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Iggy Pop – Post Pop Depression

Dies muss nicht notwendigerweise James Newell Osterbergs alias Iggy Pop letztes Album sein, und doch ist „Post Pop Depression“ ein Abschied. Und was für einer. Von einem Dasein, welches die bald 69-jährige Ikone aller Rebellionsmusiken naturgemäß nicht mehr lange schaffen wird, durchzuhalten.

Also einmal noch die faltige Haut, die morschen Knochen und drahtig gebliebenen Muskeln aufgerafft und live auf einer Welttour den unnachahmlichen Performer geben, mit einer Entourage, die die Rock’n’Roll-Gemeinde sabbern lässt.

Mit Queens Of The Stone Age/Them Crooked Vultures/Desert Sessions/Kyuss-Mastermind Josh Homme hat Iggy Pop in dessen Studio Ende letzten Jahres in aller Heimlichkeit an seinem 17. Soloalbum (ohne die Stooges-Scheiben) gewerkelt. Und Homme ist ja wahrlich nicht schlecht vernetzt. QOTSA/Dead Weather-Multiinstrumentalist Dean Fertita half aus, wo Hommes Hände voll waren. Ans Drumkit durfte Matt Helders von den Arctic Monkeys. Live kommen noch QOTSAs Troy Van Leeuwen und Chavez’ Matt Sweeney mit ins Boot.

Es muss nicht notwendigerweise sein letztes Album sein, aber vielleicht, und nur vielleicht, weiß Iggy mehr, als er die Öffentlichkeit wissen lässt. Denn dieses Album ist durchzogen von dem, was immer so schwer fällt: Abschied nehmen. Einer seiner besten Freunde und sein sicherlich wichtigster Weggefährte ist ja schließlich auch eher überraschend zu Beginn des Jahres verstorben.

Und obwohl der Rock, das ungezogene Kind des Blues, eine jugendliche Unbekümmertheit bedingt, die die Rolling Stones Spagate machen lässt, die in die Kulturgeschichte eingehen werden, ist Iggy Pops 17. Rock-Scheibe Altherren-, Fazit-, Abschiedsmusik. Rock im feinen Jackett, doch darunter nichts.

Was habe ich aus meinem Leben gemacht? War es das wert? Bedeutet es irgendwas? Und vor allem: Was kommt noch? Und was bleibt? Die Fragen des Alters, sie kommen unwiederbringlich und verlangen Beantwortung. Auch bei Iggy Pop.

Der Verlauf seiner letzten Alben zeigt biestigen, bisweilen uneinsichtigen Rückzug aus dem Metier, welches er definierte, und für den man doch jung sein muss. Die letzten beiden Alben zum Beispiel, seine seltsame Phase, in der er französische Chansons sang – super-lethargisch – und allgemein irritierte.

Davor die beiden trotzigen Punk-Rock-Stomper „Beat ’Em Up“ und „Skull Ring“ aus 2001 und 2003, mit heute eher überflüssig erscheinenden Duetten mit Sum 41 oder Green Day. Oder davor, mit 50, seine große Krise auf dem großartigen „Avenue B“ (1999), das eindringlich vorgesprochene und -gesungene Ende seines alten Lebensstils, der Abschied von den verdammten Drogen, dem sinnlos Star-Beziehungen-führen mit halb so jungen Models, die Cosmopolitan lesen, wofür sich jeder Punk-Rocker schämt.

Auf die Frage, wie man als die Punk-Rock-Ikone schlechthin musikalisch altert, hat Iggy alles Mögliche versucht und doch Frieden und eine völlig unprominente ehemalige Stewardess als Frau gefunden.

„Post Pop Depression“ muss nicht notwendigerweise sein letztes Album sein. Aber es fühlt sich an, als wollte er jetzt ein Werk schaffen, welches gut als letztes fungieren könnte. Für den Fall der Fälle. Josh Homme hat ihm einen cleveren Souveränitäts-Rock maßgeschneidert, der – ab und zu an Them Crooked Vultures erinnernd – zwar meist mit leicht angezogener Handbremse cool dahinrockt – Iggy wird 69, verdammt noch mal – aber, der berührend von den Ängsten des Loslassen-müssens Zeugnis gibt.

Und auch wenn „Post Pop Depression“ lange braucht, eh es richtig aufgeht, mehrmalige konzentrierte Durchläufe verlangt, die Stärke dieses Albums ist nicht sein Wumms, es ist seine berührend ehrliche Botschaft: Auch Iggy, wie wir alle, will noch nicht loslassen. Von dem, was er kann, von dem, was ihm Spaß macht. Aber wie wir alle, wird er letztendlich müssen.

„American Valhalla“, „Sunday“, „Chococlate Drops“, Paraguay“: Sie alle erzählen rührend, ja hingebungsvoll, von dieser Einsicht. Mit Zeilen wie: „Death is the pill that’s tough to swallow“, „And I hope I’m not losing my life tonight“, „Got all I need and it is killing me and you“, „I have outlived my use / Please drink my juice“.

Ach, Iggy. Von allen Punk Rockern war er stets derjenige, der immer am meisten ins Herz traf. Geh noch nicht, Iggy. Rock den Laden noch einmal mehr für uns. Abschiede sind so schwer.

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