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In welchem Rahmen spielt eine untergeordnete Rolle – Jamie Lawson im Interview

Als Jamie Lawson im Oktober des vergangenen Jahres mit der Single “Wasn’t Expecting That” die Singer/Songwriter-Branche um den Finger wickelte, sprachen viele von der Geburtsstunde eines neuen Lagerfeuer-Juwels von der Insel. Nur wenige wussten zu der Zeit mehr über den Sänger aus Plymouth. Einer von ihnen hieß Ed Sheeran. Und der konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Jamie Lawson war im Oktober 2015 nämlich längst kein Business-Greenhorn mehr. Der Sänger hatte zu der Zeit bereits zwei Alben und eine über zehnjährige Laufbahn als Open-Mic-Experte auf der Habenseite.

Ed Sheeran kannte und bewunderte Jamie Lawson schon seit vielen Jahren. Als Ed im vergangenen Jahr dann sein eigenes Label gründete, stand Jamie ganz oben auf seiner Liste. So griff ein Rädchen ins nächste. Mit einem neuen Plattenvertrag im Gepäck und einem etablierten Fürsprecher in Gestalt von Ed Sheeran an seiner Seite, katapultierte sich Jamie Lawson praktisch über Nacht ins Rampenlicht. Dieser Tage erscheint das in England bereits seit Monaten erhältliche selbstbetitelte neue Album von Jamie Lawson endlich auch hierzulande. Wir trafen Jamie in Berlin und sprachen über vermeintlichen Übernacht-Erfolg, Ed Sheeran und unnötigen Druck.

MusikBlog: Jamie, du hast jahrelang von der Hand in den Mund gelebt. Jetzt werden dir plötzlich überall rote Teppiche ausgerollt. Wie fühlt sich das an?

Jamie Lawson: Unwirklich. (lacht)

MusikBlog: Gewöhnungssache?

Jamie Lawson: Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Keine Ahnung. Momentan fühle ich mich jedenfalls wie in einer Blase. Jeden Tag passiert etwas. Ich bin permanent unterwegs. Jetzt hocke ich hier in Berlin. Das ist schon ziemlich abgefahren.

MusikBlog: Aber doch besser als vorher, oder?

Jamie Lawson: Ja, natürlich. Ich meine, ich habe mich nie beschwert. Ich bin gerne durch die Kneipen getingelt. Ich habe auch gerne im Wohnwagen gelebt. Aber als Musiker will man natürlich so viele Leute wie möglich erreichen. Insofern macht mich das Hier und Jetzt schon glücklich.

MusikBlog: Das Hier und Jetzt ist ganz eng mit dem Namen Ed Sheeran verbunden. Du bist der erste Künstler auf seinem neuen Label. Ihr kennt euch aber schon länger, richtig?

Jamie Lawson: Ed hatte gerade bei Atlantic unterschrieben als wir uns das erste Mal über den Weg liefen. Wir hatten denselben Freundeskreis. Das ist schon ziemlich lange her. Ich kann mich noch erinnern, wie wir Nummer austauschten und dabei vom großen Durchbruch träumten. Bei ihm hat es ja dann geklappt. Danach haben wir uns irgendwie aus den Augen verloren. Er beamte sich in die Charts, und ich zog mit meiner Gitarre weiter von Bar zu Bar.

MusikBlog: Irgendwann kreuzten sich eure Wege aber wieder.

Jamie Lawson: Ja, wohl wahr. Und ich bin sehr dankbar dafür. (lacht) Er hatte meinen Song „Wasn’t Expecting That“ gehört, und er erinnerte sich wieder an unsere erste Begegnung. Ich war damals auf einer Open-Mic-Tour und bekam irgendwann die Nachricht, dass sich Ed gemeldet hätte und fragte, ob ich nicht Lust hätte, für ihn ein Konzert in Dublin zu eröffnen. Kurz darauf wurde ich für seine komplette Tour gebucht. Das war schon heftig. Plötzlich spielte ich teilweise vor 10.000 Leuten. Die Woche davor waren es noch 30 oder 40.

