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Es kostet mich jedes Mal Überwindung – Lapsley im Interview

Liebhaber von Sounds aus dem Elektro-Pop-Lager reiben sich dieser Tage genüsslich die Tage. Die Branche boomt. Künstler, denen die Melange aus massenkompatiblen Harmonien und wabernden Synthie-Zusätzen am Herzen liegen, schießen momentan wie Pilze aus dem Boden. Mit der Britin Holly „Låpsley“ Fletcher alias Låpsley drängt sich eine weitere Musikerin mit eben jenen musikalischen Vorlieben ins internationale Pop-Rampenlicht. Nach zwei veröffentlichten EPs erscheint nun endlich das langersehnte Debütalbum (“Long Way Home“) der blonden 19-Jährigen aus Southport, Merseyside. Wir trafen uns mit Lapsley in Berlin und sprachen über musikalische Visitenkarten, Kontrolle und die Angst vor dem Versagen.

MusikBlog: Holly, am 04. März erscheint dein Debütalbum “Long Way Home”. Aufgeregt?

Holly Fletcher: Und wie. (lacht) Ich kann es kaum erwarten. Ich will endlich wissen, wie die Leute auf meine Musik reagieren.

MusikBlog: Du hast bereits zwei EP-Veröffentlichungen auf der Habenseite. Die tragen nicht zur Entspannung bei?

Holly Fletcher: Nein, nicht wirklich. Die erste EP habe ich in meinem Kinderzimmer aufgenommen und dann via Soundcloud “veröffentlicht”. Die zweite EP wurde dann schon richtig professionell vermarktet. Aber ein Album ist nochmal etwas ganz anderes. Außerdem hat sich meine Musik auch weiter entwickelt. Ich bin jetzt viel klarer was meine musikalischen Ambitionen betrifft. Es fühlt sich eigentlich jetzt erst richtig an. Meine Stimme, der Sound, die Songs: Dieses Album ist meine erste richtige Visitenkarte.

MusikBlog: Eine Visitenkarte, die derzeit viele Türen öffnet. Elektro-Pop boomt überall. Ein Vorteil? Oder eher ein Nachteil?

Holly Fletcher: Das habe ich mich auch schon gefragt. (lacht) Ich weiß, dass viele Leute denken, dass es leichter ist, ein Bein in die Tür zu bekommen, wenn man etwas bedient, das gerade gehypt wird. Aber es kann auch anders laufen. Man will schließlich nicht nur ein weiteres Anhängsel sein. Man will Aufmerksamkeit. Und je mehr ähnliche Musik auf dem Markt ist, desto schwieriger wird es natürlich. Da ist also auch ganz viel Druck.

MusikBlog: Wie gehst du damit um?

Holly Fletcher: Ich konzentriere mich einfach nur auf mich. Ich versuche, mich nicht verrückt zu machen. Das gelingt mir auch eigentlich ganz gut. Letztlich bin ich einfach nur happy, dass ich die Möglichkeit habe, mich und meine Musik öffentlich zu präsentieren. Allein das ist schon der Wahnsinn. Alles andere ist ein zusätzlicher Bonus.

MusikBlog: Du bist ja eher mit klassischer Musik aufgewachsen. Du spielst Gitarre, Piano und Oboe. Wann hat elektronische Popmusik das Ruder übernommen?

Holly Fletcher: Ich habe mit 14 meine ersten richtigen musikalischen Reisen unternommen. Und elektronische Musik hat mich sofort in ihren Bann gezogen. Da war plötzlich dieser krasse Kontrast zu allem, was ich bisher über Musik wusste. Es war bunt, schrill und laut. (lacht) Aber es war gut. Sogar richtig gut. Danach wollte ich nichts anderes mehr machen.

MusikBlog: Demnach ist das Kapitel “Klassik” für dich geschlossen?

Holly Fletcher: Man soll ja bekanntlich niemals nie sagen. Aber ich denke eigentlich schon. Momentan kann ich mir nicht vorstellen, wieder einen Schritt zurück zu gehen. Ich habe all die Instrumente eigentlich auch nur spielen gelernt, weil ich mich kreativ beschäftigen wollte. Eine musikalische Karriere hatte ich nie vor Augen. Das kam erst als ich mit Pop, Tekkno und R’n’B konfrontiert wurde.

MusikBlog: In der Elektro-Pop-Welt geht es ja auch viel ums Feiern, um Ausgelassenheit und den Moment der Freude. Du hingegen beschäftigst dich in deinen Songs eher mit traurigen Themen. Wie kommt’s

Holly Fletcher: Das habe mich schon viele Leute gefragt. (lacht) Keine Ahnung. Es liegt mir einfach mehr, mich mit melancholischeren Themen zu beschäftigen. Das steckt irgendwie in mir. Dieses ganze Getue um Partys und wilde Club-Nächte interessiert mich einfach nicht. Vielleicht ändert sich das noch. Im Moment schreibe ich aber lieber über Beziehungen, Freundschaften und das alltägliche Kämpfen. Das bringt mir mehr.

MusikBlog: Du hast ja keine Band im Rücken. Die meisten Sounds auf deinem Album hast du selbst eingespielt. Ist dir Kontrolle wichtig?

Holly Fletcher: Ich gebe sie nur ungern aus der Hand.

MusikBlog: Warum?

Holly Fletcher: Ich rede mir immer ein, dass ich am Ende des Tages nur mir die Schuld geben will, wenn etwas schief gelaufen ist. (lacht)

MusikBlog: Sehr sympathisch. Wo verbringst du eigentlich am liebsten Zeit? Auf der Bühne? Im Studio?

Holly Fletcher: Momentan fühle ich am wohlsten, wenn ich im Studio bin.

MusikBlog: Wirklich?

Holly Fletcher: Ja. Im Studio kann ich in Ruhe arbeiten. Dort guckt mir niemand auf die Finger. Das ist mein eigener kleiner Mikrokosmos. Dort fühle ich mich sicher. Auf der Bühne werde ich beobachtet. Sicher, es ist auch toll, auf der Bühne zu stehen, live zu singen und in die Augen von Menschen zu blicken, die meine Musik mögen. Aber es kostet mich jedes Mal wieder aufs Neue Überwindung. Auf der Bühne fühle ich mich manchmal nackt. Das liegt, denke ich, an mangelndem Selbstbewusstsein. Daran muss ich definitiv noch arbeiten.

MusikBlog: Dann kommt ja die anstehende Tour gerade recht.

Holly Fletcher: Auf jeden Fall. Ich bin auch schon total aufgeregt. Es ist eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Da ist auf der einen Seite ganz viel Vorfreude. Auf der anderen Seite ist da aber auch ganz viel Angst. Ich muss einfach gucken, dass ich die richtige Balance finde. Aber das kriege ich schon hin.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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