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Poliça – United Crushers

Dass ein Baby die Lebensgewohnheiten völlig auf den Kopf stellt, wissen alle Eltern – und wenn ein zweites Kind kommt, ist noch mehr Organisationstalent gefragt. Das betrifft “Normalos” genauso wie KünstlerInnen, was auch die amerikanische Band Poliça erfahren musste:

Als Sängerin und Songwriterin Channy Leaneagh erneut schwanger war, standen die Aufnahmen zum dritten Album an – und Leaneagh pendelte zwischen Studio und Toilette hin und her, Schwangerschaftsübelkeit lässt sich schließlich nicht von künstlerischer Tätigkeit beeindrucken.

Umso beeindruckender ist es, dass Poliça mit “United Crushers” trotz (buchstäblich) erschwerter Umstände ein richtig tolles Album gelungen ist – inklusive Schwangerschaftsdarstellung auf dem Cover.

Wer das Quintett aus Minneapolis schon mal live erleben durfte, wird vom Dialog der beiden Schlagzeuger begeistert gewesen sein, und natürlich vom expressiven Gesang Leaneaghs, den sie mit gothic-hafter Bühnenshow begleitet. Poliça standen für vielschichtigen, atmosphärischen Sound, und Justin Vernon von Bon Iver bezeichnete die Band gar als “die beste, die er jemals gehört” habe, auch Jay Z bekannte sich als Fan.

“United Crushers” klingt nun deutlich reduzierter – ohne dass die “Entschlackung” des Sounds auf Kosten der Songs ginge, im Gegenteil: Poliça haben Soul und R’n’B entdeckt (siehe/höre z.B. “Lately”), allerdings in einer sehr runtergestrippten Form, was ein bisschen an James Blake oder Portishead erinnert.

Verschleppte Beats im Trip-Hop-Style, breit angelegte Synthieflächen – ja, die beiden Drummer gibt es noch, aber weniger wuchtig, etwas leiser, zarter, sensibler spielend. Den neuen Stücken tut das gut, da mehr Varianz zugelassen wird, Atmosphäre nicht mehr über alles geht, sondern dem Detail mehr Aufmerksamkeit zuteil wird.

“Berlin” zum Beispiel beginnt mit langsam sich steigernden Beats, die an entfernt über die Gleise ratternde Stadtbahnen denken lassen, im Hintergrund ertönen Sound- und Musikfetzen, Channys Stimme wirkt verloren, suchend – und doch wird die Faszination deutlich, die von der Stadt ausgeht. Ein eher ruhiges Stück, aber maximal eindrucksvoll.

Das turbulentere, tanzbare “Baby Sucks” mit seinen munteren Achtzigerjahre-Bläsern handelt indes nicht von milchtrinkenden Säuglingen, sondern von den Verwerfungen des Showgeschäfts – auch das fällt bei den neuen Songs auf: Poliças Welt besteht definitiv aus Innen und Außen, aus intensiver Emotionalität im Privaten, und messerscharfer Beobachtung/Kommentierung der Öffentlichkeit.

“United Crushers” ist ein großer Schritt für Poliça, die ganz offensichtlich Kinder und Karriere unter einen Hut bekommen.

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