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Uns wurde der Boden unter den Füßen weggerissen – School Of Seven Bells im Interview

Als am 29. Dezember 2013 die Nachricht vom Tod des School Of Seven Bells-Mitbegründer Benjamin Curtis die Runde machte, trug die Indie-Pop-Welt Trauer. Der Krebs hatte gesiegt. Nach endlosen Chemotherapie-Strapazen schloss der Musiker für immer seine Augen. Zwei Jahre später werden nun die letzten musikalischen Geniestreiche des Songwriters, Gitarristen und Drummers in Form des Albums “SVIIB” veröffentlicht. Wir verabredeten uns mit Benjamins langjähriger SVIIB-Partnerin Alejandra Deheza und sprachen mit ihr über die wohl schwierigsten zwei Jahre ihres bisherigen Lebens.

MusikBlog: Alejandra, normalerweise steht bei einem Künstler die pure Vorfreude im Vordergrund, wenn ein neues Album in den Startlöchern steht. Dich hingegen begleitet dieser Tage eher ein Gefühl der Zerrissenheit, oder?

Alejandra Deheza: Ja, es ist wirklich nicht einfach. Da ist dieses warme und zufriedene Gefühl auf der einen Seite. Und auf der anderen Seite ist da dieser nicht enden wollende Schmerz. Es ist ein Wechselbad der Gefühle.

MusikBlog: Kommen momentan besonders viele Erinnerungen wieder hoch?

Alejandra Deheza: Ja und nein. Natürlich ist es so, dass sich die Promo-Phase für das Album in erster Linie um Benjamin dreht. Das macht es für mich natürlich nicht gerade einfacher. Andererseits ist es aber auch so, dass ich einen sehr langen Produktionsprozess hinter mir habe, bei dem ich tagtäglich mit Erinnerungen konfrontiert wurde. Ich denke, dass mich die Arbeit an diesem Album auch stark gemacht hat. Ich wusste, dass die Tage der vielen Fragen kommen würden. Das war mir immer bewusst. Ich würde heute liebend gerne über ein anderes Hier und Jetzt reden. Aber das funktioniert nun mal leider nicht. Es ist aber ok so.

MusikBlog: Ich habe letztens irgendwo einen fröhlichen Insider-Bericht über eure Neujahrsparty 2012 gelesen. Ihr habt damals zusammen mit eurem Manager Ryan Gentles ins neue Jahr gefeiert. Zwei Monate später kam dann die Diagnose.

Alejandra Deheza: Ja, es war furchtbar. Es kam wie aus dem Nichts. Niemand hatte damit gerechnet. Wir waren alle total happy, hatten die Zeit unseres Lebens und freuten uns schon total auf die anstehenden Arbeiten. Und dann plötzlich: Peng! Praktisch über Nacht wurde uns allen der Boden unter den Füßen weggerissen. Es war der Horror.

MusikBlog: Benjamin hat dann ein knappes Jahr lang alle Kräfte gebündelt und gegen den Krebs angekämpft.

Alejandra Deheza: Es gab gute und schlechte Tage. Irgendwann wurden wir aber darüber in Kenntnis gesetzt, dass seine Form des Lymphknotenkrebs mehr oder weniger resistent gegen alle denkbaren Chemotherapien ist. Das war dann der Moment, in dem uns bewusst wurde, dass wir uns auf das Schlimmste einstellen mussten.

MusikBlog: Während dieser Zeit habt ihr an neuen Songs gearbeitet. War die Musik ein willkommenes Licht am Ende des Tunnels?

Alejandra Deheza: Auf jeden Fall. Sicher, es war schwer für alle. Aber die Musik war wie eine externe Chemotherapie. Sie hat uns immer wieder über Wasser gehalten, uns gestärkt und uns ein Lächeln ins Gesicht gezaubert.

MusikBlog: Es gab also keinen Moment, in dem du dich gefragt hast, ob es nicht vielleicht besser wäre, die Arbeit ruhen zu lassen?

Alejandra Deheza: Nein; denn ohne die Musik hätten wir nur den Schmerz gefühlt. So waren die letzten Monate seines Lebens erfüllt von Kreativität und Liebe. Das war unheimlich wichtig für uns alle.

MusikBlog: Das Album präsentiert sich letztlich wie eine musikalische und textliche Umarmung zwischen euch beiden. Es geht erwartungsgemäß sehr tief.

Alejandra Deheza: Vor allem textlich war es eine große Herausforderung. Es gibt viele Passagen, die wirklich unter die Haut gehen. Ich bin dann auch irgendwann aus New York raus und bin nach L.A. gezogen. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sich das Umfeld, in dem ich tag­ein tag­aus mit Benjamin zu Gange war, wie eine schwere dunkle Wolke über mich legte. Nun,… Mehr kann ich dazu gar nicht sagen. Es tut mir leid, aber je intensiver ich damit umgehe… (Alejandras Stimme stockt)

MusikBlog: Verständlich. Überhaupt kein Problem.

Alejandra Deheza: Manchmal geht’s. Und manchmal halt nicht.

MusikBlog: Ok. Vielleicht können wir noch kurz über deine Schwester reden? Claudia war diesmal auch wieder involviert. Wie kam es dazu?

Alejandra Deheza: Es ging um den Song „Music Takes Me“. Benjamin liebte diesen Song. Ich kam allerdings mit einigen Passagen nicht so richtig klar. Ich wusste aber, dass ich den Song mit aufs Album nehmen wollte. Da war ich ganz klar. Ich merkte aber, dass ich Hilfe brauchte. Und dann kam Claudia ins Spiel. Es war wundervoll. Sie kam mit einigen Melodien an. Und es funktionierte. Ich glaube, dass die Produktion dieses Albums kein besseres Ende hätte nehmen können. Wieder mit Claudia zu arbeiten war schön. Sehr schön sogar.

MusikBlog: Das Album erscheint Ende Februar. Was kommt danach?

Alejandra Deheza: Ich schreibe jeden Tag. Es wird für mich weiter gehen. Das School Of Seven Bells-Kapitel ist nun geschlossen. Aber ich werde weiter arbeiten. Das steht fest.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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