MusikBlog: Die Reise ging aber noch weiter. Ed nahm dich unter Vertrag, und dein neues Album grüßte mal ebenso von der britischen Charts-Spitze. Wie macht sich Ed Sheeran eigentlich so als “Boss”?

Jamie Lawson: Ed macht das großartig. Er ist ein cooler Boss. Für seine 25 Jahre ist er schon enorm clever. Er weiß genau, was er will. Und damit meine ich nicht nur seine eigenen Belange. Es macht Spaß mit ihm zu arbeiten.

MusikBlog: Keine Allüren?

Jamie Lawson: Nicht die Spur. Er ist trotz seiner enormen Erfolgsgeschichte auf dem Boden geblieben. Das macht ihn unheimlich sympathisch.

MusikBlog: Er scheint dir auch musikalisch völlig freie Hand gelassen zu haben. Dein neues Album unterscheidet sich in punkto Sound nur unwesentlich von deinen älteren Werken.

Jamie Lawson: Das hätte aber auch nicht anders funktioniert. Ich wollte mich nicht verbiegen. Ich bin das Album genauso angegangen wie die Alben davor.

MusikBlog: Mit deiner Mischung aus Folk und Pop stehst du gerade nicht alleine da. Gibt es ähnlich klingende Kollegen, die dich hinsichtlich deines neuen Albums inspiriert haben?

Jamie Lawson: Nein. Wenn ich Songs schreibe, bin ich nur bei mir. Alles andere blende ich dann aus.

MusikBlog: Ich habe gelesen, dass “Out Of Time” von R.E.M. zu deinen Lieblingsalben zählt. Was ist für dich das Besondere an diesem Album?

Jamie Lawson: Dieses Album war das erste, bei dem es mir wichtig war, zu erfahren, was hinter den Texten steckt. Davor hat mich immer nur die Musik und der Klang interessiert. Die Texte waren mir nie sonderlich wichtig. Als dann aber “Losing My Religion” rauf und runter gespielt wurde, hat es bei mir klick gemacht. Plötzlich erkannte ich, dass ein Song auf mehreren Ebenen funktionieren kann. Damals gab es bestimmt Millionen Menschen, die den Song einfach nur mitgeträllert haben, weil er schnell ins Ohr ging. Ich merkte aber, dass unter der Oberfläche noch viel mehr steckte. Ich hatte also plötzlich zwei Versionen des Songs im Kopf. Da war diese vermeintlich fröhliche Hit-Single auf der einen Seite, und dieser nachdenkliche, mich wirklich berührende Track auf der anderen. Das hat mich fasziniert. Seitdem hat sich mein Bewusstsein fürs Songwriting grundsätzlich verändert.

MusikBlog: Einer der Eckpfeiler deines neuen Albums ist sicherlich der Song “Wasn’t Expecting That”. Würdest du heute mit dem Schreiben deiner Biografie beginnen, wäre das doch wahrscheinlich der ideale Titel, oder?

Jamie Lawson: Absolut. (lacht) Ich hab mich zwar nie hängen gelassen, aber erwartet habe ich das alles, ehrlich gesagt, nicht mehr. Zumindest nicht in dieser Größenordnung.

MusikBlog: Amerika, Australien, Europa: Mitte Februar geht’s auf große Tour. Vorfreude pur?

Jamie Lawson: Grundsätzlich schon. Ich merke aber auch, dass ich ziemlich angespannt und aufgeregt bin. Ich hoffe, das legt sich noch. Aber wenn nicht, dann ist es halt so. Sollte ich scheitern, ziehe ich halt wieder durch die Bars und Kneipen. Ich will mir keinen Druck machen. Wichtig ist nur, dass ich Musik machen kann. In welchem Rahmen spielt eigentlich nur eine untergeordnete Rolle.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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