so gut. Ich denke, dass hört man dem Album auch an.

MusikBlog: Statt den Kummer kryptisch zu verpacken, sprichst du die Dinge klar an. Eine bewusste Herangehensweise?

Tobias Bamborschke: Ich hab mir da nicht so viele Gedanken gemacht. Letztlich denke ich aber; je klarer man die Sachen beim Namen nennt, desto schneller befreit man sich. So bin ich eigentlich schon immer gewesen. Insofern war es dann wahrscheinlich doch eine bewusste Herangehensweise. (lacht)

MusikBlog: Wir wollen jetzt aber auch nicht alles ins Grau ziehen. Es gibt schließlich auch euphorische Songs von euch wie “Annabelle” oder “Swantje”.

Tobias Bamborschke: Eben. Die sind zwar schon ein bisschen älter. Aber es gibt sie. (lacht)

MusikBlog: Apropos älter: Ihr musiziert ja jetzt seit knapp drei Jahren zusammen. Erinnerst du dich noch an die Anfänge?

Tobias Bamborschke: Naja, ich weiß noch, dass ich damals permanent auf der Suche nach Songs war, die zu meinem Zustand passten. Ich habe aber keine gefunden. Also habe ich mich irgendwann hingesetzt und angefangen, eigene Songs zu schreiben. So ging das dann los.

MusikBlog: Ihr hattet dann auch relativ schnell zwei EPs am Start.

Tobias Bamborschke: Nun, die EPs haben wir eigentlich nur aufgenommen, weil wir noch keine komplette Band waren. Wir hatten zwar schon viele Songs, die eine gewisse Live-Energie besaßen, aber halt nicht die Mittel, um sie vernünftig aufzunehmen. Daher haben wir uns erstmal für die EPs entschieden.

MusikBlog: Musikalisch ist das alles unheimlich schwer einzuordnen. Pop, Chanson, Noiserock: Wie kommt man auf so eine Mixtur?

Tobias Bamborschke: Wir haben die Dinge einfach laufen lassen. Es gab keinerlei Konzepte. Irgendwann ist man dann halt drin, wie auch immer man das nennen mag.

MusikBlog: Es klingt auf jeden Fall eigenständig und authentisch.

Tobias Bamborschke: Klingt wie ein Kompliment.

MusikBlog: Ist es auch.

Tobias Bamborschke: Vielen Dank.

MusikBlog: Gerne. Ich höre auch ein bisschen Rio Reiser raus.

Tobias Bamborschke: Da steckt aber keine große Geschichte dahinter. Ich höre auch immer wieder von Leuten, dass wir ein bisschen wie Joy Division klingen. Sicher, wir hatten alle mal unsere Phasen, in denen bestimmt auch Bands wie Joy Division oder Ton Steine Scherben eine Rolle gespielt haben. Aber wir nehmen das alles nicht bewusst in unseren Sound mit auf. Ich schreibe halt zuerst die Texte, und wir gucken dann einfach, was musikalisch dazu passen könnte. Da laufen dann keine Inspirations-Alben im Hintergrund. Das kommt irgendwie alles von selbst.

MusikBlog: Ist das eine Momentaufnahme?

Tobias Bamborschke: Nein. Das ist unser Ding. So arbeiten wir. Und so wollen wir auch klingen. Ich will auch in Zukunft jeden Song als Unikat betrachten. Das finde ich wesentlich spannender, als irgendwann einer durchgehenden Richtung zu folgen.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

Facebook
Twitter

Schreibe einen Kommentar

Das könnte dir auch gefallen

Login

Erlaube Benachrichtigungen OK Nein, danke