Du guckst sie Dir genau an, die freudig wartende Menschenmenge, und fragst Dich unweigerlich: Was hat diese bunt zusammengewürfelte Meute dazu bewogen, sich an einem sonnengetränkten Samstagabend DSDS entgehen zu lassen? Von 9-90 Jahren, von Abendkleid- bis Schweißarmbandtragenden, von Hinz bis Kunz standen die Herr- und Damenschaften pünktlich zur Primetime auf der Lilly Wood & The Prick-Matte. Die hochoffizielle Stabsversammlung der Indiemeute? Sie bleibt im Publikum aus.

Die italienische Singer-Songwriterin Missincat weiß diese Diversität reizend einzufangen. Umgeben von allerlei später aufzufahrender Technik, füllt sie mit ihrer liebreizenden Präsenz im Sologang die Bühne. Im fliegenden Wechsel zwischen unaufdringlichen Saiten- und dahinfließenden Tastenklängen begleitet sie ihren akkordgetragenen Folk-Pop recht minimalistisch, jedoch herzergreifend sympathisch. Die Menge mag es. Die Menge klatscht höflich-enthusiastisch. Die Menge wartet auf Lilly Wood & The Prick.

Und die Menge bekommt sie – in gleich sechsfacher Live-Ausstattung. Aufgefahren wird, was gekonnt ist: Im perfekten Livesound übertragen sich die tanzbaren Klänge direkt auf die Tanzwut des noch zögerlichen Publikums. Mit dem Opener „By Myself“ grooven sich nicht nur die Band, sondern auch die Zuhörenden ein: synchrones Sympathiehüpfen auf der Bühne und gediegenes Schunkeln davor sind zu stimmigen Chören und ekstatischer Mähneschüttelei schon drin. Doch da geht noch etwas. Und es kam noch etwas.

Ein verständiger Mix der bisherigen drei Alben des Franzosengespanns servierte einen ordentlichen Spannungsbogen: Vornehmlich mit trippelnden Disko-Beats auf die Indie-12 hauend, kommen die Perlen der zweiten Platte nochmals glänzend zum Vorschein oder mischen sich Stücke der neuen „Shadows“-Veröffentlichung in weitaus instrumentalerer Ausrichtung unter das tanzende Volk.

Dass das Rezept in der Hanseperle so gut funktioniert, genießt die Band sichtlich. Strahlend, hüpfend, lobend und einen Hauch überrascht präsentieren sich die Sympathiebolzen und vergewissern sich zwischendurch ungläubig, ob unter den textsicheren Enthusiasten und Enthusiastinnen denn tatsächlich Deutsche seien („Ihr lügt doch – es sind immer nur Franzosen bei unseren Shows“). Mit nur wenig Entschleunigungsphasen („L’enfance“) und ganz viel Harmonie steuert das Konzert auf das Unvermeidliche zu:

Eine fast schon entschuldigende Ankündigung eben des Songs, der den meisten Leuten das eine ums andere Mal hartnäckig im Gehör stecken geblieben sein dürfte; und welcher aller Wahrscheinlichkeit nach den Großteil des Publikums von der heimischen Couch in die Konzerthalle zog: „Prayer In C“, das Original zum unsäglichen Robin Schulz-Remix.

Danach scheint es, als sei der Bann gebrochen: Wie schon dieser Remix eine kleinere Revolution in der Soundwelt der Franzosen einforderte, zieht es die Sampling Pads verstärkt in den Bühnenfokus. Doch das füttert der Feierei auf beiden Seiten der Bühne nur zu: Das an Those Dancing Days erinnernde „Down The Drain“ fordert ebenso den einen oder anderen Muskelkater, wie der in Ekstase vom Publikum getragene „Hey It’s Okay“-Abschluss.

Zufrieden und in einer einzigen Harmonieblase schwebend scheinen sie alle zu sein: Publikum, Band, Verantwortliche. DSDS kann man schließlich immer noch in der Mediathek schauen.

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